Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.genommen. Als Goethe hat er den Grundstein gelegt zu seiner Und dieser Mensch jetzt greift sich an die Stirn. Woher er selbst? Wie ein toller Zecher beim Bacchusfest, dem auf einen Es giebt zwei Wege zur Antwort. Je nachdem du den rechten gehst, hast du auch den Schlüssel [Abbildung]
Der eine Weg führt ganz durch den Geist. Er ist ja so stark, dieser Menschengeist. Wie soll er Was weiß ich selbst als Einzelner, wenn ich vierzig Durch mein Leben klirrt eine Kette abwärts von Er¬ genommen. Als Goethe hat er den Grundſtein gelegt zu ſeiner Und dieſer Menſch jetzt greift ſich an die Stirn. Woher er ſelbſt? Wie ein toller Zecher beim Bacchusfeſt, dem auf einen Es giebt zwei Wege zur Antwort. Je nachdem du den rechten gehſt, haſt du auch den Schlüſſel [Abbildung]
Der eine Weg führt ganz durch den Geiſt. Er iſt ja ſo ſtark, dieſer Menſchengeiſt. Wie ſoll er Was weiß ich ſelbſt als Einzelner, wenn ich vierzig Durch mein Leben klirrt eine Kette abwärts von Er¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0036" n="20"/> genommen. Als Goethe hat er den Grundſtein gelegt zu ſeiner<lb/> eigenen Überwelt. Und nach Jahrtauſenden, deren Brauſen<lb/> ihm noch im Ohr klingt, ſteht er immer erſt noch wie ein<lb/> Jüngling da. Nicht wie Moſes, der das gelobte Land einmal<lb/> in ſeinen Abendfeuern ſieht und ſtirbt. Sondern wie Moſes<lb/> das Kind, das im Rohrſchifflein auf dem heiligen Strom er¬<lb/> wacht und mit großen morgenhellen Augen über den Teppich<lb/> roter Lotosblumen ſtarrt.</p><lb/> <p>Und dieſer Menſch jetzt greift ſich an die Stirn.</p><lb/> <p>Woher er ſelbſt?</p><lb/> <p>Wie ein toller Zecher beim Bacchusfeſt, dem auf einen<lb/> Moment aller Lärm fern verhallt und die Fackeln dunkler<lb/> glühen. Er beſinnt ſich dumpf. Wie kamſt du hierher? Was<lb/> biſt du überhaupt?</p><lb/> <p>Es giebt zwei Wege zur Antwort.</p><lb/> <p>Je nachdem du den rechten gehſt, haſt du auch den Schlüſſel<lb/> zur Liebe des Menſchen in der Hand. Zu der Liebe, die ihn<lb/> gezeugt hat. Und zu der Liebe, die noch heute in ihm zeugt.</p><lb/> <figure/> <p>Der eine Weg führt ganz durch den Geiſt.</p><lb/> <p>Er iſt ja ſo ſtark, dieſer Menſchengeiſt. Wie ſoll er<lb/> nicht auch dieſes Geheimniſſes Löſung in ſeiner Tiefe haben.<lb/> Du gehſt langſam durch den Nebel da unten hin. Nichts vor<lb/> Augen. Den ganzen Blick inwendig. Und ſinnſt.</p><lb/> <p>Was weiß ich ſelbſt als Einzelner, wenn ich vierzig<lb/> Jahre im rauſchenden Leben ſtehe und auf einmal ſtill halte,<lb/> in mich gehe, mich ſelber frage — was weiß ich aus mir<lb/> ſelbſt von <hi rendition="#g">meiner</hi> Geburt?</p><lb/> <p>Durch mein Leben klirrt eine Kette abwärts von Er¬<lb/> innerungen. Zuerſt eine Maſſe ganz hell, ganz nah noch.<lb/> Handlungen, Bilder, Perſonen, Landſchaften, Schmerz, Glück,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0036]
genommen. Als Goethe hat er den Grundſtein gelegt zu ſeiner
eigenen Überwelt. Und nach Jahrtauſenden, deren Brauſen
ihm noch im Ohr klingt, ſteht er immer erſt noch wie ein
Jüngling da. Nicht wie Moſes, der das gelobte Land einmal
in ſeinen Abendfeuern ſieht und ſtirbt. Sondern wie Moſes
das Kind, das im Rohrſchifflein auf dem heiligen Strom er¬
wacht und mit großen morgenhellen Augen über den Teppich
roter Lotosblumen ſtarrt.
Und dieſer Menſch jetzt greift ſich an die Stirn.
Woher er ſelbſt?
Wie ein toller Zecher beim Bacchusfeſt, dem auf einen
Moment aller Lärm fern verhallt und die Fackeln dunkler
glühen. Er beſinnt ſich dumpf. Wie kamſt du hierher? Was
biſt du überhaupt?
Es giebt zwei Wege zur Antwort.
Je nachdem du den rechten gehſt, haſt du auch den Schlüſſel
zur Liebe des Menſchen in der Hand. Zu der Liebe, die ihn
gezeugt hat. Und zu der Liebe, die noch heute in ihm zeugt.
[Abbildung]
Der eine Weg führt ganz durch den Geiſt.
Er iſt ja ſo ſtark, dieſer Menſchengeiſt. Wie ſoll er
nicht auch dieſes Geheimniſſes Löſung in ſeiner Tiefe haben.
Du gehſt langſam durch den Nebel da unten hin. Nichts vor
Augen. Den ganzen Blick inwendig. Und ſinnſt.
Was weiß ich ſelbſt als Einzelner, wenn ich vierzig
Jahre im rauſchenden Leben ſtehe und auf einmal ſtill halte,
in mich gehe, mich ſelber frage — was weiß ich aus mir
ſelbſt von meiner Geburt?
Durch mein Leben klirrt eine Kette abwärts von Er¬
innerungen. Zuerſt eine Maſſe ganz hell, ganz nah noch.
Handlungen, Bilder, Perſonen, Landſchaften, Schmerz, Glück,
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