staatlich einregistrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das französische Wort: "Couvade." Die baskische Bäuerin steht auf, sobald nur die erste Attake vorüber ist: der Bauer aber legt sich an ihrer statt mit dem Neugeborenen im Arm ins Bett und empfängt ernsthaft die Wochenbesuche und Glück¬ wünsche der Nachbarn.
Angesichts dieser Sturzwelle von Narrheit um die ganze Erde herum, ist es denn eine wahre Erlösung, wenn man sich sagen darf, daß der Unsinn doch wenigstens Methode hat. Er verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menschlicher Urwelt.
Überall da, wo das auftauchende und sieghaft durch¬ brechende "Vaterrecht" an Name, Besitz, Stammeszugehörigkeit des Kindes in Zwist geriet mit den alten, embryologischen Vor¬ stellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬ maßen, schob sich das Männerkindbett ein als eine Art mystischen Ausgleichs.
Es rehabilitierte künstlich den Vater.
Es versuchte einen nachträglichen Anschluß herzustellen zwischen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬ sprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen sollte. Wunderlich spielten Phantasie und Realität hier durch¬ einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenschanz. Aber man muß sich in diese Prozesse der Völkerseele eindenken. Alles Medizinische hat da von Anfang an etwas von Zauberei an sich gehabt. Fasten, in der Hängematte liegen, gar Blut und Pfeffer: das hatte eine magische Macht, es griff über in die dämonischen Zusammenhänge hinter den Dingen, hinter den Personen. Die Hexe legt einen Strohwisch ins Feuer und läßt ihn verkohlen, -- dabei denkt sie an einen Menschen, dem sie übel will, der aber hundert Meilen fern ist; in der gleichen Stunde packt den ein unerklärlicher Fieberbrand und rafft ihn hin. Auf solchen Ideengängen wächst auch das
ſtaatlich einregiſtrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das franzöſiſche Wort: „Couvade.“ Die baskiſche Bäuerin ſteht auf, ſobald nur die erſte Attake vorüber iſt: der Bauer aber legt ſich an ihrer ſtatt mit dem Neugeborenen im Arm ins Bett und empfängt ernſthaft die Wochenbeſuche und Glück¬ wünſche der Nachbarn.
Angeſichts dieſer Sturzwelle von Narrheit um die ganze Erde herum, iſt es denn eine wahre Erlöſung, wenn man ſich ſagen darf, daß der Unſinn doch wenigſtens Methode hat. Er verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menſchlicher Urwelt.
Überall da, wo das auftauchende und ſieghaft durch¬ brechende „Vaterrecht“ an Name, Beſitz, Stammeszugehörigkeit des Kindes in Zwiſt geriet mit den alten, embryologiſchen Vor¬ ſtellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬ maßen, ſchob ſich das Männerkindbett ein als eine Art myſtiſchen Ausgleichs.
Es rehabilitierte künſtlich den Vater.
Es verſuchte einen nachträglichen Anſchluß herzuſtellen zwiſchen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬ ſprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen ſollte. Wunderlich ſpielten Phantaſie und Realität hier durch¬ einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenſchanz. Aber man muß ſich in dieſe Prozeſſe der Völkerſeele eindenken. Alles Mediziniſche hat da von Anfang an etwas von Zauberei an ſich gehabt. Faſten, in der Hängematte liegen, gar Blut und Pfeffer: das hatte eine magiſche Macht, es griff über in die dämoniſchen Zuſammenhänge hinter den Dingen, hinter den Perſonen. Die Hexe legt einen Strohwiſch ins Feuer und läßt ihn verkohlen, — dabei denkt ſie an einen Menſchen, dem ſie übel will, der aber hundert Meilen fern iſt; in der gleichen Stunde packt den ein unerklärlicher Fieberbrand und rafft ihn hin. Auf ſolchen Ideengängen wächſt auch das
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0251"n="237"/>ſtaatlich einregiſtrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort<lb/>
haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das<lb/>
franzöſiſche Wort: „Couvade.“ Die baskiſche Bäuerin ſteht<lb/>
auf, ſobald nur die erſte Attake vorüber iſt: der Bauer aber<lb/>
legt ſich an ihrer ſtatt mit dem Neugeborenen im Arm ins<lb/>
Bett und empfängt ernſthaft die Wochenbeſuche und Glück¬<lb/>
wünſche der Nachbarn.</p><lb/><p>Angeſichts dieſer Sturzwelle von Narrheit um die ganze<lb/>
Erde herum, iſt es denn eine wahre Erlöſung, wenn man ſich<lb/>ſagen darf, daß der Unſinn doch wenigſtens Methode hat. Er<lb/>
verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menſchlicher<lb/>
Urwelt.</p><lb/><p>Überall da, wo das auftauchende und ſieghaft durch¬<lb/>
brechende „Vaterrecht“ an Name, Beſitz, Stammeszugehörigkeit<lb/>
des Kindes in Zwiſt geriet mit den alten, embryologiſchen Vor¬<lb/>ſtellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬<lb/>
maßen, ſchob ſich das Männerkindbett ein als <hirendition="#g">eine Art<lb/>
myſtiſchen Ausgleichs</hi>.</p><lb/><p>Es rehabilitierte künſtlich den Vater.</p><lb/><p>Es verſuchte einen nachträglichen Anſchluß herzuſtellen<lb/>
zwiſchen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬<lb/>ſprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen<lb/>ſollte. Wunderlich ſpielten Phantaſie und Realität hier durch¬<lb/>
einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenſchanz.<lb/>
Aber man muß ſich in dieſe Prozeſſe der Völkerſeele eindenken.<lb/>
Alles Mediziniſche hat da von Anfang an etwas von Zauberei<lb/>
an ſich gehabt. Faſten, in der Hängematte liegen, gar Blut<lb/>
und Pfeffer: das hatte eine magiſche Macht, es griff über in<lb/>
die dämoniſchen Zuſammenhänge hinter den Dingen, hinter<lb/>
den Perſonen. Die Hexe legt einen Strohwiſch ins Feuer und<lb/>
läßt ihn verkohlen, — dabei denkt ſie an einen Menſchen,<lb/>
dem ſie übel will, der aber hundert Meilen fern iſt; in der<lb/>
gleichen Stunde packt den ein unerklärlicher Fieberbrand und<lb/>
rafft ihn hin. Auf ſolchen Ideengängen wächſt auch das<lb/></p></div></body></text></TEI>
[237/0251]
ſtaatlich einregiſtrierten Bauersleuten, vorkommt. Von dort
haben wir den offiziellen Titel der Kultur dafür erhalten, das
franzöſiſche Wort: „Couvade.“ Die baskiſche Bäuerin ſteht
auf, ſobald nur die erſte Attake vorüber iſt: der Bauer aber
legt ſich an ihrer ſtatt mit dem Neugeborenen im Arm ins
Bett und empfängt ernſthaft die Wochenbeſuche und Glück¬
wünſche der Nachbarn.
Angeſichts dieſer Sturzwelle von Narrheit um die ganze
Erde herum, iſt es denn eine wahre Erlöſung, wenn man ſich
ſagen darf, daß der Unſinn doch wenigſtens Methode hat. Er
verkörpert wieder nichts anderes als ein Stück menſchlicher
Urwelt.
Überall da, wo das auftauchende und ſieghaft durch¬
brechende „Vaterrecht“ an Name, Beſitz, Stammeszugehörigkeit
des Kindes in Zwiſt geriet mit den alten, embryologiſchen Vor¬
ſtellungen, die der Mutter den Löwenanteil am Kinde bei¬
maßen, ſchob ſich das Männerkindbett ein als eine Art
myſtiſchen Ausgleichs.
Es rehabilitierte künſtlich den Vater.
Es verſuchte einen nachträglichen Anſchluß herzuſtellen
zwiſchen Vater und Kind, der dem Gebärakt ungefähr ent¬
ſprach, da denn einmal die Zeugung allein nicht genügen
ſollte. Wunderlich ſpielten Phantaſie und Realität hier durch¬
einander. Eigentlich war's ja doch nur ein Mummenſchanz.
Aber man muß ſich in dieſe Prozeſſe der Völkerſeele eindenken.
Alles Mediziniſche hat da von Anfang an etwas von Zauberei
an ſich gehabt. Faſten, in der Hängematte liegen, gar Blut
und Pfeffer: das hatte eine magiſche Macht, es griff über in
die dämoniſchen Zuſammenhänge hinter den Dingen, hinter
den Perſonen. Die Hexe legt einen Strohwiſch ins Feuer und
läßt ihn verkohlen, — dabei denkt ſie an einen Menſchen,
dem ſie übel will, der aber hundert Meilen fern iſt; in der
gleichen Stunde packt den ein unerklärlicher Fieberbrand und
rafft ihn hin. Auf ſolchen Ideengängen wächſt auch das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/251>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.