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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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gedrehten Lustwalze. Noch ein Ruck: der freie Raum. Frei
bis zum Monde.

Doch du beschleunigst deinen Flug. Lichtgeschwindigkeit
nimmst du an. 40000 Meilen in einer Sekunde peitscht sich
die Ätherwelle, die von uns als Licht empfunden wird, dahin.
51000 Meilen bloß steht der Mond von der Erde ab. Also
noch nicht anderthalb Sekunden hast du bei solcher Geschwindig¬
keit bis zu ihm. Ein Sprung wie von einem Stuhl herab --
und du sitzt auf dem Mond. Hexerei der Physik. Am Rande
einer der ungeheuren Kraterhöhlen. Tausende von Metern
unter Dir, unter schwindelnder Wand, eine endlose, wellige
graugelbe Ebene. Der Schatten des Zackengrates, auf dem du
hängst, fällt in gigantischen kohlschwarzen Hörner-Silhouetten
weit in die blinkende Fläche ein. Fern ein einzelner steiler
Pik, -- der Zentralkegel des Kraterkessels. Mysteriöse Farb¬
flecke hier und da in der Ebene. Grüne, blaue. Sind es
Wälder giftgrüner Kristalle ..... oder eine phantastische
Pilzvegetation, mit eukalyptushohen Stengeln und Dächern wie
Paläste groß?

Doch du richtest den Blick in die Höhe. Da schwebt die
Erde. Die Volva, wie Kepler sie in seinem "Traum vom
Monde" selenitisch getauft hat. Ein freier Riesenglobus.
Das Polareis des Nordpols erzeugt einen Reflex, daß das
Auge blinzelt. Es ist die Gegend gerade, die selbst der Mensch
noch nie ganz durchmessen hat. Von da abwärts die Meere
grünblau. Rötlichgelb die Sahara. In sattem Smaragdgrün
der Tropengürtel Afrikas und Brasiliens. Über Teile von
Europa dampft langsam eine blendend weiße Wolkenbank ab.
Wo dein See hier liegen müßte, ist es gerade wieder ganz
klar. Aber umsonst, daß du ihn suchst. Er ist viel zu winzig.
Ein mikroskopisches Pünktchen. Kaum daß du den ganzen
Raum zwischen Mittelmeer und Nordmeer gewahrst und die
größten Tatzen, die der kleine Erdteil in diese Meere schiebt.

Und keines unserer Riesenfernröhre, auf diese selenitischen

gedrehten Luſtwalze. Noch ein Ruck: der freie Raum. Frei
bis zum Monde.

Doch du beſchleunigſt deinen Flug. Lichtgeſchwindigkeit
nimmſt du an. 40000 Meilen in einer Sekunde peitſcht ſich
die Ätherwelle, die von uns als Licht empfunden wird, dahin.
51000 Meilen bloß ſteht der Mond von der Erde ab. Alſo
noch nicht anderthalb Sekunden haſt du bei ſolcher Geſchwindig¬
keit bis zu ihm. Ein Sprung wie von einem Stuhl herab —
und du ſitzt auf dem Mond. Hexerei der Phyſik. Am Rande
einer der ungeheuren Kraterhöhlen. Tauſende von Metern
unter Dir, unter ſchwindelnder Wand, eine endloſe, wellige
graugelbe Ebene. Der Schatten des Zackengrates, auf dem du
hängſt, fällt in gigantiſchen kohlſchwarzen Hörner-Silhouetten
weit in die blinkende Fläche ein. Fern ein einzelner ſteiler
Pik, — der Zentralkegel des Kraterkeſſels. Myſteriöſe Farb¬
flecke hier und da in der Ebene. Grüne, blaue. Sind es
Wälder giftgrüner Kriſtalle ..... oder eine phantaſtiſche
Pilzvegetation, mit eukalyptushohen Stengeln und Dächern wie
Paläſte groß?

Doch du richteſt den Blick in die Höhe. Da ſchwebt die
Erde. Die Volva, wie Kepler ſie in ſeinem „Traum vom
Monde“ ſelenitiſch getauft hat. Ein freier Rieſenglobus.
Das Polareis des Nordpols erzeugt einen Reflex, daß das
Auge blinzelt. Es iſt die Gegend gerade, die ſelbſt der Menſch
noch nie ganz durchmeſſen hat. Von da abwärts die Meere
grünblau. Rötlichgelb die Sahara. In ſattem Smaragdgrün
der Tropengürtel Afrikas und Braſiliens. Über Teile von
Europa dampft langſam eine blendend weiße Wolkenbank ab.
Wo dein See hier liegen müßte, iſt es gerade wieder ganz
klar. Aber umſonſt, daß du ihn ſuchſt. Er iſt viel zu winzig.
Ein mikroſkopiſches Pünktchen. Kaum daß du den ganzen
Raum zwiſchen Mittelmeer und Nordmeer gewahrſt und die
größten Tatzen, die der kleine Erdteil in dieſe Meere ſchiebt.

Und keines unſerer Rieſenfernröhre, auf dieſe ſelenitiſchen

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[331/0347] gedrehten Luſtwalze. Noch ein Ruck: der freie Raum. Frei bis zum Monde. Doch du beſchleunigſt deinen Flug. Lichtgeſchwindigkeit nimmſt du an. 40000 Meilen in einer Sekunde peitſcht ſich die Ätherwelle, die von uns als Licht empfunden wird, dahin. 51000 Meilen bloß ſteht der Mond von der Erde ab. Alſo noch nicht anderthalb Sekunden haſt du bei ſolcher Geſchwindig¬ keit bis zu ihm. Ein Sprung wie von einem Stuhl herab — und du ſitzt auf dem Mond. Hexerei der Phyſik. Am Rande einer der ungeheuren Kraterhöhlen. Tauſende von Metern unter Dir, unter ſchwindelnder Wand, eine endloſe, wellige graugelbe Ebene. Der Schatten des Zackengrates, auf dem du hängſt, fällt in gigantiſchen kohlſchwarzen Hörner-Silhouetten weit in die blinkende Fläche ein. Fern ein einzelner ſteiler Pik, — der Zentralkegel des Kraterkeſſels. Myſteriöſe Farb¬ flecke hier und da in der Ebene. Grüne, blaue. Sind es Wälder giftgrüner Kriſtalle ..... oder eine phantaſtiſche Pilzvegetation, mit eukalyptushohen Stengeln und Dächern wie Paläſte groß? Doch du richteſt den Blick in die Höhe. Da ſchwebt die Erde. Die Volva, wie Kepler ſie in ſeinem „Traum vom Monde“ ſelenitiſch getauft hat. Ein freier Rieſenglobus. Das Polareis des Nordpols erzeugt einen Reflex, daß das Auge blinzelt. Es iſt die Gegend gerade, die ſelbſt der Menſch noch nie ganz durchmeſſen hat. Von da abwärts die Meere grünblau. Rötlichgelb die Sahara. In ſattem Smaragdgrün der Tropengürtel Afrikas und Braſiliens. Über Teile von Europa dampft langſam eine blendend weiße Wolkenbank ab. Wo dein See hier liegen müßte, iſt es gerade wieder ganz klar. Aber umſonſt, daß du ihn ſuchſt. Er iſt viel zu winzig. Ein mikroſkopiſches Pünktchen. Kaum daß du den ganzen Raum zwiſchen Mittelmeer und Nordmeer gewahrſt und die größten Tatzen, die der kleine Erdteil in dieſe Meere ſchiebt. Und keines unſerer Rieſenfernröhre, auf dieſe ſelenitiſchen

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/347>, abgerufen am 22.11.2024.