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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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des Schlammbuddelns die Haare verscheucht. Daß es nicht
notwendig zum Bilde dieser Riesen gehört, beweisen die rot¬
wolligen und braun-weiß gescheckten Mammute und Nashörner
der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im sibirischen Eis liegen.

Daß aber das Wasser die Haare thatsächlich in Bann
thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬
nahmen: das splitterfasernackte Seesäugetier Delphin und Wal¬
fisch. Die Anpassung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬
rade so ein Walfisch ein wahres Meisterwerk folgerichtiger
Anpassung in jeglichem Betracht ist.

Auch bei diesen Nacktheiten sieht man deutlich das Äqui¬
valent für den wärmeschützenden Pelz in gewissen Besonder¬
heiten der Haut: bei jenen Sumpfriesen des Festlandes ist die
Haut wenigstens panzerhaft dick geworden, und der Walfisch
gar hat noch eine solche Fettschicht darin, daß er im Polar¬
wasser seine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬
daunen gewickelten Vogel. Gewisse Anzeichen deuten sogar
darauf hin, daß die Herren Vorväter dieser Wale kompakte
Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch
bei dem Rhinozeros gar nicht so unwahrscheinlich ist.

Für das rätselvolle Erdenungetüm Mensch passen aber
alle diese Präzedenzfälle säugerlicher Nacktheit absolut nicht.
Er steckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt
zwar bei ihm eine seltsame Krankheit, die bisweilen sogar
erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fischschuppen-
oder Stachelschweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt
die Oberhaut zu schuppenartigen Gebilden, und das steigert
sich im extremen Fall bis zum Hervorsprießen dicker Zapfen
am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen
Menschen in "Hans mein Igel" aus dem Grimmschen Märchen
verwandeln. Das ist ja wie ein Fingerzeig, was auch aus
braver Menschenhaut alles werden könnte. Aber der Igel
im Menschen, wenn er, wie früher erzählt, unserer Ahnenkette
wirklich nahe gestanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und

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des Schlammbuddelns die Haare verſcheucht. Daß es nicht
notwendig zum Bilde dieſer Rieſen gehört, beweiſen die rot¬
wolligen und braun-weiß geſcheckten Mammute und Nashörner
der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im ſibiriſchen Eis liegen.

Daß aber das Waſſer die Haare thatſächlich in Bann
thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬
nahmen: das ſplitterfaſernackte Seeſäugetier Delphin und Wal¬
fiſch. Die Anpaſſung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬
rade ſo ein Walfiſch ein wahres Meiſterwerk folgerichtiger
Anpaſſung in jeglichem Betracht iſt.

Auch bei dieſen Nacktheiten ſieht man deutlich das Äqui¬
valent für den wärmeſchützenden Pelz in gewiſſen Beſonder¬
heiten der Haut: bei jenen Sumpfrieſen des Feſtlandes iſt die
Haut wenigſtens panzerhaft dick geworden, und der Walfiſch
gar hat noch eine ſolche Fettſchicht darin, daß er im Polar¬
waſſer ſeine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬
daunen gewickelten Vogel. Gewiſſe Anzeichen deuten ſogar
darauf hin, daß die Herren Vorväter dieſer Wale kompakte
Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch
bei dem Rhinozeros gar nicht ſo unwahrſcheinlich iſt.

Für das rätſelvolle Erdenungetüm Menſch paſſen aber
alle dieſe Präzedenzfälle ſäugerlicher Nacktheit abſolut nicht.
Er ſteckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt
zwar bei ihm eine ſeltſame Krankheit, die bisweilen ſogar
erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fiſchſchuppen-
oder Stachelſchweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt
die Oberhaut zu ſchuppenartigen Gebilden, und das ſteigert
ſich im extremen Fall bis zum Hervorſprießen dicker Zapfen
am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen
Menſchen in „Hans mein Igel“ aus dem Grimmſchen Märchen
verwandeln. Das iſt ja wie ein Fingerzeig, was auch aus
braver Menſchenhaut alles werden könnte. Aber der Igel
im Menſchen, wenn er, wie früher erzählt, unſerer Ahnenkette
wirklich nahe geſtanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und

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[17/0031] des Schlammbuddelns die Haare verſcheucht. Daß es nicht notwendig zum Bilde dieſer Rieſen gehört, beweiſen die rot¬ wolligen und braun-weiß geſcheckten Mammute und Nashörner der Diluvialzeit, deren Kadaver heute noch im ſibiriſchen Eis liegen. Daß aber das Waſſer die Haare thatſächlich in Bann thut, lehrt vollends eindringlich die letzte der Säugetier-Aus¬ nahmen: das ſplitterfaſernackte Seeſäugetier Delphin und Wal¬ fiſch. Die Anpaſſung liegt hier auf der Hand, wie denn ge¬ rade ſo ein Walfiſch ein wahres Meiſterwerk folgerichtiger Anpaſſung in jeglichem Betracht iſt. Auch bei dieſen Nacktheiten ſieht man deutlich das Äqui¬ valent für den wärmeſchützenden Pelz in gewiſſen Beſonder¬ heiten der Haut: bei jenen Sumpfrieſen des Feſtlandes iſt die Haut wenigſtens panzerhaft dick geworden, und der Walfiſch gar hat noch eine ſolche Fettſchicht darin, daß er im Polar¬ waſſer ſeine Innenheizung retten kann gleich einem in Eider¬ daunen gewickelten Vogel. Gewiſſe Anzeichen deuten ſogar darauf hin, daß die Herren Vorväter dieſer Wale kompakte Gürteltierpanzer getragen haben, eine Sachlage, die mir auch bei dem Rhinozeros gar nicht ſo unwahrſcheinlich iſt. Für das rätſelvolle Erdenungetüm Menſch paſſen aber alle dieſe Präzedenzfälle ſäugerlicher Nacktheit abſolut nicht. Er ſteckt in keinem Igel- oder Gürteltierpanzer. Es giebt zwar bei ihm eine ſeltſame Krankheit, die bisweilen ſogar erblich in Familien auftritt und die man geradezu Fiſchſchuppen- oder Stachelſchweinkrankheit genannt hat. Bei ihr verhornt die Oberhaut zu ſchuppenartigen Gebilden, und das ſteigert ſich im extremen Fall bis zum Hervorſprießen dicker Zapfen am ganzen Leibe, die für den oberflächlichen Blick den lebendigen Menſchen in „Hans mein Igel“ aus dem Grimmſchen Märchen verwandeln. Das iſt ja wie ein Fingerzeig, was auch aus braver Menſchenhaut alles werden könnte. Aber der Igel im Menſchen, wenn er, wie früher erzählt, unſerer Ahnenkette wirklich nahe geſtanden hat, liegt Jahrmillionen zurück, und 2

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/31>, abgerufen am 21.11.2024.