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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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als negatives Zeichen. Immerhin war gar nicht nötig, zu¬
nächst eine wirkliche ganze "Verdeckung" zu nehmen. Das ist
schon eine raffiniertere Idee. Das erste war, wie mir scheint,
wirklich bloß die möglichste Deutlichkeit des "Signals" an sich,
-- des Feigenblatts als Buchstabe, als Stichwort. Die Ge¬
schlechtsgegend konnte dabei sichtbar bleiben, -- wenn sie nur
irgend ein Merkmal zugleich wies, das gleichsam eine Tarn¬
kappe über ihre erotische Bestimmung zog.

Die Sache mußte beim Menschen besonders wichtig werden,
da er aller Wahrscheinlichkeit nach von früh an keine so feste
natürliche Einschränkung des Geschlechtsverkehrs durch bestimmte
Liebes- und Nichtliebesperioden besessen hat, wie sie bei andern
Tieren als Wechsel von Brunst und Nichtbrunst, erotischer
Jagd- und Schonzeit, sich geltend zu machen pflegen.

Gewisse Punkte sind ja auch bei ihm da klar. Ein Reife¬
alter ist nötig, damit überhaupt der nackte Körper als erotischer
in Betracht komme, -- das markiert ja die Natur selber deut¬
lich genug im allmählichen Wölben der Mädchenbrust, in jenem
späten Nachwachsen der Schamhaare, und vor allem in der
erst erwachenden Zeugungsfähigkeit selbst. Schon im Punkte
des Termins, da das alles eintritt, variiert aber das Menschen¬
volk mindestens heute außerordentlich stark. Alte Reste einer
ganz regelrechten Brunstperiode stecken ferner zweifellos, wie
schon erwähnt, in der Menstruation. Im allgemeinen sind
nach der Menstruation die erotischen Gefühle am lebhaftesten.
Und bis in die älteste indische und griechisch-römische Litteratur
geht der feste Glaube, daß ein tiefer Zusammenhang bestehe
zwischen Menstruation und Befruchtung, -- ein Glaube, der
im neunzehnten Jahrhundert sich endlich zu einer festen physio¬
logischen Schulmeinung verdichtet hat. Hier wurde auf Grund
unserer endlich einsetzenden Kenntnis vom weiblichen Ei betont,
daß nur in der Menstruationszeit überhaupt ein solches Ei vom
Eierstock zur Gebärmutter wandere, also in oder unmittelbar
nach der Zeit auch nur eine Befruchtung stattfinden könne,

als negatives Zeichen. Immerhin war gar nicht nötig, zu¬
nächſt eine wirkliche ganze „Verdeckung“ zu nehmen. Das iſt
ſchon eine raffiniertere Idee. Das erſte war, wie mir ſcheint,
wirklich bloß die möglichſte Deutlichkeit des „Signals“ an ſich,
— des Feigenblatts als Buchſtabe, als Stichwort. Die Ge¬
ſchlechtsgegend konnte dabei ſichtbar bleiben, — wenn ſie nur
irgend ein Merkmal zugleich wies, das gleichſam eine Tarn¬
kappe über ihre erotiſche Beſtimmung zog.

Die Sache mußte beim Menſchen beſonders wichtig werden,
da er aller Wahrſcheinlichkeit nach von früh an keine ſo feſte
natürliche Einſchränkung des Geſchlechtsverkehrs durch beſtimmte
Liebes- und Nichtliebesperioden beſeſſen hat, wie ſie bei andern
Tieren als Wechſel von Brunſt und Nichtbrunſt, erotiſcher
Jagd- und Schonzeit, ſich geltend zu machen pflegen.

Gewiſſe Punkte ſind ja auch bei ihm da klar. Ein Reife¬
alter iſt nötig, damit überhaupt der nackte Körper als erotiſcher
in Betracht komme, — das markiert ja die Natur ſelber deut¬
lich genug im allmählichen Wölben der Mädchenbruſt, in jenem
ſpäten Nachwachſen der Schamhaare, und vor allem in der
erſt erwachenden Zeugungsfähigkeit ſelbſt. Schon im Punkte
des Termins, da das alles eintritt, variiert aber das Menſchen¬
volk mindeſtens heute außerordentlich ſtark. Alte Reſte einer
ganz regelrechten Brunſtperiode ſtecken ferner zweifellos, wie
ſchon erwähnt, in der Menſtruation. Im allgemeinen ſind
nach der Menſtruation die erotiſchen Gefühle am lebhafteſten.
Und bis in die älteſte indiſche und griechiſch-römiſche Litteratur
geht der feſte Glaube, daß ein tiefer Zuſammenhang beſtehe
zwiſchen Menſtruation und Befruchtung, — ein Glaube, der
im neunzehnten Jahrhundert ſich endlich zu einer feſten phyſio¬
logiſchen Schulmeinung verdichtet hat. Hier wurde auf Grund
unſerer endlich einſetzenden Kenntnis vom weiblichen Ei betont,
daß nur in der Menſtruationszeit überhaupt ein ſolches Ei vom
Eierſtock zur Gebärmutter wandere, alſo in oder unmittelbar
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[105/0119] als negatives Zeichen. Immerhin war gar nicht nötig, zu¬ nächſt eine wirkliche ganze „Verdeckung“ zu nehmen. Das iſt ſchon eine raffiniertere Idee. Das erſte war, wie mir ſcheint, wirklich bloß die möglichſte Deutlichkeit des „Signals“ an ſich, — des Feigenblatts als Buchſtabe, als Stichwort. Die Ge¬ ſchlechtsgegend konnte dabei ſichtbar bleiben, — wenn ſie nur irgend ein Merkmal zugleich wies, das gleichſam eine Tarn¬ kappe über ihre erotiſche Beſtimmung zog. Die Sache mußte beim Menſchen beſonders wichtig werden, da er aller Wahrſcheinlichkeit nach von früh an keine ſo feſte natürliche Einſchränkung des Geſchlechtsverkehrs durch beſtimmte Liebes- und Nichtliebesperioden beſeſſen hat, wie ſie bei andern Tieren als Wechſel von Brunſt und Nichtbrunſt, erotiſcher Jagd- und Schonzeit, ſich geltend zu machen pflegen. Gewiſſe Punkte ſind ja auch bei ihm da klar. Ein Reife¬ alter iſt nötig, damit überhaupt der nackte Körper als erotiſcher in Betracht komme, — das markiert ja die Natur ſelber deut¬ lich genug im allmählichen Wölben der Mädchenbruſt, in jenem ſpäten Nachwachſen der Schamhaare, und vor allem in der erſt erwachenden Zeugungsfähigkeit ſelbſt. Schon im Punkte des Termins, da das alles eintritt, variiert aber das Menſchen¬ volk mindeſtens heute außerordentlich ſtark. Alte Reſte einer ganz regelrechten Brunſtperiode ſtecken ferner zweifellos, wie ſchon erwähnt, in der Menſtruation. Im allgemeinen ſind nach der Menſtruation die erotiſchen Gefühle am lebhafteſten. Und bis in die älteſte indiſche und griechiſch-römiſche Litteratur geht der feſte Glaube, daß ein tiefer Zuſammenhang beſtehe zwiſchen Menſtruation und Befruchtung, — ein Glaube, der im neunzehnten Jahrhundert ſich endlich zu einer feſten phyſio¬ logiſchen Schulmeinung verdichtet hat. Hier wurde auf Grund unſerer endlich einſetzenden Kenntnis vom weiblichen Ei betont, daß nur in der Menſtruationszeit überhaupt ein ſolches Ei vom Eierſtock zur Gebärmutter wandere, alſo in oder unmittelbar nach der Zeit auch nur eine Befruchtung ſtattfinden könne,

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/119>, abgerufen am 21.11.2024.