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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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surdität, wenn dieser Mensch, im Lichte tief aufatmend, noch
das Haar dick voll Wollflocken hat. Und solche Wollflocken
einfach wären alle jene scheinbaren Verrücktheiten in deinem
menschlichen Liebesleben von heute, die zahllos verpulverten
Zeugungszellen, die Verknüpfung von Heiligem und Unappetit¬
lichem in dem Akt, und so fort.

Gut, ich sehe in eine unendliche Verwickelung, und wenn
diese geschichtliche Verwickelung noch heute Verwickeltes erzeugt,
so ist das in sich wirklich ganz und gar nicht absurd, sondern
es ist schlichteste Logik.

Aber ich stütze den Kopf auf die Hand und schaue in die
Wolken dort, die so schön weiß und solid aufsteigen und sich
doch immer wieder ins blaue Nichts lösen. Auf dem See
schnattern die ungezählten Pärchen liebender Vögel, eine große
Hochzeit ist da unten, ein wildes Zeugen neuen Lebens. Aber
oben kommen und gehen diese schweigenden Wolken, mit einer
stillen Tragik wie ein großer Chor, der den Schluß zieht, die
Moral von der Geschichte.

Ja die Moral. Und ich träume mich hinein in das
Schicksal eines jener Quadrillionen verpulverter Samentierchen
und ich frage mich, ob wir die Absurdität mit alle dem nicht
doch nur ein Stück weiter in den Kern der Weltendinge ver¬
schoben haben, ohne sie auch so ernstlich aus der Welt heraus¬
zubringen.

Damit einer lebt und weiter liebt, müssen Quadrillonen
sterben.

Eine Samenzelle findet ihre Eizelle und es wird ein
Mensch und wird groß und wandert ins Licht, ihm wachsen
Augen und er sieht die Sterne und das märchenhafte Blau
da oben.

Dafür aber bleibt die ganze Pilgerfahrt von tausend Ei¬
zellen das armselige Stückchen Herumtappen in einem stock¬
finsteren Kanal zwischen Eierstock und Gebärmutter. Und

ſurdität, wenn dieſer Menſch, im Lichte tief aufatmend, noch
das Haar dick voll Wollflocken hat. Und ſolche Wollflocken
einfach wären alle jene ſcheinbaren Verrücktheiten in deinem
menſchlichen Liebesleben von heute, die zahllos verpulverten
Zeugungszellen, die Verknüpfung von Heiligem und Unappetit¬
lichem in dem Akt, und ſo fort.

Gut, ich ſehe in eine unendliche Verwickelung, und wenn
dieſe geſchichtliche Verwickelung noch heute Verwickeltes erzeugt,
ſo iſt das in ſich wirklich ganz und gar nicht abſurd, ſondern
es iſt ſchlichteſte Logik.

Aber ich ſtütze den Kopf auf die Hand und ſchaue in die
Wolken dort, die ſo ſchön weiß und ſolid aufſteigen und ſich
doch immer wieder ins blaue Nichts löſen. Auf dem See
ſchnattern die ungezählten Pärchen liebender Vögel, eine große
Hochzeit iſt da unten, ein wildes Zeugen neuen Lebens. Aber
oben kommen und gehen dieſe ſchweigenden Wolken, mit einer
ſtillen Tragik wie ein großer Chor, der den Schluß zieht, die
Moral von der Geſchichte.

Ja die Moral. Und ich träume mich hinein in das
Schickſal eines jener Quadrillionen verpulverter Samentierchen
und ich frage mich, ob wir die Abſurdität mit alle dem nicht
doch nur ein Stück weiter in den Kern der Weltendinge ver¬
ſchoben haben, ohne ſie auch ſo ernſtlich aus der Welt heraus¬
zubringen.

Damit einer lebt und weiter liebt, müſſen Quadrillonen
ſterben.

Eine Samenzelle findet ihre Eizelle und es wird ein
Menſch und wird groß und wandert ins Licht, ihm wachſen
Augen und er ſieht die Sterne und das märchenhafte Blau
da oben.

Dafür aber bleibt die ganze Pilgerfahrt von tauſend Ei¬
zellen das armſelige Stückchen Herumtappen in einem ſtock¬
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[328/0344] ſurdität, wenn dieſer Menſch, im Lichte tief aufatmend, noch das Haar dick voll Wollflocken hat. Und ſolche Wollflocken einfach wären alle jene ſcheinbaren Verrücktheiten in deinem menſchlichen Liebesleben von heute, die zahllos verpulverten Zeugungszellen, die Verknüpfung von Heiligem und Unappetit¬ lichem in dem Akt, und ſo fort. Gut, ich ſehe in eine unendliche Verwickelung, und wenn dieſe geſchichtliche Verwickelung noch heute Verwickeltes erzeugt, ſo iſt das in ſich wirklich ganz und gar nicht abſurd, ſondern es iſt ſchlichteſte Logik. Aber ich ſtütze den Kopf auf die Hand und ſchaue in die Wolken dort, die ſo ſchön weiß und ſolid aufſteigen und ſich doch immer wieder ins blaue Nichts löſen. Auf dem See ſchnattern die ungezählten Pärchen liebender Vögel, eine große Hochzeit iſt da unten, ein wildes Zeugen neuen Lebens. Aber oben kommen und gehen dieſe ſchweigenden Wolken, mit einer ſtillen Tragik wie ein großer Chor, der den Schluß zieht, die Moral von der Geſchichte. Ja die Moral. Und ich träume mich hinein in das Schickſal eines jener Quadrillionen verpulverter Samentierchen und ich frage mich, ob wir die Abſurdität mit alle dem nicht doch nur ein Stück weiter in den Kern der Weltendinge ver¬ ſchoben haben, ohne ſie auch ſo ernſtlich aus der Welt heraus¬ zubringen. Damit einer lebt und weiter liebt, müſſen Quadrillonen ſterben. Eine Samenzelle findet ihre Eizelle und es wird ein Menſch und wird groß und wandert ins Licht, ihm wachſen Augen und er ſieht die Sterne und das märchenhafte Blau da oben. Dafür aber bleibt die ganze Pilgerfahrt von tauſend Ei¬ zellen das armſelige Stückchen Herumtappen in einem ſtock¬ finſteren Kanal zwiſchen Eierſtock und Gebärmutter. Und

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/344>, abgerufen am 22.11.2024.