Mensch. Aber wie viel Stationen lagen da noch dazwischen. Wie viel Ringen des Tieres, das Mensch werden wollte. Von der Grube im Teichsand zu der Grube im Weibesinnern, -- das war der Weg. Aber wie?
Recke die liebe kleine Forelle aus zur Länge eines Meters. Laß sie schwer werden bis zu sechzehn Kilo. Und du hast den Lachs. Unsere Dichter wissen wenig von Zoologie. Sonst wäre nicht zu begreifen, daß nicht längst einer das Epos vom Lachs gedichtet hat. Eine Odyssee aus dem Fischleben. Und dazu eine Liebes-Odyssee, deren Leiterin Aphrodite die Liebes¬ nackte ist und nicht die streng gepanzerte Pallas Athene.
Das Epos hat einen Vorgesang, ein Schicksalsmärchen aus Urtagen, das gleichsam den Geheimschlüssel aller Ver¬ zauberungen giebt.
[Abbildung]
In einem schönen kühlen Meer lebten voreinst Forellen¬ fische. Sie hatten Nahrung im Überfluß und fraßen sich zu Riesen heran, zu Lachsen. Aber wenn ihre Liebeszeit kam, ging's ihnen wie den Heringen. Sie suchten stille, seichte Ufer¬ stellen, wo die Liebenden sich haschen und finden mochten und das Weib seine Sandgrube nach Forellenart höhlen konnte. Zu diesem Liebesspiel wie zum Gedeihen der Jungen war hier ganz anders gut der Ort als draußen auf der wilden See. Einmal am Rande so eines Landes angelangt, boten sich den Suchenden aber noch viel geschütztere Schlupfwinkel dar als bloß landgedeckte seichte Buchten. Von dem Lande herab rannen lustige krystallhelle Wässerlein, kleine Flußadern, die durch grüne Wiesen daherkamen. Sie führten allerdings Süßwasser, und die leckere Tafel der Seekrebse, Heringe und so weiter, die den Lachsen in ihrem Ozean so üppig gedeckt stand, hörte hier auf. Aber was verschlug's, für die sonst so heiter bewegte Liebes¬ zeit etwas zu hungern!
Menſch. Aber wie viel Stationen lagen da noch dazwiſchen. Wie viel Ringen des Tieres, das Menſch werden wollte. Von der Grube im Teichſand zu der Grube im Weibesinnern, — das war der Weg. Aber wie?
Recke die liebe kleine Forelle aus zur Länge eines Meters. Laß ſie ſchwer werden bis zu ſechzehn Kilo. Und du haſt den Lachs. Unſere Dichter wiſſen wenig von Zoologie. Sonſt wäre nicht zu begreifen, daß nicht längſt einer das Epos vom Lachs gedichtet hat. Eine Odyſſee aus dem Fiſchleben. Und dazu eine Liebes-Odyſſee, deren Leiterin Aphrodite die Liebes¬ nackte iſt und nicht die ſtreng gepanzerte Pallas Athene.
Das Epos hat einen Vorgeſang, ein Schickſalsmärchen aus Urtagen, das gleichſam den Geheimſchlüſſel aller Ver¬ zauberungen giebt.
[Abbildung]
In einem ſchönen kühlen Meer lebten voreinſt Forellen¬ fiſche. Sie hatten Nahrung im Überfluß und fraßen ſich zu Rieſen heran, zu Lachſen. Aber wenn ihre Liebeszeit kam, ging's ihnen wie den Heringen. Sie ſuchten ſtille, ſeichte Ufer¬ ſtellen, wo die Liebenden ſich haſchen und finden mochten und das Weib ſeine Sandgrube nach Forellenart höhlen konnte. Zu dieſem Liebesſpiel wie zum Gedeihen der Jungen war hier ganz anders gut der Ort als draußen auf der wilden See. Einmal am Rande ſo eines Landes angelangt, boten ſich den Suchenden aber noch viel geſchütztere Schlupfwinkel dar als bloß landgedeckte ſeichte Buchten. Von dem Lande herab rannen luſtige kryſtallhelle Wäſſerlein, kleine Flußadern, die durch grüne Wieſen daherkamen. Sie führten allerdings Süßwaſſer, und die leckere Tafel der Seekrebſe, Heringe und ſo weiter, die den Lachſen in ihrem Ozean ſo üppig gedeckt ſtand, hörte hier auf. Aber was verſchlug's, für die ſonſt ſo heiter bewegte Liebes¬ zeit etwas zu hungern!
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Menſch. Aber wie viel Stationen lagen da noch dazwiſchen.
Wie viel Ringen des Tieres, das Menſch werden wollte. Von
der Grube im Teichſand zu der Grube im Weibesinnern, —
das war der Weg. Aber wie?
Recke die liebe kleine Forelle aus zur Länge eines Meters.
Laß ſie ſchwer werden bis zu ſechzehn Kilo. Und du haſt
den Lachs. Unſere Dichter wiſſen wenig von Zoologie. Sonſt
wäre nicht zu begreifen, daß nicht längſt einer das Epos vom
Lachs gedichtet hat. Eine Odyſſee aus dem Fiſchleben. Und
dazu eine Liebes-Odyſſee, deren Leiterin Aphrodite die Liebes¬
nackte iſt und nicht die ſtreng gepanzerte Pallas Athene.
Das Epos hat einen Vorgeſang, ein Schickſalsmärchen
aus Urtagen, das gleichſam den Geheimſchlüſſel aller Ver¬
zauberungen giebt.
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In einem ſchönen kühlen Meer lebten voreinſt Forellen¬
fiſche. Sie hatten Nahrung im Überfluß und fraßen ſich zu
Rieſen heran, zu Lachſen. Aber wenn ihre Liebeszeit kam,
ging's ihnen wie den Heringen. Sie ſuchten ſtille, ſeichte Ufer¬
ſtellen, wo die Liebenden ſich haſchen und finden mochten und
das Weib ſeine Sandgrube nach Forellenart höhlen konnte.
Zu dieſem Liebesſpiel wie zum Gedeihen der Jungen war hier
ganz anders gut der Ort als draußen auf der wilden See.
Einmal am Rande ſo eines Landes angelangt, boten ſich den
Suchenden aber noch viel geſchütztere Schlupfwinkel dar als
bloß landgedeckte ſeichte Buchten. Von dem Lande herab rannen
luſtige kryſtallhelle Wäſſerlein, kleine Flußadern, die durch grüne
Wieſen daherkamen. Sie führten allerdings Süßwaſſer, und
die leckere Tafel der Seekrebſe, Heringe und ſo weiter, die den
Lachſen in ihrem Ozean ſo üppig gedeckt ſtand, hörte hier auf.
Aber was verſchlug's, für die ſonſt ſo heiter bewegte Liebes¬
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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