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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Gegend in das Spiel hineingeraten sein. Sie kam durch
den Frauenraub!

Alle Weiber im Stamm gehörten allen Männern, hier
gab es kein eheliches Monopol, keine Anfänge von Privatbesitz.
Jede Frau machte, was sie wollte, und verkehrte, mit wem sie
wollte, ohne daß irgend ein Einzelmann ein Recht gehabt hätte,
ihre Liebe für sich zu besitzen. Aber die Männer zogen hinaus,
sie zogen in den Kampf mit fremden Stämmen. Wild ging
es da her. Beute wurde gemacht, Schätze und Waffen -- und
auch Frauen. Die Beute wurde verteilt. Da erhielt jeder
Tapfere auch seine Frau oder seine Frauen zuerkannt, wie man
ihm ein Schwert, einen Goldschmuck zuerkannte. Sie "besaß"
er fortan wirklich, sie waren zugleich seine Sklavinnen und seine
Frauen. Wer sie ihm anrührte, brach den Rechtsvertrag der
Kampfgenossen. Wie jeder früher sein Stück Fleisch vom gemein¬
sam erlegten Mammut erhalten hatte, so hatte er jetzt sein
Stück lebendiges Menschenfleisch rechtlich erhalten und da durfte
ihm kein anderer daran. Diese Frau aus der Kriegsbeute
aber, so schließt die Theorie, war die erste "Ehefrau". Privat¬
besitz, Inventarstück, Sklavin des Mannes, des Einzelmannes.
Je mehr die schrankenlose Liebesvermischung aller mit allen im
Stamme zurücktrat, der Inzuchtsgefahr wegen, desto mehr ver¬
legte jeder Mann seine erotischen Wünsche auf diese eroberten
Weiber, die ihm folgen mußten und zwar ihm allein. Erst
jetzt, mit der Ehesklavin, der Frau in der Allgewalt des Mannes,
kam der Begriff des Ehebruchs auf, des Rechtsbruchs, dessen
sich der Verführer am fremden Gut, der Auflehnung, deren
sich die Ehebrecherin als Sklavin schuldig machte.

So endete mit der Ehe die Freiheit der Frau. Jahr¬
tausende der wehrlosen Versklavung zogen für sie herauf. Bis
endlich das soziale Leben wieder die Kraft gewinnt, wie all¬
gemein, so auch hier die Kette des Privatbesitzes zu sprengen.
Die alten Spuren des Raubes schwinden. Indem alles in die
Gesellschaft, die soziale Einheit sich auf höherer Stufe wieder

Gegend in das Spiel hineingeraten ſein. Sie kam durch
den Frauenraub!

Alle Weiber im Stamm gehörten allen Männern, hier
gab es kein eheliches Monopol, keine Anfänge von Privatbeſitz.
Jede Frau machte, was ſie wollte, und verkehrte, mit wem ſie
wollte, ohne daß irgend ein Einzelmann ein Recht gehabt hätte,
ihre Liebe für ſich zu beſitzen. Aber die Männer zogen hinaus,
ſie zogen in den Kampf mit fremden Stämmen. Wild ging
es da her. Beute wurde gemacht, Schätze und Waffen — und
auch Frauen. Die Beute wurde verteilt. Da erhielt jeder
Tapfere auch ſeine Frau oder ſeine Frauen zuerkannt, wie man
ihm ein Schwert, einen Goldſchmuck zuerkannte. Sie „beſaß“
er fortan wirklich, ſie waren zugleich ſeine Sklavinnen und ſeine
Frauen. Wer ſie ihm anrührte, brach den Rechtsvertrag der
Kampfgenoſſen. Wie jeder früher ſein Stück Fleiſch vom gemein¬
ſam erlegten Mammut erhalten hatte, ſo hatte er jetzt ſein
Stück lebendiges Menſchenfleiſch rechtlich erhalten und da durfte
ihm kein anderer daran. Dieſe Frau aus der Kriegsbeute
aber, ſo ſchließt die Theorie, war die erſte „Ehefrau“. Privat¬
beſitz, Inventarſtück, Sklavin des Mannes, des Einzelmannes.
Je mehr die ſchrankenloſe Liebesvermiſchung aller mit allen im
Stamme zurücktrat, der Inzuchtsgefahr wegen, deſto mehr ver¬
legte jeder Mann ſeine erotiſchen Wünſche auf dieſe eroberten
Weiber, die ihm folgen mußten und zwar ihm allein. Erſt
jetzt, mit der Eheſklavin, der Frau in der Allgewalt des Mannes,
kam der Begriff des Ehebruchs auf, des Rechtsbruchs, deſſen
ſich der Verführer am fremden Gut, der Auflehnung, deren
ſich die Ehebrecherin als Sklavin ſchuldig machte.

So endete mit der Ehe die Freiheit der Frau. Jahr¬
tauſende der wehrloſen Verſklavung zogen für ſie herauf. Bis
endlich das ſoziale Leben wieder die Kraft gewinnt, wie all¬
gemein, ſo auch hier die Kette des Privatbeſitzes zu ſprengen.
Die alten Spuren des Raubes ſchwinden. Indem alles in die
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[270/0284] Gegend in das Spiel hineingeraten ſein. Sie kam durch den Frauenraub! Alle Weiber im Stamm gehörten allen Männern, hier gab es kein eheliches Monopol, keine Anfänge von Privatbeſitz. Jede Frau machte, was ſie wollte, und verkehrte, mit wem ſie wollte, ohne daß irgend ein Einzelmann ein Recht gehabt hätte, ihre Liebe für ſich zu beſitzen. Aber die Männer zogen hinaus, ſie zogen in den Kampf mit fremden Stämmen. Wild ging es da her. Beute wurde gemacht, Schätze und Waffen — und auch Frauen. Die Beute wurde verteilt. Da erhielt jeder Tapfere auch ſeine Frau oder ſeine Frauen zuerkannt, wie man ihm ein Schwert, einen Goldſchmuck zuerkannte. Sie „beſaß“ er fortan wirklich, ſie waren zugleich ſeine Sklavinnen und ſeine Frauen. Wer ſie ihm anrührte, brach den Rechtsvertrag der Kampfgenoſſen. Wie jeder früher ſein Stück Fleiſch vom gemein¬ ſam erlegten Mammut erhalten hatte, ſo hatte er jetzt ſein Stück lebendiges Menſchenfleiſch rechtlich erhalten und da durfte ihm kein anderer daran. Dieſe Frau aus der Kriegsbeute aber, ſo ſchließt die Theorie, war die erſte „Ehefrau“. Privat¬ beſitz, Inventarſtück, Sklavin des Mannes, des Einzelmannes. Je mehr die ſchrankenloſe Liebesvermiſchung aller mit allen im Stamme zurücktrat, der Inzuchtsgefahr wegen, deſto mehr ver¬ legte jeder Mann ſeine erotiſchen Wünſche auf dieſe eroberten Weiber, die ihm folgen mußten und zwar ihm allein. Erſt jetzt, mit der Eheſklavin, der Frau in der Allgewalt des Mannes, kam der Begriff des Ehebruchs auf, des Rechtsbruchs, deſſen ſich der Verführer am fremden Gut, der Auflehnung, deren ſich die Ehebrecherin als Sklavin ſchuldig machte. So endete mit der Ehe die Freiheit der Frau. Jahr¬ tauſende der wehrloſen Verſklavung zogen für ſie herauf. Bis endlich das ſoziale Leben wieder die Kraft gewinnt, wie all¬ gemein, ſo auch hier die Kette des Privatbeſitzes zu ſprengen. Die alten Spuren des Raubes ſchwinden. Indem alles in die Geſellſchaft, die ſoziale Einheit ſich auf höherer Stufe wieder

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/284>, abgerufen am 21.11.2024.