Es geht ein alter Zug durch die denkende Menschheits¬ seele, ihre Zukunftsideale zugleich auch zu projizieren in die geschichtliche Vergangenheit.
Das Paradies, das nur das Ergebnis eines rastlosen Ringens um ein ganz fernes Lichtideal der Zukunft sein könnte, wird an den Anfang der Erdendinge und Menschendinge schon einmal hingeträumt. So schaut Rousseau das Zauberland seiner fleckenlosen "Natur" nicht am Ende der Tage, in einer vom Hochgeist der menschlichen Liebe bezwungenen und geläuterten Natur, sondern er sucht es an der Basis unterhalb aller Kultur, Jahrtausende jenseits noch der Menschenliebe bei nackten Wilden. In unseren Tagen war es jene Idee von der Auflösung der Ehe in einem sozialen Ideal, die wieder einmal zu der Zukunft sich auch die älteste Vergangenheit erobern wollte.
Die Zukunft lag so blau. Eine realistischere Epoche wollte sich lieber auf den festen Grund greifbarer Vergangenheitsthat¬ sachen stützen. Jene soziale Auflösung der Ehe, hieß es, ist als Zukunftswert im Grunde bloß eine große Heimkehr zu Anfangsdingen den Menschheit. Als die Menschheit sich aus dem Tier herauskrystallisiert hatte, kannte sie keine Ehe. Was sie mitbrachte, war eine mehr oder minder ausgedehnte Sozial¬ gliederung: größere und kleinere Genossenschaften hielten zu¬ sammen. In diesen Genossenschaften aber herrschte bereits
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Es geht ein alter Zug durch die denkende Menſchheits¬ ſeele, ihre Zukunftsideale zugleich auch zu projizieren in die geſchichtliche Vergangenheit.
Das Paradies, das nur das Ergebnis eines raſtloſen Ringens um ein ganz fernes Lichtideal der Zukunft ſein könnte, wird an den Anfang der Erdendinge und Menſchendinge ſchon einmal hingeträumt. So ſchaut Rouſſeau das Zauberland ſeiner fleckenloſen „Natur“ nicht am Ende der Tage, in einer vom Hochgeiſt der menſchlichen Liebe bezwungenen und geläuterten Natur, ſondern er ſucht es an der Baſis unterhalb aller Kultur, Jahrtauſende jenſeits noch der Menſchenliebe bei nackten Wilden. In unſeren Tagen war es jene Idee von der Auflöſung der Ehe in einem ſozialen Ideal, die wieder einmal zu der Zukunft ſich auch die älteſte Vergangenheit erobern wollte.
Die Zukunft lag ſo blau. Eine realiſtiſchere Epoche wollte ſich lieber auf den feſten Grund greifbarer Vergangenheitsthat¬ ſachen ſtützen. Jene ſoziale Auflöſung der Ehe, hieß es, iſt als Zukunftswert im Grunde bloß eine große Heimkehr zu Anfangsdingen den Menſchheit. Als die Menſchheit ſich aus dem Tier herauskryſtalliſiert hatte, kannte ſie keine Ehe. Was ſie mitbrachte, war eine mehr oder minder ausgedehnte Sozial¬ gliederung: größere und kleinere Genoſſenſchaften hielten zu¬ ſammen. In dieſen Genoſſenſchaften aber herrſchte bereits
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Es geht ein alter Zug durch die denkende Menſchheits¬
ſeele, ihre Zukunftsideale zugleich auch zu projizieren in die
geſchichtliche Vergangenheit.
Das Paradies, das nur das Ergebnis eines raſtloſen
Ringens um ein ganz fernes Lichtideal der Zukunft ſein könnte,
wird an den Anfang der Erdendinge und Menſchendinge ſchon
einmal hingeträumt. So ſchaut Rouſſeau das Zauberland ſeiner
fleckenloſen „Natur“ nicht am Ende der Tage, in einer vom
Hochgeiſt der menſchlichen Liebe bezwungenen und geläuterten
Natur, ſondern er ſucht es an der Baſis unterhalb aller Kultur,
Jahrtauſende jenſeits noch der Menſchenliebe bei nackten Wilden.
In unſeren Tagen war es jene Idee von der Auflöſung der
Ehe in einem ſozialen Ideal, die wieder einmal zu der Zukunft
ſich auch die älteſte Vergangenheit erobern wollte.
Die Zukunft lag ſo blau. Eine realiſtiſchere Epoche wollte
ſich lieber auf den feſten Grund greifbarer Vergangenheitsthat¬
ſachen ſtützen. Jene ſoziale Auflöſung der Ehe, hieß es, iſt
als Zukunftswert im Grunde bloß eine große Heimkehr zu
Anfangsdingen den Menſchheit. Als die Menſchheit ſich aus
dem Tier herauskryſtalliſiert hatte, kannte ſie keine Ehe. Was
ſie mitbrachte, war eine mehr oder minder ausgedehnte Sozial¬
gliederung: größere und kleinere Genoſſenſchaften hielten zu¬
ſammen. In dieſen Genoſſenſchaften aber herrſchte bereits
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/282>, abgerufen am 21.11.2024.
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