vorbei ziehen ohne Frage danach. Das erste, für uns älteste, wo beim kambrischen Strand das Leben für uns einsetzt und um dessen Ende der Wind durch die palmenhohen Schachtel¬ halme der Steinkohlenzeit klappert. Dann die wunderbare Ichthyosaurus-Zeit, wo die Archäopteryx fliegt und im Eykadeen-Gehölz der haushohe Iguanodon auf den Hinterbeinen hüpft. Aber nun geht der Vorhang zum dritten Male auf, und über die Erde springen, klettern, traben die Säugetiere. Es ist die Tertiär-Zeit, in der großen Perspektive schon eine sehr viel hellere Zeit. In diesen Tertiär-Tagen aber wird jetzt wirklich ganz unverkennbar deutlich die Vorherrschaft der Nordkugel des alten Rätselballs. Um den Nordpol lagern sich, ob auch noch so oft auf- und abtauchend, zerreißend, wieder aneinanderschmelzend, die großen Landmassen. Was im Süden von früh an geblieben ist, was dort eigene Linien des Fortschritts sucht, das bleibt fortan auffällig isoliert: so Australien mit seinen Schnabel- und Beuteltieren; so Süd¬ amerika mit seinen Gürtel- und Faultieren. Auf dem Kontinent¬ ring der Nordkugel aber ist es, als schreite der große Säe¬ mann Entwickelung rastlos wie Ahasver immer in engeren oder weiteren Kreisen um den Pol, und unter seinem Tritt bebt die Erde von zahllos wachsenden Garben des einen grund¬ legenden höheren Säugetiertypus, also der Krone des Lebens.
Das wächst und wächst und zieht und wandert von Asien nach Europa und über die Beringsstraße von und nach Nord¬ amerika und von Amerika wieder nach Europa, immer neue Tierfluten, Völkerwanderungen der irgendwo entstandenen Familien und Gattungen, ein ungeheuerliches Gedränge, von dem die Katakomben in den Sivalikhügeln am Himalaya, auf dem klassischen Boden von Pikermi bei Marathon, im Herzen von Nordamerika und so weiter mit ihren Massen¬ gräbern heute noch ein gespenstisch großartiges Bild geben.
Und immer, so lange durch diese Tertiär-Zeit diese Säuger¬ schwärme ziehen, rastlos ziehen, sich ausdehnen, in langen
vorbei ziehen ohne Frage danach. Das erſte, für uns älteſte, wo beim kambriſchen Strand das Leben für uns einſetzt und um deſſen Ende der Wind durch die palmenhohen Schachtel¬ halme der Steinkohlenzeit klappert. Dann die wunderbare Ichthyoſaurus-Zeit, wo die Archäopteryx fliegt und im Eykadeen-Gehölz der haushohe Iguanodon auf den Hinterbeinen hüpft. Aber nun geht der Vorhang zum dritten Male auf, und über die Erde ſpringen, klettern, traben die Säugetiere. Es iſt die Tertiär-Zeit, in der großen Perſpektive ſchon eine ſehr viel hellere Zeit. In dieſen Tertiär-Tagen aber wird jetzt wirklich ganz unverkennbar deutlich die Vorherrſchaft der Nordkugel des alten Rätſelballs. Um den Nordpol lagern ſich, ob auch noch ſo oft auf- und abtauchend, zerreißend, wieder aneinanderſchmelzend, die großen Landmaſſen. Was im Süden von früh an geblieben iſt, was dort eigene Linien des Fortſchritts ſucht, das bleibt fortan auffällig iſoliert: ſo Auſtralien mit ſeinen Schnabel- und Beuteltieren; ſo Süd¬ amerika mit ſeinen Gürtel- und Faultieren. Auf dem Kontinent¬ ring der Nordkugel aber iſt es, als ſchreite der große Säe¬ mann Entwickelung raſtlos wie Ahasver immer in engeren oder weiteren Kreiſen um den Pol, und unter ſeinem Tritt bebt die Erde von zahllos wachſenden Garben des einen grund¬ legenden höheren Säugetiertypus, alſo der Krone des Lebens.
Das wächſt und wächſt und zieht und wandert von Aſien nach Europa und über die Beringsſtraße von und nach Nord¬ amerika und von Amerika wieder nach Europa, immer neue Tierfluten, Völkerwanderungen der irgendwo entſtandenen Familien und Gattungen, ein ungeheuerliches Gedränge, von dem die Katakomben in den Sivalikhügeln am Himalaya, auf dem klaſſiſchen Boden von Pikermi bei Marathon, im Herzen von Nordamerika und ſo weiter mit ihren Maſſen¬ gräbern heute noch ein geſpenſtiſch großartiges Bild geben.
Und immer, ſo lange durch dieſe Tertiär-Zeit dieſe Säuger¬ ſchwärme ziehen, raſtlos ziehen, ſich ausdehnen, in langen
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vorbei ziehen ohne Frage danach. Das erſte, für uns älteſte,
wo beim kambriſchen Strand das Leben für uns einſetzt und
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halme der Steinkohlenzeit klappert. Dann die wunderbare
Ichthyoſaurus-Zeit, wo die Archäopteryx fliegt und im
Eykadeen-Gehölz der haushohe Iguanodon auf den Hinterbeinen
hüpft. Aber nun geht der Vorhang zum dritten Male auf,
und über die Erde ſpringen, klettern, traben die Säugetiere.
Es iſt die Tertiär-Zeit, in der großen Perſpektive ſchon eine
ſehr viel hellere Zeit. In dieſen Tertiär-Tagen aber wird
jetzt wirklich ganz unverkennbar deutlich die Vorherrſchaft der
Nordkugel des alten Rätſelballs. Um den Nordpol lagern
ſich, ob auch noch ſo oft auf- und abtauchend, zerreißend,
wieder aneinanderſchmelzend, die großen Landmaſſen. Was
im Süden von früh an geblieben iſt, was dort eigene Linien
des Fortſchritts ſucht, das bleibt fortan auffällig iſoliert: ſo
Auſtralien mit ſeinen Schnabel- und Beuteltieren; ſo Süd¬
amerika mit ſeinen Gürtel- und Faultieren. Auf dem Kontinent¬
ring der Nordkugel aber iſt es, als ſchreite der große Säe¬
mann Entwickelung raſtlos wie Ahasver immer in engeren
oder weiteren Kreiſen um den Pol, und unter ſeinem Tritt
bebt die Erde von zahllos wachſenden Garben des einen grund¬
legenden höheren Säugetiertypus, alſo der Krone des Lebens.
Das wächſt und wächſt und zieht und wandert von Aſien
nach Europa und über die Beringsſtraße von und nach Nord¬
amerika und von Amerika wieder nach Europa, immer neue
Tierfluten, Völkerwanderungen der irgendwo entſtandenen
Familien und Gattungen, ein ungeheuerliches Gedränge, von
dem die Katakomben in den Sivalikhügeln am Himalaya,
auf dem klaſſiſchen Boden von Pikermi bei Marathon, im
Herzen von Nordamerika und ſo weiter mit ihren Maſſen¬
gräbern heute noch ein geſpenſtiſch großartiges Bild geben.
Und immer, ſo lange durch dieſe Tertiär-Zeit dieſe Säuger¬
ſchwärme ziehen, raſtlos ziehen, ſich ausdehnen, in langen
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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