Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

kollern, -- endlich ist die Begattung vollzogen, bei der Mann
und Weib sich in ihre Flughäute wickeln wie in ein gemeinsames
Laken. Aber zugleich ist die Zeitehe auch schon um. Die
Männchen flattern davon und suchen sich fernab ihr Revier,
wo sie sich nach der Liebe Arbeit und Kasteiung wieder ihre
runden Bäuchlein am ewig gedeckten Tisch der Insektenwelt
mästen. Sie verharren also im Stadium Maulwurf, bloß noch
etwas früher und freier, als Stirnerianer jedem Kommunismus
abhold. Anders aber die Weiber.

Vom Tag des Ehewiederrufs an thun sie sich in großen
Scharen zu einem eigenen Sozialverband zusammen. Ge¬
meinsam bewohnen diese Weiberhorden bestimmte Baumhöhlen
oder Gesteinsspalten. Unerbittlich wird der Mann, der doch
noch in ein solches Frauenspittel eindringen will, heraus¬
gebissen. Erst in diesem Frauengemach kommt die schwangere Ex-
Gattin auch nach etwa anderthalb Monaten nieder. Es ist keine
ganz leichte Prozedur. Während sonst die Fledermaus, wenn
sie daheim ist, sich mit den freien Hinterbeinen an die Decke
klammert und den Leib nach unten hängen läßt, die Flügel
eingeklappt wie ein Regenschirm, macht die Schwangere es jetzt
just umgekehrt. Sie hakt die Daumenkrallen, die jederseits ja
wie ein Griff aus dem Regenschirm stehen, an der Decke an
und krümmt unten den Schwanz mit seinem Stück Flughaut
wie ein Becken, etwa wie ein vorspringendes Weihwasserkesselchen,
unter den abwärts hängenden Bauch. Dahinein fängt sie, ge¬
bärend, das Junge auf, dem sie unvorzüglich die Nabelschnur
durchbeißt, worauf es sich der Mutter mit seinen Krällchen an
den Wollbauch häkelt und die Milchdrüsen sucht. Noch schwerer
hat es die Sorte Flatterer, die den Schwanz ohne rechtes
Separatsegelchen frei herausstehen hat: bei ihr geschieht das
Wunder, daß sich das Kleine so zu sagen während seines Ge¬
borenwerdens schon mit dem Mäulchen in ein warzenartiges
Anhängsel am Damm der Mutter einbeißt, um nicht köpflings
in die Tiefe zu schießen; erst von da klettert es dann mit

kollern, — endlich iſt die Begattung vollzogen, bei der Mann
und Weib ſich in ihre Flughäute wickeln wie in ein gemeinſames
Laken. Aber zugleich iſt die Zeitehe auch ſchon um. Die
Männchen flattern davon und ſuchen ſich fernab ihr Revier,
wo ſie ſich nach der Liebe Arbeit und Kaſteiung wieder ihre
runden Bäuchlein am ewig gedeckten Tiſch der Inſektenwelt
mäſten. Sie verharren alſo im Stadium Maulwurf, bloß noch
etwas früher und freier, als Stirnerianer jedem Kommunismus
abhold. Anders aber die Weiber.

Vom Tag des Ehewiederrufs an thun ſie ſich in großen
Scharen zu einem eigenen Sozialverband zuſammen. Ge¬
meinſam bewohnen dieſe Weiberhorden beſtimmte Baumhöhlen
oder Geſteinsſpalten. Unerbittlich wird der Mann, der doch
noch in ein ſolches Frauenſpittel eindringen will, heraus¬
gebiſſen. Erſt in dieſem Frauengemach kommt die ſchwangere Ex-
Gattin auch nach etwa anderthalb Monaten nieder. Es iſt keine
ganz leichte Prozedur. Während ſonſt die Fledermaus, wenn
ſie daheim iſt, ſich mit den freien Hinterbeinen an die Decke
klammert und den Leib nach unten hängen läßt, die Flügel
eingeklappt wie ein Regenſchirm, macht die Schwangere es jetzt
juſt umgekehrt. Sie hakt die Daumenkrallen, die jederſeits ja
wie ein Griff aus dem Regenſchirm ſtehen, an der Decke an
und krümmt unten den Schwanz mit ſeinem Stück Flughaut
wie ein Becken, etwa wie ein vorſpringendes Weihwaſſerkeſſelchen,
unter den abwärts hängenden Bauch. Dahinein fängt ſie, ge¬
bärend, das Junge auf, dem ſie unvorzüglich die Nabelſchnur
durchbeißt, worauf es ſich der Mutter mit ſeinen Krällchen an
den Wollbauch häkelt und die Milchdrüſen ſucht. Noch ſchwerer
hat es die Sorte Flatterer, die den Schwanz ohne rechtes
Separatſegelchen frei herausſtehen hat: bei ihr geſchieht das
Wunder, daß ſich das Kleine ſo zu ſagen während ſeines Ge¬
borenwerdens ſchon mit dem Mäulchen in ein warzenartiges
Anhängſel am Damm der Mutter einbeißt, um nicht köpflings
in die Tiefe zu ſchießen; erſt von da klettert es dann mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="186"/>
kollern, &#x2014; endlich i&#x017F;t die Begattung vollzogen, bei der Mann<lb/>
und Weib &#x017F;ich in ihre Flughäute wickeln wie in ein gemein&#x017F;ames<lb/>
Laken. Aber zugleich i&#x017F;t die Zeitehe auch &#x017F;chon um. Die<lb/>
Männchen flattern davon und &#x017F;uchen &#x017F;ich fernab ihr Revier,<lb/>
wo &#x017F;ie &#x017F;ich nach der Liebe Arbeit und Ka&#x017F;teiung wieder ihre<lb/>
runden Bäuchlein am ewig gedeckten Ti&#x017F;ch der In&#x017F;ektenwelt<lb/>&#x017F;ten. Sie verharren al&#x017F;o im Stadium Maulwurf, bloß noch<lb/>
etwas früher und freier, als Stirnerianer jedem Kommunismus<lb/>
abhold. Anders aber die Weiber.</p><lb/>
        <p>Vom Tag des Ehewiederrufs an thun &#x017F;ie &#x017F;ich in großen<lb/>
Scharen zu einem <hi rendition="#g">eigenen Sozialverband</hi> zu&#x017F;ammen. Ge¬<lb/>
mein&#x017F;am bewohnen die&#x017F;e Weiberhorden be&#x017F;timmte Baumhöhlen<lb/>
oder Ge&#x017F;teins&#x017F;palten. Unerbittlich wird der Mann, der doch<lb/>
noch in ein &#x017F;olches Frauen&#x017F;pittel eindringen will, heraus¬<lb/>
gebi&#x017F;&#x017F;en. Er&#x017F;t in die&#x017F;em Frauengemach kommt die &#x017F;chwangere Ex-<lb/>
Gattin auch nach etwa anderthalb Monaten nieder. Es i&#x017F;t keine<lb/>
ganz leichte Prozedur. Während &#x017F;on&#x017F;t die Fledermaus, wenn<lb/>
&#x017F;ie daheim i&#x017F;t, &#x017F;ich mit den freien Hinterbeinen an die Decke<lb/>
klammert und den Leib nach unten hängen läßt, die Flügel<lb/>
eingeklappt wie ein Regen&#x017F;chirm, macht die Schwangere es jetzt<lb/>
ju&#x017F;t umgekehrt. Sie hakt die Daumenkrallen, die jeder&#x017F;eits ja<lb/>
wie ein Griff aus dem Regen&#x017F;chirm &#x017F;tehen, an der Decke an<lb/>
und krümmt unten den Schwanz mit &#x017F;einem Stück Flughaut<lb/>
wie ein Becken, etwa wie ein vor&#x017F;pringendes Weihwa&#x017F;&#x017F;erke&#x017F;&#x017F;elchen,<lb/>
unter den abwärts hängenden Bauch. Dahinein fängt &#x017F;ie, ge¬<lb/>
bärend, das Junge auf, dem &#x017F;ie unvorzüglich die Nabel&#x017F;chnur<lb/>
durchbeißt, worauf es &#x017F;ich der Mutter mit &#x017F;einen Krällchen an<lb/>
den Wollbauch häkelt und die Milchdrü&#x017F;en &#x017F;ucht. Noch &#x017F;chwerer<lb/>
hat es die Sorte Flatterer, die den Schwanz ohne rechtes<lb/>
Separat&#x017F;egelchen frei heraus&#x017F;tehen hat: bei ihr ge&#x017F;chieht das<lb/>
Wunder, daß &#x017F;ich das Kleine &#x017F;o zu &#x017F;agen während &#x017F;eines Ge¬<lb/>
borenwerdens &#x017F;chon mit dem Mäulchen in ein warzenartiges<lb/>
Anhäng&#x017F;el am Damm der Mutter einbeißt, um nicht köpflings<lb/>
in die Tiefe zu &#x017F;chießen; er&#x017F;t von da klettert es dann mit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0200] kollern, — endlich iſt die Begattung vollzogen, bei der Mann und Weib ſich in ihre Flughäute wickeln wie in ein gemeinſames Laken. Aber zugleich iſt die Zeitehe auch ſchon um. Die Männchen flattern davon und ſuchen ſich fernab ihr Revier, wo ſie ſich nach der Liebe Arbeit und Kaſteiung wieder ihre runden Bäuchlein am ewig gedeckten Tiſch der Inſektenwelt mäſten. Sie verharren alſo im Stadium Maulwurf, bloß noch etwas früher und freier, als Stirnerianer jedem Kommunismus abhold. Anders aber die Weiber. Vom Tag des Ehewiederrufs an thun ſie ſich in großen Scharen zu einem eigenen Sozialverband zuſammen. Ge¬ meinſam bewohnen dieſe Weiberhorden beſtimmte Baumhöhlen oder Geſteinsſpalten. Unerbittlich wird der Mann, der doch noch in ein ſolches Frauenſpittel eindringen will, heraus¬ gebiſſen. Erſt in dieſem Frauengemach kommt die ſchwangere Ex- Gattin auch nach etwa anderthalb Monaten nieder. Es iſt keine ganz leichte Prozedur. Während ſonſt die Fledermaus, wenn ſie daheim iſt, ſich mit den freien Hinterbeinen an die Decke klammert und den Leib nach unten hängen läßt, die Flügel eingeklappt wie ein Regenſchirm, macht die Schwangere es jetzt juſt umgekehrt. Sie hakt die Daumenkrallen, die jederſeits ja wie ein Griff aus dem Regenſchirm ſtehen, an der Decke an und krümmt unten den Schwanz mit ſeinem Stück Flughaut wie ein Becken, etwa wie ein vorſpringendes Weihwaſſerkeſſelchen, unter den abwärts hängenden Bauch. Dahinein fängt ſie, ge¬ bärend, das Junge auf, dem ſie unvorzüglich die Nabelſchnur durchbeißt, worauf es ſich der Mutter mit ſeinen Krällchen an den Wollbauch häkelt und die Milchdrüſen ſucht. Noch ſchwerer hat es die Sorte Flatterer, die den Schwanz ohne rechtes Separatſegelchen frei herausſtehen hat: bei ihr geſchieht das Wunder, daß ſich das Kleine ſo zu ſagen während ſeines Ge¬ borenwerdens ſchon mit dem Mäulchen in ein warzenartiges Anhängſel am Damm der Mutter einbeißt, um nicht köpflings in die Tiefe zu ſchießen; erſt von da klettert es dann mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/200
Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/200>, abgerufen am 18.05.2024.