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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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hat, stürzt keineswegs spurlos wieder in die indifferente Materie
ab, sondern seine Wirkungen als Baum in diesem Jahrhundert
rinnen individualisiert durch den folgenden Weltgang in alle
Äonen hinein. Es wird uns endlich allen klar werden, daß
die einzig ersprießliche Projektionsseite unserer Ideale die
Ferne vor uns ist, und daß kein Ideal dadurch besser wird,
daß es schon einmal hinter uns erfüllt gewesen sein soll. Vor¬
wärts geht unser Weg, nicht rückwärts. Und kein Ideal wird
heute mehr dadurch geschaffen, daß ein vergilbtes Pergament
uns vorgelegt wird mit dem Siegel irgend eines verschollenen
Jahrtausends. Gerade darin sind wir heute neue Menschen,
die sich von so unendlich vielen starren, erstarrten Mächten
der Vergangenheit, von so viel Mottenstaub mit blutendem
Herzen, aber im Banne unentwegter Sehnsucht losgerissen
haben auf allen Gebieten des Lebens. Wir haben die Ver¬
gangenheit hingegeben um der Zukunft willen. Jetzt, meine
ich, soll es uns auch mehr und mehr gleichgültig sein, ob
diese Zukunft doch nur eine verkappte Vergangenheit, ob das
neue Testament unserer Ideale nur ein wieder erobertes
altes sei.

Wenn die Menschheit auch nicht ihre Bahn begonnen
hat schon bei einer vollkommenen Auflösung der Ehe ins
Soziale, so bleiben doch die fort und fort zu uns heran¬
steigenden Symptome solcher Lösung und die große Frage
bleibt, eben als Zukunftsfrage, ob es nicht doch also die ideale
Schlußlösung der Dinge sein werde: absolute Zersetzung der
Ehe durch die soziale Organisation der Menschheit im folge¬
richtigen Entwickelungsgang der Menschheit.

Erst das ist die Stelle, wo alle jene Fäden, die wir bis
heran aufgesponnen, sich zusammenweben zu der tiefsten,
schwersten, aktuell für uns beweglichsten Frage: nämlich der
Frage nach dem Dauerwert der menschlichen Ehe
.

Aus der Zeitehe wurde einst die Dauerehe. Aus dem
Tier wurde der Mensch. Aber nun wandert dieser Mensch in

hat, ſtürzt keineswegs ſpurlos wieder in die indifferente Materie
ab, ſondern ſeine Wirkungen als Baum in dieſem Jahrhundert
rinnen individualiſiert durch den folgenden Weltgang in alle
Äonen hinein. Es wird uns endlich allen klar werden, daß
die einzig erſprießliche Projektionsſeite unſerer Ideale die
Ferne vor uns iſt, und daß kein Ideal dadurch beſſer wird,
daß es ſchon einmal hinter uns erfüllt geweſen ſein ſoll. Vor¬
wärts geht unſer Weg, nicht rückwärts. Und kein Ideal wird
heute mehr dadurch geſchaffen, daß ein vergilbtes Pergament
uns vorgelegt wird mit dem Siegel irgend eines verſchollenen
Jahrtauſends. Gerade darin ſind wir heute neue Menſchen,
die ſich von ſo unendlich vielen ſtarren, erſtarrten Mächten
der Vergangenheit, von ſo viel Mottenſtaub mit blutendem
Herzen, aber im Banne unentwegter Sehnſucht losgeriſſen
haben auf allen Gebieten des Lebens. Wir haben die Ver¬
gangenheit hingegeben um der Zukunft willen. Jetzt, meine
ich, ſoll es uns auch mehr und mehr gleichgültig ſein, ob
dieſe Zukunft doch nur eine verkappte Vergangenheit, ob das
neue Teſtament unſerer Ideale nur ein wieder erobertes
altes ſei.

Wenn die Menſchheit auch nicht ihre Bahn begonnen
hat ſchon bei einer vollkommenen Auflöſung der Ehe ins
Soziale, ſo bleiben doch die fort und fort zu uns heran¬
ſteigenden Symptome ſolcher Löſung und die große Frage
bleibt, eben als Zukunftsfrage, ob es nicht doch alſo die ideale
Schlußlöſung der Dinge ſein werde: abſolute Zerſetzung der
Ehe durch die ſoziale Organiſation der Menſchheit im folge¬
richtigen Entwickelungsgang der Menſchheit.

Erſt das iſt die Stelle, wo alle jene Fäden, die wir bis
heran aufgeſponnen, ſich zuſammenweben zu der tiefſten,
ſchwerſten, aktuell für uns beweglichſten Frage: nämlich der
Frage nach dem Dauerwert der menſchlichen Ehe
.

Aus der Zeitehe wurde einſt die Dauerehe. Aus dem
Tier wurde der Menſch. Aber nun wandert dieſer Menſch in

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[292/0306] hat, ſtürzt keineswegs ſpurlos wieder in die indifferente Materie ab, ſondern ſeine Wirkungen als Baum in dieſem Jahrhundert rinnen individualiſiert durch den folgenden Weltgang in alle Äonen hinein. Es wird uns endlich allen klar werden, daß die einzig erſprießliche Projektionsſeite unſerer Ideale die Ferne vor uns iſt, und daß kein Ideal dadurch beſſer wird, daß es ſchon einmal hinter uns erfüllt geweſen ſein ſoll. Vor¬ wärts geht unſer Weg, nicht rückwärts. Und kein Ideal wird heute mehr dadurch geſchaffen, daß ein vergilbtes Pergament uns vorgelegt wird mit dem Siegel irgend eines verſchollenen Jahrtauſends. Gerade darin ſind wir heute neue Menſchen, die ſich von ſo unendlich vielen ſtarren, erſtarrten Mächten der Vergangenheit, von ſo viel Mottenſtaub mit blutendem Herzen, aber im Banne unentwegter Sehnſucht losgeriſſen haben auf allen Gebieten des Lebens. Wir haben die Ver¬ gangenheit hingegeben um der Zukunft willen. Jetzt, meine ich, ſoll es uns auch mehr und mehr gleichgültig ſein, ob dieſe Zukunft doch nur eine verkappte Vergangenheit, ob das neue Teſtament unſerer Ideale nur ein wieder erobertes altes ſei. Wenn die Menſchheit auch nicht ihre Bahn begonnen hat ſchon bei einer vollkommenen Auflöſung der Ehe ins Soziale, ſo bleiben doch die fort und fort zu uns heran¬ ſteigenden Symptome ſolcher Löſung und die große Frage bleibt, eben als Zukunftsfrage, ob es nicht doch alſo die ideale Schlußlöſung der Dinge ſein werde: abſolute Zerſetzung der Ehe durch die ſoziale Organiſation der Menſchheit im folge¬ richtigen Entwickelungsgang der Menſchheit. Erſt das iſt die Stelle, wo alle jene Fäden, die wir bis heran aufgeſponnen, ſich zuſammenweben zu der tiefſten, ſchwerſten, aktuell für uns beweglichſten Frage: nämlich der Frage nach dem Dauerwert der menſchlichen Ehe. Aus der Zeitehe wurde einſt die Dauerehe. Aus dem Tier wurde der Menſch. Aber nun wandert dieſer Menſch in

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/306>, abgerufen am 21.11.2024.