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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was
thun? Im Bauche hätte er sie nun mal. Jedes Kind, das
er zeugte, kriegte sie vom Elternleibe an mit in den Bauch,
unrettbar. Eine endlose Schraube der Quälerei. Wohl hätte
die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte.
Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da sie ja
im freien Wasser außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬
kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eisenbart:
ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnschmerzen.
Wenn so ein Polyp denken könnte wie wir und sich aus¬
sprechen: er würde den Tag verfluchen, der seinen Vätern
die erste dieser Schreckensalgen beschert hat. Den Kobold
seines Lebens würde er diese Invasion der grünen Satane
nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine solche un¬
wahrscheinliche Kombination erzeugen: daß ein Wesen aus
ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das
vielzellige Tier, sich nachträglich hineinschmuggelte. Und nicht
bloß in ihn als Individuum, sondern in seine Unsterblichkeits¬
stelle auch noch: in sein Liebesleben. Was hatte dieses sein
eigenes mühsam erworbenes Liebesleben mit diesen ihm total
wurschtigen Vermehrungsabsichten im Liebesleben der Algen zu
thun. Und doch maßten die sich an, ihm über Kinder und
Enkel fort das Leben zu verekeln, indem sie ihm beständig
gleichsam ins Heiligste hinein exkrementierten, daß des Gräuels
und Gestanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam,
sein eigenes Liebesleben zu verfluchen ....

Ich erzähle dir die Geschichte der Syphilis.

[Abbildung]

Dieser denkende Polyp ist der Mensch, dem ungefähr
diese Geschichte wirklich so passiert ist. Die Syphilis ist der
dreimal vermaledeite Kobold seines Liebeslebens.

Die Syphilis ist keine Größe, die sich innerlich in das
Liebesleben der Menschheit mit verrechnet. Dieses Liebesleben

die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was
thun? Im Bauche hätte er ſie nun mal. Jedes Kind, das
er zeugte, kriegte ſie vom Elternleibe an mit in den Bauch,
unrettbar. Eine endloſe Schraube der Quälerei. Wohl hätte
die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte.
Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da ſie ja
im freien Waſſer außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬
kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eiſenbart:
ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnſchmerzen.
Wenn ſo ein Polyp denken könnte wie wir und ſich aus¬
ſprechen: er würde den Tag verfluchen, der ſeinen Vätern
die erſte dieſer Schreckensalgen beſchert hat. Den Kobold
ſeines Lebens würde er dieſe Invaſion der grünen Satane
nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine ſolche un¬
wahrſcheinliche Kombination erzeugen: daß ein Weſen aus
ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das
vielzellige Tier, ſich nachträglich hineinſchmuggelte. Und nicht
bloß in ihn als Individuum, ſondern in ſeine Unſterblichkeits¬
ſtelle auch noch: in ſein Liebesleben. Was hatte dieſes ſein
eigenes mühſam erworbenes Liebesleben mit dieſen ihm total
wurſchtigen Vermehrungsabſichten im Liebesleben der Algen zu
thun. Und doch maßten die ſich an, ihm über Kinder und
Enkel fort das Leben zu verekeln, indem ſie ihm beſtändig
gleichſam ins Heiligſte hinein exkrementierten, daß des Gräuels
und Geſtanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam,
ſein eigenes Liebesleben zu verfluchen ....

Ich erzähle dir die Geſchichte der Syphilis.

[Abbildung]

Dieſer denkende Polyp iſt der Menſch, dem ungefähr
dieſe Geſchichte wirklich ſo paſſiert iſt. Die Syphilis iſt der
dreimal vermaledeite Kobold ſeines Liebeslebens.

Die Syphilis iſt keine Größe, die ſich innerlich in das
Liebesleben der Menſchheit mit verrechnet. Dieſes Liebesleben

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[340/0354] die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was thun? Im Bauche hätte er ſie nun mal. Jedes Kind, das er zeugte, kriegte ſie vom Elternleibe an mit in den Bauch, unrettbar. Eine endloſe Schraube der Quälerei. Wohl hätte die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte. Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da ſie ja im freien Waſſer außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬ kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eiſenbart: ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnſchmerzen. Wenn ſo ein Polyp denken könnte wie wir und ſich aus¬ ſprechen: er würde den Tag verfluchen, der ſeinen Vätern die erſte dieſer Schreckensalgen beſchert hat. Den Kobold ſeines Lebens würde er dieſe Invaſion der grünen Satane nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine ſolche un¬ wahrſcheinliche Kombination erzeugen: daß ein Weſen aus ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das vielzellige Tier, ſich nachträglich hineinſchmuggelte. Und nicht bloß in ihn als Individuum, ſondern in ſeine Unſterblichkeits¬ ſtelle auch noch: in ſein Liebesleben. Was hatte dieſes ſein eigenes mühſam erworbenes Liebesleben mit dieſen ihm total wurſchtigen Vermehrungsabſichten im Liebesleben der Algen zu thun. Und doch maßten die ſich an, ihm über Kinder und Enkel fort das Leben zu verekeln, indem ſie ihm beſtändig gleichſam ins Heiligſte hinein exkrementierten, daß des Gräuels und Geſtanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam, ſein eigenes Liebesleben zu verfluchen .... Ich erzähle dir die Geſchichte der Syphilis. [Abbildung] Dieſer denkende Polyp iſt der Menſch, dem ungefähr dieſe Geſchichte wirklich ſo paſſiert iſt. Die Syphilis iſt der dreimal vermaledeite Kobold ſeines Liebeslebens. Die Syphilis iſt keine Größe, die ſich innerlich in das Liebesleben der Menſchheit mit verrechnet. Dieſes Liebesleben

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/354>, abgerufen am 21.11.2024.