die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was thun? Im Bauche hätte er sie nun mal. Jedes Kind, das er zeugte, kriegte sie vom Elternleibe an mit in den Bauch, unrettbar. Eine endlose Schraube der Quälerei. Wohl hätte die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte. Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da sie ja im freien Wasser außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬ kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eisenbart: ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnschmerzen. Wenn so ein Polyp denken könnte wie wir und sich aus¬ sprechen: er würde den Tag verfluchen, der seinen Vätern die erste dieser Schreckensalgen beschert hat. Den Kobold seines Lebens würde er diese Invasion der grünen Satane nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine solche un¬ wahrscheinliche Kombination erzeugen: daß ein Wesen aus ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das vielzellige Tier, sich nachträglich hineinschmuggelte. Und nicht bloß in ihn als Individuum, sondern in seine Unsterblichkeits¬ stelle auch noch: in sein Liebesleben. Was hatte dieses sein eigenes mühsam erworbenes Liebesleben mit diesen ihm total wurschtigen Vermehrungsabsichten im Liebesleben der Algen zu thun. Und doch maßten die sich an, ihm über Kinder und Enkel fort das Leben zu verekeln, indem sie ihm beständig gleichsam ins Heiligste hinein exkrementierten, daß des Gräuels und Gestanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam, sein eigenes Liebesleben zu verfluchen ....
Ich erzähle dir die Geschichte der Syphilis.
[Abbildung]
Dieser denkende Polyp ist der Mensch, dem ungefähr diese Geschichte wirklich so passiert ist. Die Syphilis ist der dreimal vermaledeite Kobold seines Liebeslebens.
Die Syphilis ist keine Größe, die sich innerlich in das Liebesleben der Menschheit mit verrechnet. Dieses Liebesleben
die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was thun? Im Bauche hätte er ſie nun mal. Jedes Kind, das er zeugte, kriegte ſie vom Elternleibe an mit in den Bauch, unrettbar. Eine endloſe Schraube der Quälerei. Wohl hätte die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte. Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da ſie ja im freien Waſſer außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬ kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eiſenbart: ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnſchmerzen. Wenn ſo ein Polyp denken könnte wie wir und ſich aus¬ ſprechen: er würde den Tag verfluchen, der ſeinen Vätern die erſte dieſer Schreckensalgen beſchert hat. Den Kobold ſeines Lebens würde er dieſe Invaſion der grünen Satane nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine ſolche un¬ wahrſcheinliche Kombination erzeugen: daß ein Weſen aus ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das vielzellige Tier, ſich nachträglich hineinſchmuggelte. Und nicht bloß in ihn als Individuum, ſondern in ſeine Unſterblichkeits¬ ſtelle auch noch: in ſein Liebesleben. Was hatte dieſes ſein eigenes mühſam erworbenes Liebesleben mit dieſen ihm total wurſchtigen Vermehrungsabſichten im Liebesleben der Algen zu thun. Und doch maßten die ſich an, ihm über Kinder und Enkel fort das Leben zu verekeln, indem ſie ihm beſtändig gleichſam ins Heiligſte hinein exkrementierten, daß des Gräuels und Geſtanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam, ſein eigenes Liebesleben zu verfluchen ....
Ich erzähle dir die Geſchichte der Syphilis.
[Abbildung]
Dieſer denkende Polyp iſt der Menſch, dem ungefähr dieſe Geſchichte wirklich ſo paſſiert iſt. Die Syphilis iſt der dreimal vermaledeite Kobold ſeines Liebeslebens.
Die Syphilis iſt keine Größe, die ſich innerlich in das Liebesleben der Menſchheit mit verrechnet. Dieſes Liebesleben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0354"n="340"/>
die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was<lb/>
thun? Im Bauche hätte er ſie nun mal. Jedes Kind, das<lb/>
er zeugte, kriegte ſie vom Elternleibe an mit in den Bauch,<lb/>
unrettbar. Eine endloſe Schraube der Quälerei. Wohl hätte<lb/>
die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte.<lb/>
Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da ſie ja<lb/>
im freien Waſſer außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬<lb/>
kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eiſenbart:<lb/>
ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnſchmerzen.<lb/>
Wenn ſo ein Polyp denken könnte wie wir und ſich aus¬<lb/>ſprechen: er würde den Tag verfluchen, der ſeinen Vätern<lb/>
die erſte dieſer Schreckensalgen beſchert hat. Den Kobold<lb/>ſeines Lebens würde er dieſe Invaſion der grünen Satane<lb/>
nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine ſolche un¬<lb/>
wahrſcheinliche Kombination erzeugen: daß ein Weſen aus<lb/>
ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das<lb/>
vielzellige Tier, ſich nachträglich hineinſchmuggelte. Und nicht<lb/>
bloß in ihn als Individuum, ſondern in ſeine Unſterblichkeits¬<lb/>ſtelle auch noch: in ſein Liebesleben. Was hatte dieſes ſein<lb/>
eigenes mühſam erworbenes Liebesleben mit dieſen ihm total<lb/>
wurſchtigen Vermehrungsabſichten im Liebesleben der Algen zu<lb/>
thun. Und doch maßten die ſich an, ihm über Kinder und<lb/>
Enkel fort das Leben zu verekeln, indem ſie ihm beſtändig<lb/>
gleichſam ins Heiligſte hinein exkrementierten, daß des Gräuels<lb/>
und Geſtanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam,<lb/>ſein eigenes Liebesleben zu verfluchen ....</p><lb/><p>Ich erzähle dir die Geſchichte der Syphilis.</p><lb/><figure/><p>Dieſer denkende Polyp iſt der Menſch, dem ungefähr<lb/>
dieſe Geſchichte wirklich ſo paſſiert iſt. Die Syphilis iſt der<lb/>
dreimal vermaledeite Kobold ſeines Liebeslebens.</p><lb/><p>Die Syphilis iſt keine Größe, die ſich innerlich in das<lb/>
Liebesleben der Menſchheit mit verrechnet. Dieſes Liebesleben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[340/0354]
die eventuell ihm das ganze Leben vergällten. Aber was
thun? Im Bauche hätte er ſie nun mal. Jedes Kind, das
er zeugte, kriegte ſie vom Elternleibe an mit in den Bauch,
unrettbar. Eine endloſe Schraube der Quälerei. Wohl hätte
die Algenfolge ein Ende, wenn die Polypenfolge aufhörte.
Alle Polypen tot, wären auch alle Quäl-Algen tot, da ſie ja
im freien Waſſer außerhalb der Polypen nicht mehr vor¬
kommen. Aber es wäre doch die Kur des Doktor Eiſenbart:
ein Schuß durch den Kopf als Mittel gegen Zahnſchmerzen.
Wenn ſo ein Polyp denken könnte wie wir und ſich aus¬
ſprechen: er würde den Tag verfluchen, der ſeinen Vätern
die erſte dieſer Schreckensalgen beſchert hat. Den Kobold
ſeines Lebens würde er dieſe Invaſion der grünen Satane
nennen. Welcher Höllenzufall mußte gerade eine ſolche un¬
wahrſcheinliche Kombination erzeugen: daß ein Weſen aus
ganz anderer Gruppe, eine einzellige Pflanze, in ihn, das
vielzellige Tier, ſich nachträglich hineinſchmuggelte. Und nicht
bloß in ihn als Individuum, ſondern in ſeine Unſterblichkeits¬
ſtelle auch noch: in ſein Liebesleben. Was hatte dieſes ſein
eigenes mühſam erworbenes Liebesleben mit dieſen ihm total
wurſchtigen Vermehrungsabſichten im Liebesleben der Algen zu
thun. Und doch maßten die ſich an, ihm über Kinder und
Enkel fort das Leben zu verekeln, indem ſie ihm beſtändig
gleichſam ins Heiligſte hinein exkrementierten, daß des Gräuels
und Geſtanks kein Ende wurde, bis er an den Rand kam,
ſein eigenes Liebesleben zu verfluchen ....
Ich erzähle dir die Geſchichte der Syphilis.
[Abbildung]
Dieſer denkende Polyp iſt der Menſch, dem ungefähr
dieſe Geſchichte wirklich ſo paſſiert iſt. Die Syphilis iſt der
dreimal vermaledeite Kobold ſeines Liebeslebens.
Die Syphilis iſt keine Größe, die ſich innerlich in das
Liebesleben der Menſchheit mit verrechnet. Dieſes Liebesleben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/354>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.