als Intermezzo in einem sonst unerotischen Jahr, sondern die kleinen Momente des Sinkens im Erotischen als Intermezzi eines allgemeinen Brunstjahres erscheinen lassen.
Daß natürlich äußere Umstände in diese fast permanente physische Liebesbereitschaft des Menschen zu jeder Zeit ein¬ gegriffen haben und noch eingreifen, bleibt dabei in Ehren. Wenn nach einer Statistik von großen Teilen der deutschen Bevölkerung heute im Hochsommer und Herbst weniger Kinder erzeugt werden als im Winter und Frühling, so mag gut und gern die schwerere Arbeitsbelastung im Bauernstand gerade für jene Zeit eine künstliche Regulierung mit einer Art Schonzeit geschaffen haben. Aber hier sind offenbar von Urtagen an keine Faktoren gewesen, die sich physisch bis zur allgemeinen Einschränkung in die Menschennatur hinein Geltung verschafft hätten. In meiner lieben Vaterstadt Köln giebt es ein ähn¬ liches statistisches Maximum der "Karnevals-Kinder." Sie sind das Ergebnis einer jährlich einmal wiederkehrenden Pe¬ riode, da der größere Teil der Bevölkerung sich hergebracht in einen Rausch gehobener Lebensfreude versetzt und, nicht zu ver¬ gessen, sich in ziemlichem Maße zum Zweck dabei unter Alkohol setzt. Solche Karnevalsfeste sind aber nicht etwa eine Er¬ findung raffinierter Kultur, sondern sie sind im Gegenteil Reste aus dem Leben des Naturmenschen, die mitten in unser kon¬ ventionelles Zwangleben der Hochkultur hinein sich noch erhalten haben. Zweifellos haben schon beim Urmenschen gelegentliche, periodische Rauschfeste, Orgien, Massenspiele auch eine starke Rolle als gewissermaßen sozial geheiligte Brunstzeiten künstlicher Art gespielt. Aber auch das hat an den physischen Ver¬ anlagungen offenbar nichts dauernd geändert. Und so mußte ein geistiger Akt eintreten, der für gewöhnlich, im Tagesbrauch, "nackt" und "erotisch" durch ein "Signal," ein von reflek¬ tierenden Geisteswesen auf Geisteswesen bewußt berechnetes Symbol, zunächst einmal trennte.
Ich führe mit völliger Ruhe dabei den "reflektierenden
als Intermezzo in einem ſonſt unerotiſchen Jahr, ſondern die kleinen Momente des Sinkens im Erotiſchen als Intermezzi eines allgemeinen Brunſtjahres erſcheinen laſſen.
Daß natürlich äußere Umſtände in dieſe faſt permanente phyſiſche Liebesbereitſchaft des Menſchen zu jeder Zeit ein¬ gegriffen haben und noch eingreifen, bleibt dabei in Ehren. Wenn nach einer Statiſtik von großen Teilen der deutſchen Bevölkerung heute im Hochſommer und Herbſt weniger Kinder erzeugt werden als im Winter und Frühling, ſo mag gut und gern die ſchwerere Arbeitsbelaſtung im Bauernſtand gerade für jene Zeit eine künſtliche Regulierung mit einer Art Schonzeit geſchaffen haben. Aber hier ſind offenbar von Urtagen an keine Faktoren geweſen, die ſich phyſiſch bis zur allgemeinen Einſchränkung in die Menſchennatur hinein Geltung verſchafft hätten. In meiner lieben Vaterſtadt Köln giebt es ein ähn¬ liches ſtatiſtiſches Maximum der „Karnevals-Kinder.“ Sie ſind das Ergebnis einer jährlich einmal wiederkehrenden Pe¬ riode, da der größere Teil der Bevölkerung ſich hergebracht in einen Rauſch gehobener Lebensfreude verſetzt und, nicht zu ver¬ geſſen, ſich in ziemlichem Maße zum Zweck dabei unter Alkohol ſetzt. Solche Karnevalsfeſte ſind aber nicht etwa eine Er¬ findung raffinierter Kultur, ſondern ſie ſind im Gegenteil Reſte aus dem Leben des Naturmenſchen, die mitten in unſer kon¬ ventionelles Zwangleben der Hochkultur hinein ſich noch erhalten haben. Zweifellos haben ſchon beim Urmenſchen gelegentliche, periodiſche Rauſchfeſte, Orgien, Maſſenſpiele auch eine ſtarke Rolle als gewiſſermaßen ſozial geheiligte Brunſtzeiten künſtlicher Art geſpielt. Aber auch das hat an den phyſiſchen Ver¬ anlagungen offenbar nichts dauernd geändert. Und ſo mußte ein geiſtiger Akt eintreten, der für gewöhnlich, im Tagesbrauch, „nackt“ und „erotiſch“ durch ein „Signal,“ ein von reflek¬ tierenden Geiſtesweſen auf Geiſtesweſen bewußt berechnetes Symbol, zunächſt einmal trennte.
Ich führe mit völliger Ruhe dabei den „reflektierenden
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als Intermezzo in einem ſonſt unerotiſchen Jahr, ſondern die
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eines allgemeinen Brunſtjahres erſcheinen laſſen.
Daß natürlich äußere Umſtände in dieſe faſt permanente
phyſiſche Liebesbereitſchaft des Menſchen zu jeder Zeit ein¬
gegriffen haben und noch eingreifen, bleibt dabei in Ehren.
Wenn nach einer Statiſtik von großen Teilen der deutſchen
Bevölkerung heute im Hochſommer und Herbſt weniger Kinder
erzeugt werden als im Winter und Frühling, ſo mag gut und
gern die ſchwerere Arbeitsbelaſtung im Bauernſtand gerade für
jene Zeit eine künſtliche Regulierung mit einer Art Schonzeit
geſchaffen haben. Aber hier ſind offenbar von Urtagen an
keine Faktoren geweſen, die ſich phyſiſch bis zur allgemeinen
Einſchränkung in die Menſchennatur hinein Geltung verſchafft
hätten. In meiner lieben Vaterſtadt Köln giebt es ein ähn¬
liches ſtatiſtiſches Maximum der „Karnevals-Kinder.“ Sie
ſind das Ergebnis einer jährlich einmal wiederkehrenden Pe¬
riode, da der größere Teil der Bevölkerung ſich hergebracht in
einen Rauſch gehobener Lebensfreude verſetzt und, nicht zu ver¬
geſſen, ſich in ziemlichem Maße zum Zweck dabei unter Alkohol
ſetzt. Solche Karnevalsfeſte ſind aber nicht etwa eine Er¬
findung raffinierter Kultur, ſondern ſie ſind im Gegenteil Reſte
aus dem Leben des Naturmenſchen, die mitten in unſer kon¬
ventionelles Zwangleben der Hochkultur hinein ſich noch erhalten
haben. Zweifellos haben ſchon beim Urmenſchen gelegentliche,
periodiſche Rauſchfeſte, Orgien, Maſſenſpiele auch eine ſtarke
Rolle als gewiſſermaßen ſozial geheiligte Brunſtzeiten künſtlicher
Art geſpielt. Aber auch das hat an den phyſiſchen Ver¬
anlagungen offenbar nichts dauernd geändert. Und ſo mußte
ein geiſtiger Akt eintreten, der für gewöhnlich, im Tagesbrauch,
„nackt“ und „erotiſch“ durch ein „Signal,“ ein von reflek¬
tierenden Geiſtesweſen auf Geiſtesweſen bewußt berechnetes
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/121>, abgerufen am 21.11.2024.
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