zurück, angelockt durch köstliche Beute. Überall verkohlte, an¬ gesengte, gebratene Leichen. Raubzeug macht sich darüber her, vierbeiniges und geflügeltes, der Wolf, der am Boden schleicht, wie der Falke, der aus den rauchigen Lüften stößt. Wieder¬ käuer lecken die salzige Asche und wärmen sich auf dem wohlig erhitzten Feld. Aber noch ein besonderes Wesen hat das Feuer erlebt und genutzt. Die Nacht ist gekommen, nur die stillen Sterne strahlen. Hier und da ein Glühwürmchen in unbe¬ rührter Waldestiefe. Dort aber eine rote Flamme, immer noch. Eine einsame, -- fernab von allem großen Brand. Der Mensch hat sie gerettet. Mit unendlicher Sorgfalt hütet er sie. Die wilden Wölfe haben nur heute wohlfeilen Braten, der in köstlicher schwarzer Salzkruste angerichtet ist. Er wird ihn haben, so lange die gerettete Flamme ihm bleibt. Immer wieder wird das Wild, das sein Pfeil erlegt, an dieser köst¬ lichen Flamme, -- "seiner Flamme", -- ebenso gebraten werden. Und das gebratene Fleisch, der gebackene Fisch werden sich konservieren, -- länger als es sonst je geglückt. Heiliges Gut: diese Flamme. Der Wandernde muß sie mit sich führen wie einen Talisman. Und er entdeckt, wie das geheimnißvoll segnende Wesen, das rote Feuer, zu nähren, zu erhalten ist auch auf einer Wanderschaft. Im ausgehöhlten Rohr, im hohlen Stabe wird glimmendes Holzmehl mitgeführt. Um solches Mehl zu schaffen, wird Holz fein zerrieben, aneinander¬ gerieben, Holz in Holz gebohrt. Da zeigt sich, daß das rasch gemahlene Holzmehl sich selber schon entzündet, glimmt, ver¬ kohlt, -- nach Gesetzen der Umwandlung von Bewegung in Wärme, die uns heute erst als solche offenbar geworden sind. Und der Mensch begreift, daß man Feuer nicht nur bewahren, daß man es auch erzeugen kann! Er schlägt sich den Stein zur Waffe zurecht. Den Stein, den Du selbst eben hier im Sande fandest: den Feuerstein. Funken sprühen. Nun den Zunder dazu, und die Flamme leckt. Wieder ist eine Art ge¬ geben, wie jenes künstliche Zeugen des Feuers zu einem Akt
zurück, angelockt durch köſtliche Beute. Überall verkohlte, an¬ geſengte, gebratene Leichen. Raubzeug macht ſich darüber her, vierbeiniges und geflügeltes, der Wolf, der am Boden ſchleicht, wie der Falke, der aus den rauchigen Lüften ſtößt. Wieder¬ käuer lecken die ſalzige Aſche und wärmen ſich auf dem wohlig erhitzten Feld. Aber noch ein beſonderes Weſen hat das Feuer erlebt und genutzt. Die Nacht iſt gekommen, nur die ſtillen Sterne ſtrahlen. Hier und da ein Glühwürmchen in unbe¬ rührter Waldestiefe. Dort aber eine rote Flamme, immer noch. Eine einſame, — fernab von allem großen Brand. Der Menſch hat ſie gerettet. Mit unendlicher Sorgfalt hütet er ſie. Die wilden Wölfe haben nur heute wohlfeilen Braten, der in köſtlicher ſchwarzer Salzkruſte angerichtet iſt. Er wird ihn haben, ſo lange die gerettete Flamme ihm bleibt. Immer wieder wird das Wild, das ſein Pfeil erlegt, an dieſer köſt¬ lichen Flamme, — „ſeiner Flamme“, — ebenſo gebraten werden. Und das gebratene Fleiſch, der gebackene Fiſch werden ſich konſervieren, — länger als es ſonſt je geglückt. Heiliges Gut: dieſe Flamme. Der Wandernde muß ſie mit ſich führen wie einen Talisman. Und er entdeckt, wie das geheimnißvoll ſegnende Weſen, das rote Feuer, zu nähren, zu erhalten iſt auch auf einer Wanderſchaft. Im ausgehöhlten Rohr, im hohlen Stabe wird glimmendes Holzmehl mitgeführt. Um ſolches Mehl zu ſchaffen, wird Holz fein zerrieben, aneinander¬ gerieben, Holz in Holz gebohrt. Da zeigt ſich, daß das raſch gemahlene Holzmehl ſich ſelber ſchon entzündet, glimmt, ver¬ kohlt, — nach Geſetzen der Umwandlung von Bewegung in Wärme, die uns heute erſt als ſolche offenbar geworden ſind. Und der Menſch begreift, daß man Feuer nicht nur bewahren, daß man es auch erzeugen kann! Er ſchlägt ſich den Stein zur Waffe zurecht. Den Stein, den Du ſelbſt eben hier im Sande fandeſt: den Feuerſtein. Funken ſprühen. Nun den Zunder dazu, und die Flamme leckt. Wieder iſt eine Art ge¬ geben, wie jenes künſtliche Zeugen des Feuers zu einem Akt
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[16/0032]
zurück, angelockt durch köſtliche Beute. Überall verkohlte, an¬
geſengte, gebratene Leichen. Raubzeug macht ſich darüber her,
vierbeiniges und geflügeltes, der Wolf, der am Boden ſchleicht,
wie der Falke, der aus den rauchigen Lüften ſtößt. Wieder¬
käuer lecken die ſalzige Aſche und wärmen ſich auf dem wohlig
erhitzten Feld. Aber noch ein beſonderes Weſen hat das Feuer
erlebt und genutzt. Die Nacht iſt gekommen, nur die ſtillen
Sterne ſtrahlen. Hier und da ein Glühwürmchen in unbe¬
rührter Waldestiefe. Dort aber eine rote Flamme, immer
noch. Eine einſame, — fernab von allem großen Brand. Der
Menſch hat ſie gerettet. Mit unendlicher Sorgfalt hütet er
ſie. Die wilden Wölfe haben nur heute wohlfeilen Braten,
der in köſtlicher ſchwarzer Salzkruſte angerichtet iſt. Er wird
ihn haben, ſo lange die gerettete Flamme ihm bleibt. Immer
wieder wird das Wild, das ſein Pfeil erlegt, an dieſer köſt¬
lichen Flamme, — „ſeiner Flamme“, — ebenſo gebraten
werden. Und das gebratene Fleiſch, der gebackene Fiſch werden
ſich konſervieren, — länger als es ſonſt je geglückt. Heiliges
Gut: dieſe Flamme. Der Wandernde muß ſie mit ſich führen
wie einen Talisman. Und er entdeckt, wie das geheimnißvoll
ſegnende Weſen, das rote Feuer, zu nähren, zu erhalten iſt
auch auf einer Wanderſchaft. Im ausgehöhlten Rohr, im
hohlen Stabe wird glimmendes Holzmehl mitgeführt. Um
ſolches Mehl zu ſchaffen, wird Holz fein zerrieben, aneinander¬
gerieben, Holz in Holz gebohrt. Da zeigt ſich, daß das raſch
gemahlene Holzmehl ſich ſelber ſchon entzündet, glimmt, ver¬
kohlt, — nach Geſetzen der Umwandlung von Bewegung in
Wärme, die uns heute erſt als ſolche offenbar geworden ſind.
Und der Menſch begreift, daß man Feuer nicht nur bewahren,
daß man es auch erzeugen kann! Er ſchlägt ſich den Stein
zur Waffe zurecht. Den Stein, den Du ſelbſt eben hier im
Sande fandeſt: den Feuerſtein. Funken ſprühen. Nun den
Zunder dazu, und die Flamme leckt. Wieder iſt eine Art ge¬
geben, wie jenes künſtliche Zeugen des Feuers zu einem Akt
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/32>, abgerufen am 24.11.2024.
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