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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns
hinausflutet.

Es ist nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer
Natur voller Geheimnisse läßt sich immer noch erträglich leben,
wo es mit der schon völlig pessimistisch gedeuteten nicht mehr
möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder
zeugen, -- auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht.

Nun wird der Pessimist freilich sagen, daß ihn das nichts
angeht, er schließe eben nach zulässigem Brauch vom Bekannten
aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt sei eben
schlecht, also ....

Auch die Logik dieses Schlusses als solche gebe ich zu,
aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieses Schließen
auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich so und
so viel auslasse.

Wir kennen geschichtlich nur ein einziges Stück Natur,
nämlich annähernd und andeutungsweise ein Teil Geschichte
unseres Planeten, vielleicht sogar seines Sonnensystems, sicher
seines Werdens und Wandels in den letzten tausend Millionen
Jahren, insbesondere seines Lebens, seiner Pflanzen, Tiere,
Menschen, seiner Menschen auch noch durch ein paar tausend
Jahre Kultur. In dieser einzigen übersehbaren Spanne ist
das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬
barsten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten
Wesen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer diesen
Heraufgang nicht sieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬
block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem ist nicht zu helfen,
es fehlt ihm die Urthatsache alles Bekannten über die Natur.
In dieser einzigen Linie findet eine fortgesetzte Überbietung in
Harmonien statt. Zuerst entsteht die Harmonie des Planeten¬
systems. Dann die Harmonien der ältesten Lebensformen,
Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen,
sich immer überbietenden Anpassungsversuche dieser Lebewesen.
Endlich die Universalanpassung Mensch sie alle ablösend. Im

unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns
hinausflutet.

Es iſt nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer
Natur voller Geheimniſſe läßt ſich immer noch erträglich leben,
wo es mit der ſchon völlig peſſimiſtiſch gedeuteten nicht mehr
möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder
zeugen, — auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht.

Nun wird der Peſſimiſt freilich ſagen, daß ihn das nichts
angeht, er ſchließe eben nach zuläſſigem Brauch vom Bekannten
aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt ſei eben
ſchlecht, alſo ....

Auch die Logik dieſes Schluſſes als ſolche gebe ich zu,
aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieſes Schließen
auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich ſo und
ſo viel auslaſſe.

Wir kennen geſchichtlich nur ein einziges Stück Natur,
nämlich annähernd und andeutungsweiſe ein Teil Geſchichte
unſeres Planeten, vielleicht ſogar ſeines Sonnenſyſtems, ſicher
ſeines Werdens und Wandels in den letzten tauſend Millionen
Jahren, insbeſondere ſeines Lebens, ſeiner Pflanzen, Tiere,
Menſchen, ſeiner Menſchen auch noch durch ein paar tauſend
Jahre Kultur. In dieſer einzigen überſehbaren Spanne iſt
das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬
barſten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten
Weſen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer dieſen
Heraufgang nicht ſieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬
block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem iſt nicht zu helfen,
es fehlt ihm die Urthatſache alles Bekannten über die Natur.
In dieſer einzigen Linie findet eine fortgeſetzte Überbietung in
Harmonien ſtatt. Zuerſt entſteht die Harmonie des Planeten¬
ſyſtems. Dann die Harmonien der älteſten Lebensformen,
Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen,
ſich immer überbietenden Anpaſſungsverſuche dieſer Lebeweſen.
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[365/0379] unendlichen Gebiet des Geheimnisvollen, das noch vor uns hinausflutet. Es iſt nicht unwichtig, das zu betonen, denn mit einer Natur voller Geheimniſſe läßt ſich immer noch erträglich leben, wo es mit der ſchon völlig peſſimiſtiſch gedeuteten nicht mehr möglich wäre. Auf das Geheimnis hin kann ich noch Kinder zeugen, — auf die endgültig entdeckte Nacht hin nicht. Nun wird der Peſſimiſt freilich ſagen, daß ihn das nichts angeht, er ſchließe eben nach zuläſſigem Brauch vom Bekannten aufs Unbekannte, und der bekannte Teil der Welt ſei eben ſchlecht, alſo .... Auch die Logik dieſes Schluſſes als ſolche gebe ich zu, aber ich verlange dann an zweiter Stelle, daß dieſes Schließen auch im Engeren ordentlich erfolge und nicht willkürlich ſo und ſo viel auslaſſe. Wir kennen geſchichtlich nur ein einziges Stück Natur, nämlich annähernd und andeutungsweiſe ein Teil Geſchichte unſeres Planeten, vielleicht ſogar ſeines Sonnenſyſtems, ſicher ſeines Werdens und Wandels in den letzten tauſend Millionen Jahren, insbeſondere ſeines Lebens, ſeiner Pflanzen, Tiere, Menſchen, ſeiner Menſchen auch noch durch ein paar tauſend Jahre Kultur. In dieſer einzigen überſehbaren Spanne iſt das Frappierende ein Heraufgang der Entwickelung der wunder¬ barſten Art, ein kontinuierlicher Heraufgang bis zu intelligenten Weſen und bei denen von Barbarei zur Kultur. Wer dieſen Heraufgang nicht ſieht: von einem rohen, erkaltenden Meteor¬ block wie die Erde war, bis zu Goethe, dem iſt nicht zu helfen, es fehlt ihm die Urthatſache alles Bekannten über die Natur. In dieſer einzigen Linie findet eine fortgeſetzte Überbietung in Harmonien ſtatt. Zuerſt entſteht die Harmonie des Planeten¬ ſyſtems. Dann die Harmonien der älteſten Lebensformen, Pflanze und Tier, Tier zu Pflanze. Dann die unendlichen, ſich immer überbietenden Anpaſſungsverſuche dieſer Lebeweſen. Endlich die Univerſalanpaſſung Menſch ſie alle ablöſend. Im

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/379>, abgerufen am 21.11.2024.