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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Bei einem andern Stamme wird die graue Bastbinde
während der Monatsblutung durch eine schwarze ersetzt.

Sehr verbreitet dort ist als Symbol endlich ein kleines
Dreieck aus hartem Rindenbast. Die Bakairi-Frauen nennen es
"Uluri". Ein Viereck wird diagonal wie ein papierenes
Kinderschiffchen zum doppelschichtigen Dreieck eingeschlagen. An
allen drei Spitzen sitzen Schnüre, von denen die beiden oberen
die Schenkel umgreifen, während die unterste zwischen den
Beinen zu ihnen durchgeht. Im größten Falle ist das Uluri
oben 7 cm breit bei 3 cm Länge. Es liegt so auf, daß es
gerade den Anfang der Schamspalte deckt und in Verbindung
mit der unteren Schnur, wenn alles fest angezogen ist, die
Pforte im Ganzen zudrückt, -- also auch eine Art Verschluß.

Das Uluri wird wie alle Handarbeit dieser kunstfrohen
Urwaldkinder kokett und nett gearbeitet. In der ornamentalen
Kunst der Bakairi, die eine eminent hoch entwickelte ist, spielt
neben einem Rautenviereck, das eigentlich das stilisierte Bild
eines Fisches ist, das Dreieck des Uluri eine ganz besonders
hervorragende Rolle. In schönen ornamentalen Reihen tauchen
auf allerlei Holzcylindern, Trinkschalen und so weiter die Drei¬
ecke auf und immer nennt der Künstler selbst dieses Ornament
"Uluri", -- das mathematische Bild des Dreiecks ist ihm
realistisch verwachsen mit diesem dreieckigen Frauenschürzlein.
Zu der Liebhaberei, die gerade ein solches Ornament mit
erotischem Beigeschmack bevorzugt, macht Steinen in seiner
schönen Studie über die Bakairi-Kunst eine treffende Rand¬
bemerkung. "Auch wir", sagt er, "stehen ja noch heute auf
dem Standpunkt der Kulisehu-Indianer. Nur haben wir
zivilisierten Menschen die anatomische Vorlage stilisiert, wo
sich die rohen Naturvölker mit dem zierlichen "Kleidchen"
begnügten. Und seltsamerweise ist es die hier so viel be¬
sprochene Raute, die wir an Stelle des Uluri haben. Der
Bakairi-Forschungsreisende würde -- ich weiß nicht, ob in
allen Teilen Deutschlands -- auf unseren Bäumen, Mauern

Bei einem andern Stamme wird die graue Baſtbinde
während der Monatsblutung durch eine ſchwarze erſetzt.

Sehr verbreitet dort iſt als Symbol endlich ein kleines
Dreieck aus hartem Rindenbaſt. Die Bakaïrí-Frauen nennen es
„Uluri“. Ein Viereck wird diagonal wie ein papierenes
Kinderſchiffchen zum doppelſchichtigen Dreieck eingeſchlagen. An
allen drei Spitzen ſitzen Schnüre, von denen die beiden oberen
die Schenkel umgreifen, während die unterſte zwiſchen den
Beinen zu ihnen durchgeht. Im größten Falle iſt das Uluri
oben 7 cm breit bei 3 cm Länge. Es liegt ſo auf, daß es
gerade den Anfang der Schamſpalte deckt und in Verbindung
mit der unteren Schnur, wenn alles feſt angezogen iſt, die
Pforte im Ganzen zudrückt, — alſo auch eine Art Verſchluß.

Das Uluri wird wie alle Handarbeit dieſer kunſtfrohen
Urwaldkinder kokett und nett gearbeitet. In der ornamentalen
Kunſt der Bakaïrí, die eine eminent hoch entwickelte iſt, ſpielt
neben einem Rautenviereck, das eigentlich das ſtiliſierte Bild
eines Fiſches iſt, das Dreieck des Uluri eine ganz beſonders
hervorragende Rolle. In ſchönen ornamentalen Reihen tauchen
auf allerlei Holzcylindern, Trinkſchalen und ſo weiter die Drei¬
ecke auf und immer nennt der Künſtler ſelbſt dieſes Ornament
„Uluri“, — das mathematiſche Bild des Dreiecks iſt ihm
realiſtiſch verwachſen mit dieſem dreieckigen Frauenſchürzlein.
Zu der Liebhaberei, die gerade ein ſolches Ornament mit
erotiſchem Beigeſchmack bevorzugt, macht Steinen in ſeiner
ſchönen Studie über die Bakaïrí-Kunſt eine treffende Rand¬
bemerkung. „Auch wir“, ſagt er, „ſtehen ja noch heute auf
dem Standpunkt der Kuliſehu-Indianer. Nur haben wir
ziviliſierten Menſchen die anatomiſche Vorlage ſtiliſiert, wo
ſich die rohen Naturvölker mit dem zierlichen „Kleidchen“
begnügten. Und ſeltſamerweiſe iſt es die hier ſo viel be¬
ſprochene Raute, die wir an Stelle des Uluri haben. Der
Bakaïri-Forſchungsreiſende würde — ich weiß nicht, ob in
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[124/0138] Bei einem andern Stamme wird die graue Baſtbinde während der Monatsblutung durch eine ſchwarze erſetzt. Sehr verbreitet dort iſt als Symbol endlich ein kleines Dreieck aus hartem Rindenbaſt. Die Bakaïrí-Frauen nennen es „Uluri“. Ein Viereck wird diagonal wie ein papierenes Kinderſchiffchen zum doppelſchichtigen Dreieck eingeſchlagen. An allen drei Spitzen ſitzen Schnüre, von denen die beiden oberen die Schenkel umgreifen, während die unterſte zwiſchen den Beinen zu ihnen durchgeht. Im größten Falle iſt das Uluri oben 7 cm breit bei 3 cm Länge. Es liegt ſo auf, daß es gerade den Anfang der Schamſpalte deckt und in Verbindung mit der unteren Schnur, wenn alles feſt angezogen iſt, die Pforte im Ganzen zudrückt, — alſo auch eine Art Verſchluß. Das Uluri wird wie alle Handarbeit dieſer kunſtfrohen Urwaldkinder kokett und nett gearbeitet. In der ornamentalen Kunſt der Bakaïrí, die eine eminent hoch entwickelte iſt, ſpielt neben einem Rautenviereck, das eigentlich das ſtiliſierte Bild eines Fiſches iſt, das Dreieck des Uluri eine ganz beſonders hervorragende Rolle. In ſchönen ornamentalen Reihen tauchen auf allerlei Holzcylindern, Trinkſchalen und ſo weiter die Drei¬ ecke auf und immer nennt der Künſtler ſelbſt dieſes Ornament „Uluri“, — das mathematiſche Bild des Dreiecks iſt ihm realiſtiſch verwachſen mit dieſem dreieckigen Frauenſchürzlein. Zu der Liebhaberei, die gerade ein ſolches Ornament mit erotiſchem Beigeſchmack bevorzugt, macht Steinen in ſeiner ſchönen Studie über die Bakaïrí-Kunſt eine treffende Rand¬ bemerkung. „Auch wir“, ſagt er, „ſtehen ja noch heute auf dem Standpunkt der Kuliſehu-Indianer. Nur haben wir ziviliſierten Menſchen die anatomiſche Vorlage ſtiliſiert, wo ſich die rohen Naturvölker mit dem zierlichen „Kleidchen“ begnügten. Und ſeltſamerweiſe iſt es die hier ſo viel be¬ ſprochene Raute, die wir an Stelle des Uluri haben. Der Bakaïri-Forſchungsreiſende würde — ich weiß nicht, ob in allen Teilen Deutſchlands — auf unſeren Bäumen, Mauern

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/138>, abgerufen am 21.11.2024.