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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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wachsender Kraft zu den echten Brustzitzen hinauf. Lange
Wochen wird beim abendlichen Fluge jetzt das Kindlein am
Busen mitgeschleppt, bis es sich endlich probeweise und unter
sorgsamer Leitung der Mutter einmal löst und ein Stückchen
nebenher flattert. In dieser ganzen Zeit aber spielt der Mann
absolut keine Hülfsrolle mehr, und alles, was er etwa noch
sein könnte, ersetzt der Frauenverband. Es ist, als wenn bei
uns alle Frauen sofort nach der Hochzeit ins Kloster gingen.

Nun spinne an dem Wort Kloster aber dir den Faden
wieder gedanklich weiter.

Ein Frauenkloster, -- warum nicht auch ein Männer¬
kloster? Warum sollen sich die wieder ledigen Männer nicht
nach der Zeitehe ebenfalls zu einer unerotischen Schutzgenossen¬
schaft vereinigen? Da hättest du also zwei Sozialverbände
außerhalb der Ehe, ja ihr so zu sagen zum Trotz; hier die
liebesreifen, aber nichtbrünstigen Männer als Genossenschaft,
-- dort die liebesreifen, nichtbrünstigen Frauen sammt allen
Kindern vom Säugling bis zum noch nicht liebesreifen Jungen
und Mädchen als ebenso geschlossene Genossenschaft.

Denkst du aber an ein Kloster, so kommt dir auch leicht
das Wort hinzu: Abt und Äbtissin. Bei dem Weiberverband
ergiebt sich ganz von selbst eine gewisse Leitung innerhalb der
Gruppe: die Mütter leiten die Kinder. Aber auch diese
Mütter sind verschieden alt. Und dasselbe trifft dort die
Männer der anderen Gesellschaft. Beim Tier, wie beim Men¬
schen, heißt älter im Allgemeinen stets auch klüger. Wären die
Tiere bloß eine blind losfunktionierende Instinktmaschine, so
gäbe es ja bei ihnen kein Lernen und die Jahre wären be¬
langlos. In Wahrheit lernt das Tier enorm viel. Ein älteres
ist ganz durchweg auch ein erfahreneres Tier. Es wird sich also
von selbst machen ohne Magie, daß in jedem Trupp von den
reifen Tieren noch wieder das älteste eben als das erfahrenste
eine gewisse oberste Leitung übernimmt. Natürlich muß "alt"
noch zusammenfallen mit "auf der Höhe der Kraft," nicht mit

wachſender Kraft zu den echten Bruſtzitzen hinauf. Lange
Wochen wird beim abendlichen Fluge jetzt das Kindlein am
Buſen mitgeſchleppt, bis es ſich endlich probeweiſe und unter
ſorgſamer Leitung der Mutter einmal löſt und ein Stückchen
nebenher flattert. In dieſer ganzen Zeit aber ſpielt der Mann
abſolut keine Hülfsrolle mehr, und alles, was er etwa noch
ſein könnte, erſetzt der Frauenverband. Es iſt, als wenn bei
uns alle Frauen ſofort nach der Hochzeit ins Kloſter gingen.

Nun ſpinne an dem Wort Kloſter aber dir den Faden
wieder gedanklich weiter.

Ein Frauenkloſter, — warum nicht auch ein Männer¬
kloſter? Warum ſollen ſich die wieder ledigen Männer nicht
nach der Zeitehe ebenfalls zu einer unerotiſchen Schutzgenoſſen¬
ſchaft vereinigen? Da hätteſt du alſo zwei Sozialverbände
außerhalb der Ehe, ja ihr ſo zu ſagen zum Trotz; hier die
liebesreifen, aber nichtbrünſtigen Männer als Genoſſenſchaft,
— dort die liebesreifen, nichtbrünſtigen Frauen ſammt allen
Kindern vom Säugling bis zum noch nicht liebesreifen Jungen
und Mädchen als ebenſo geſchloſſene Genoſſenſchaft.

Denkſt du aber an ein Kloſter, ſo kommt dir auch leicht
das Wort hinzu: Abt und Äbtiſſin. Bei dem Weiberverband
ergiebt ſich ganz von ſelbſt eine gewiſſe Leitung innerhalb der
Gruppe: die Mütter leiten die Kinder. Aber auch dieſe
Mütter ſind verſchieden alt. Und dasſelbe trifft dort die
Männer der anderen Geſellſchaft. Beim Tier, wie beim Men¬
ſchen, heißt älter im Allgemeinen ſtets auch klüger. Wären die
Tiere bloß eine blind losfunktionierende Inſtinktmaſchine, ſo
gäbe es ja bei ihnen kein Lernen und die Jahre wären be¬
langlos. In Wahrheit lernt das Tier enorm viel. Ein älteres
iſt ganz durchweg auch ein erfahreneres Tier. Es wird ſich alſo
von ſelbſt machen ohne Magie, daß in jedem Trupp von den
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[187/0201] wachſender Kraft zu den echten Bruſtzitzen hinauf. Lange Wochen wird beim abendlichen Fluge jetzt das Kindlein am Buſen mitgeſchleppt, bis es ſich endlich probeweiſe und unter ſorgſamer Leitung der Mutter einmal löſt und ein Stückchen nebenher flattert. In dieſer ganzen Zeit aber ſpielt der Mann abſolut keine Hülfsrolle mehr, und alles, was er etwa noch ſein könnte, erſetzt der Frauenverband. Es iſt, als wenn bei uns alle Frauen ſofort nach der Hochzeit ins Kloſter gingen. Nun ſpinne an dem Wort Kloſter aber dir den Faden wieder gedanklich weiter. Ein Frauenkloſter, — warum nicht auch ein Männer¬ kloſter? Warum ſollen ſich die wieder ledigen Männer nicht nach der Zeitehe ebenfalls zu einer unerotiſchen Schutzgenoſſen¬ ſchaft vereinigen? Da hätteſt du alſo zwei Sozialverbände außerhalb der Ehe, ja ihr ſo zu ſagen zum Trotz; hier die liebesreifen, aber nichtbrünſtigen Männer als Genoſſenſchaft, — dort die liebesreifen, nichtbrünſtigen Frauen ſammt allen Kindern vom Säugling bis zum noch nicht liebesreifen Jungen und Mädchen als ebenſo geſchloſſene Genoſſenſchaft. Denkſt du aber an ein Kloſter, ſo kommt dir auch leicht das Wort hinzu: Abt und Äbtiſſin. Bei dem Weiberverband ergiebt ſich ganz von ſelbſt eine gewiſſe Leitung innerhalb der Gruppe: die Mütter leiten die Kinder. Aber auch dieſe Mütter ſind verſchieden alt. Und dasſelbe trifft dort die Männer der anderen Geſellſchaft. Beim Tier, wie beim Men¬ ſchen, heißt älter im Allgemeinen ſtets auch klüger. Wären die Tiere bloß eine blind losfunktionierende Inſtinktmaſchine, ſo gäbe es ja bei ihnen kein Lernen und die Jahre wären be¬ langlos. In Wahrheit lernt das Tier enorm viel. Ein älteres iſt ganz durchweg auch ein erfahreneres Tier. Es wird ſich alſo von ſelbſt machen ohne Magie, daß in jedem Trupp von den reifen Tieren noch wieder das älteſte eben als das erfahrenſte eine gewiſſe oberſte Leitung übernimmt. Natürlich muß „alt“ noch zuſammenfallen mit „auf der Höhe der Kraft,“ nicht mit

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/201>, abgerufen am 27.11.2024.