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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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doch hier wie vielfach bei Fischen, der böse Brauch, daß noch
unreife Männchen mit Liebhaberei die abgelegten Eier verspeisen,
anstatt sie zu besamen. Fressen contra Liebe -- das alte
Lied! Ist sich die Forellenmaid aber eines Gewissenhaften im
Gefolge sicher, der zugleich stark genug ist, das faule Volk
fortzutreiben, wenn der kritische Punkt kommt, so geht sie flugs
ans Werk zum Zweck. Mit dem netten gefleckten Schwänzchen
fächelt sie im weichen Grundsande eine kleine Vertiefung aus.
Da hinein läßt sie Eier fallen und räumt, so bald es geschehen,
wieder den Platz. Alsbald nimmt ihn der Bräutigam ein
und wirft seine Samenpollutionen auf die Eier. Dann
schwänzeln beide noch so lange daran herum, bis der Sand
die kleine Liebesfracht lose wieder bedeckt hat, -- und das
Werk ist für diesmal vollendet. Weitere Elternsorge um die
Jungen findet nicht statt, die Kleinen kommen schon, wenn
ihre Zeit da ist, von selbst aus dem Sande hoch. Ganz
schlicht alles noch. Noch ist das äußere Wasser das Feld der
Mischliebe. Freilich nicht mehr schrankenlos.

Jene kleine Grube im Sandboden, die das Weiblein her¬
stellt, ist ja eine Art äußerlicher Gebärmutter. Wie der Ei¬
leiter im Menschenleibe die Weibeseier in die echte Gebärmutter
entläßt, so die Forelle ihren Rogen in die äußere Grube. Und
wie der Menschenmann seinen Samen in der Richtung auf diese
Gebärmutter an ergießt, so der Forellenmann in jene Grube.
Selbst darin wird die Grube zur Gebärmutter, daß sich in ihr,
wie dort das Menschenkind, wohlumhegt hier die Jungen ent¬
wickeln. Ein einziger Schritt weiter: und die Grube im Teich¬
sande wird nicht mehr äußerlich hergestellt, sondern legt sich
als körperliches Organ an. Sie wird zu einer Grube im Leibe
des Weibchens. Zu dieser Grube steigen vom Eierstock innerlich
die Eier herab. Und in diese Grube wirft das Männchen von
außen seinen Samen. Und das Kind reift weiterhin in ihr.
Du hast monatliche Ei-Wanderung, echte Begattung, eine in der
Gebärmutter reifende Frucht. Das wäre: aus dem Fisch der

doch hier wie vielfach bei Fiſchen, der böſe Brauch, daß noch
unreife Männchen mit Liebhaberei die abgelegten Eier verſpeiſen,
anſtatt ſie zu beſamen. Freſſen contra Liebe — das alte
Lied! Iſt ſich die Forellenmaid aber eines Gewiſſenhaften im
Gefolge ſicher, der zugleich ſtark genug iſt, das faule Volk
fortzutreiben, wenn der kritiſche Punkt kommt, ſo geht ſie flugs
ans Werk zum Zweck. Mit dem netten gefleckten Schwänzchen
fächelt ſie im weichen Grundſande eine kleine Vertiefung aus.
Da hinein läßt ſie Eier fallen und räumt, ſo bald es geſchehen,
wieder den Platz. Alsbald nimmt ihn der Bräutigam ein
und wirft ſeine Samenpollutionen auf die Eier. Dann
ſchwänzeln beide noch ſo lange daran herum, bis der Sand
die kleine Liebesfracht loſe wieder bedeckt hat, — und das
Werk iſt für diesmal vollendet. Weitere Elternſorge um die
Jungen findet nicht ſtatt, die Kleinen kommen ſchon, wenn
ihre Zeit da iſt, von ſelbſt aus dem Sande hoch. Ganz
ſchlicht alles noch. Noch iſt das äußere Waſſer das Feld der
Miſchliebe. Freilich nicht mehr ſchrankenlos.

Jene kleine Grube im Sandboden, die das Weiblein her¬
ſtellt, iſt ja eine Art äußerlicher Gebärmutter. Wie der Ei¬
leiter im Menſchenleibe die Weibeseier in die echte Gebärmutter
entläßt, ſo die Forelle ihren Rogen in die äußere Grube. Und
wie der Menſchenmann ſeinen Samen in der Richtung auf dieſe
Gebärmutter an ergießt, ſo der Forellenmann in jene Grube.
Selbſt darin wird die Grube zur Gebärmutter, daß ſich in ihr,
wie dort das Menſchenkind, wohlumhegt hier die Jungen ent¬
wickeln. Ein einziger Schritt weiter: und die Grube im Teich¬
ſande wird nicht mehr äußerlich hergeſtellt, ſondern legt ſich
als körperliches Organ an. Sie wird zu einer Grube im Leibe
des Weibchens. Zu dieſer Grube ſteigen vom Eierſtock innerlich
die Eier herab. Und in dieſe Grube wirft das Männchen von
außen ſeinen Samen. Und das Kind reift weiterhin in ihr.
Du haſt monatliche Ei-Wanderung, echte Begattung, eine in der
Gebärmutter reifende Frucht. Das wäre: aus dem Fiſch der

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[216/0232] doch hier wie vielfach bei Fiſchen, der böſe Brauch, daß noch unreife Männchen mit Liebhaberei die abgelegten Eier verſpeiſen, anſtatt ſie zu beſamen. Freſſen contra Liebe — das alte Lied! Iſt ſich die Forellenmaid aber eines Gewiſſenhaften im Gefolge ſicher, der zugleich ſtark genug iſt, das faule Volk fortzutreiben, wenn der kritiſche Punkt kommt, ſo geht ſie flugs ans Werk zum Zweck. Mit dem netten gefleckten Schwänzchen fächelt ſie im weichen Grundſande eine kleine Vertiefung aus. Da hinein läßt ſie Eier fallen und räumt, ſo bald es geſchehen, wieder den Platz. Alsbald nimmt ihn der Bräutigam ein und wirft ſeine Samenpollutionen auf die Eier. Dann ſchwänzeln beide noch ſo lange daran herum, bis der Sand die kleine Liebesfracht loſe wieder bedeckt hat, — und das Werk iſt für diesmal vollendet. Weitere Elternſorge um die Jungen findet nicht ſtatt, die Kleinen kommen ſchon, wenn ihre Zeit da iſt, von ſelbſt aus dem Sande hoch. Ganz ſchlicht alles noch. Noch iſt das äußere Waſſer das Feld der Miſchliebe. Freilich nicht mehr ſchrankenlos. Jene kleine Grube im Sandboden, die das Weiblein her¬ ſtellt, iſt ja eine Art äußerlicher Gebärmutter. Wie der Ei¬ leiter im Menſchenleibe die Weibeseier in die echte Gebärmutter entläßt, ſo die Forelle ihren Rogen in die äußere Grube. Und wie der Menſchenmann ſeinen Samen in der Richtung auf dieſe Gebärmutter an ergießt, ſo der Forellenmann in jene Grube. Selbſt darin wird die Grube zur Gebärmutter, daß ſich in ihr, wie dort das Menſchenkind, wohlumhegt hier die Jungen ent¬ wickeln. Ein einziger Schritt weiter: und die Grube im Teich¬ ſande wird nicht mehr äußerlich hergeſtellt, ſondern legt ſich als körperliches Organ an. Sie wird zu einer Grube im Leibe des Weibchens. Zu dieſer Grube ſteigen vom Eierſtock innerlich die Eier herab. Und in dieſe Grube wirft das Männchen von außen ſeinen Samen. Und das Kind reift weiterhin in ihr. Du haſt monatliche Ei-Wanderung, echte Begattung, eine in der Gebärmutter reifende Frucht. Das wäre: aus dem Fiſch der

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/232>, abgerufen am 24.11.2024.