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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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Die andere als verdauender Magen. Das Tier dieser Stufe
nahm die Gestalt eines Bechers an statt der Blase, es hatte
außen eine Haut und innen eine Magenwand und oben ließ
diese Haut ein Loch: einen Mund, durch den die nötige Nahrung
in den Magen hineingelangen konnte. Aus diesem becherförmigen
Geschöpf jetzt wurde durch mancherlei Umwandlungen eine dritte
Form, deren Grundriß nicht mehr die Blase ohne Loch und
auch nicht mehr der Becher mit einem Mundloch, sondern der
gestreckte Schlauch war, der sowohl vorne wie hinten ein Loch
hatte, -- vorne einen Mund und hinten einen After. Erst
jenseits dieser doppelt durchlochten Schlauchform beginnt die
Stufe des Fisches, bei der wir eben Halt gemacht haben.

Nun haben wir oben bei Betrachtung dieser Lochver¬
hältnisse immer nur vom Fressen und Verdauen gehandelt,
garnichts aber danach gefragt, wie und wo denn nun bei
besagten Blasen, Bechern und Schläuchen deiner vorfischlichen
Ahnenschaft die Geschlechtsstoffe, Samen und Eilein, angesetzt
und aus dem Leibe heraus verfrachtet wurden.

Bei der ganz anfänglich lochlosen Blase ist die Geschichte
schlechterdings selbstverständlich. Wenn aus dem Verbande
solcher Zellenblase sich einzelne Zellen als Samenzellen und
Eizellen ablösen und frei ins Wasser hineinplumpsen sollten,
so kann das nicht nach innen, in den geschlossenen, thürlosen
Blasenhohlraum hinein geschehen sein, sondern es erfolgte von
der Blasenhaut her nach außen. Von der Haut schilferten sich
einfach jene Wanderzellchen, die zu neuen Koloniegründungen
auszogen, herunter, wie dir da und dort ein Nagelwurzelchen
oder Hautpickelchen gelegentlich abblättert. Und wenn du dir
zwei solcher schlichtesten Zellblasen schon zu einem wahren Be¬
gattungsakt gleich jenen tanzenden Blaufelchen aneinander ge¬
preßt denken wolltest, so ginge denn hier heiligen Ernstes die
Zeugung vor sich von Haut zu Haut, -- beim einfachen An¬
einanderdrücken eines Tanzpaares. "Lehn' deine Wang' an
meine Wang'" ..... und ein rosiges Hautschilferchen der

Die andere als verdauender Magen. Das Tier dieſer Stufe
nahm die Geſtalt eines Bechers an ſtatt der Blaſe, es hatte
außen eine Haut und innen eine Magenwand und oben ließ
dieſe Haut ein Loch: einen Mund, durch den die nötige Nahrung
in den Magen hineingelangen konnte. Aus dieſem becherförmigen
Geſchöpf jetzt wurde durch mancherlei Umwandlungen eine dritte
Form, deren Grundriß nicht mehr die Blaſe ohne Loch und
auch nicht mehr der Becher mit einem Mundloch, ſondern der
geſtreckte Schlauch war, der ſowohl vorne wie hinten ein Loch
hatte, — vorne einen Mund und hinten einen After. Erſt
jenſeits dieſer doppelt durchlochten Schlauchform beginnt die
Stufe des Fiſches, bei der wir eben Halt gemacht haben.

Nun haben wir oben bei Betrachtung dieſer Lochver¬
hältniſſe immer nur vom Freſſen und Verdauen gehandelt,
garnichts aber danach gefragt, wie und wo denn nun bei
beſagten Blaſen, Bechern und Schläuchen deiner vorfiſchlichen
Ahnenſchaft die Geſchlechtsſtoffe, Samen und Eilein, angeſetzt
und aus dem Leibe heraus verfrachtet wurden.

Bei der ganz anfänglich lochloſen Blaſe iſt die Geſchichte
ſchlechterdings ſelbſtverſtändlich. Wenn aus dem Verbande
ſolcher Zellenblaſe ſich einzelne Zellen als Samenzellen und
Eizellen ablöſen und frei ins Waſſer hineinplumpſen ſollten,
ſo kann das nicht nach innen, in den geſchloſſenen, thürloſen
Blaſenhohlraum hinein geſchehen ſein, ſondern es erfolgte von
der Blaſenhaut her nach außen. Von der Haut ſchilferten ſich
einfach jene Wanderzellchen, die zu neuen Koloniegründungen
auszogen, herunter, wie dir da und dort ein Nagelwurzelchen
oder Hautpickelchen gelegentlich abblättert. Und wenn du dir
zwei ſolcher ſchlichteſten Zellblaſen ſchon zu einem wahren Be¬
gattungsakt gleich jenen tanzenden Blaufelchen aneinander ge¬
preßt denken wollteſt, ſo ginge denn hier heiligen Ernſtes die
Zeugung vor ſich von Haut zu Haut, — beim einfachen An¬
einanderdrücken eines Tanzpaares. „Lehn' deine Wang' an
meine Wang'“ ..... und ein roſiges Hautſchilferchen der

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[230/0246] Die andere als verdauender Magen. Das Tier dieſer Stufe nahm die Geſtalt eines Bechers an ſtatt der Blaſe, es hatte außen eine Haut und innen eine Magenwand und oben ließ dieſe Haut ein Loch: einen Mund, durch den die nötige Nahrung in den Magen hineingelangen konnte. Aus dieſem becherförmigen Geſchöpf jetzt wurde durch mancherlei Umwandlungen eine dritte Form, deren Grundriß nicht mehr die Blaſe ohne Loch und auch nicht mehr der Becher mit einem Mundloch, ſondern der geſtreckte Schlauch war, der ſowohl vorne wie hinten ein Loch hatte, — vorne einen Mund und hinten einen After. Erſt jenſeits dieſer doppelt durchlochten Schlauchform beginnt die Stufe des Fiſches, bei der wir eben Halt gemacht haben. Nun haben wir oben bei Betrachtung dieſer Lochver¬ hältniſſe immer nur vom Freſſen und Verdauen gehandelt, garnichts aber danach gefragt, wie und wo denn nun bei beſagten Blaſen, Bechern und Schläuchen deiner vorfiſchlichen Ahnenſchaft die Geſchlechtsſtoffe, Samen und Eilein, angeſetzt und aus dem Leibe heraus verfrachtet wurden. Bei der ganz anfänglich lochloſen Blaſe iſt die Geſchichte ſchlechterdings ſelbſtverſtändlich. Wenn aus dem Verbande ſolcher Zellenblaſe ſich einzelne Zellen als Samenzellen und Eizellen ablöſen und frei ins Waſſer hineinplumpſen ſollten, ſo kann das nicht nach innen, in den geſchloſſenen, thürloſen Blaſenhohlraum hinein geſchehen ſein, ſondern es erfolgte von der Blaſenhaut her nach außen. Von der Haut ſchilferten ſich einfach jene Wanderzellchen, die zu neuen Koloniegründungen auszogen, herunter, wie dir da und dort ein Nagelwurzelchen oder Hautpickelchen gelegentlich abblättert. Und wenn du dir zwei ſolcher ſchlichteſten Zellblaſen ſchon zu einem wahren Be¬ gattungsakt gleich jenen tanzenden Blaufelchen aneinander ge¬ preßt denken wollteſt, ſo ginge denn hier heiligen Ernſtes die Zeugung vor ſich von Haut zu Haut, — beim einfachen An¬ einanderdrücken eines Tanzpaares. „Lehn' deine Wang' an meine Wang'“ ..... und ein roſiges Hautſchilferchen der

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/246>, abgerufen am 23.11.2024.