Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.Vorgestern gegen Mittag kam ich nach Chalons. Vorgeſtern gegen Mittag kam ich nach Chalons. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0032" n="18"/> <p>Vorgeſtern gegen Mittag kam ich nach Chalons.<lb/> Ich wollte meinen Strasburger Wagen, den ich einſt¬<lb/> weilen nur bis dahin gedingt hatte, nun weiter bis<lb/> Paris miethen. Aber der Kutſcher hatte keine Luſt<lb/> dazu, die Wege wären zu ſchlecht, oder was ihn<lb/> ſonſt abhielt. Ich ſchickte nach einem andern Mieth¬<lb/> kutſcher. Jetzt denken Sie ſich die gräuliche Sta¬<lb/> tiſtik: In Chalons, einer Stadt von 12,000 Ein¬<lb/> wohnern, gibt es nur eine einzige Miethkutſche, und<lb/> für dieſe wurde für die Reiſe nach Paris, das nur<lb/> zwanzig Meilen entfernt iſt, 200 Franken gefordert!<lb/> Da dieſes viel mehr als die Reiſe mit Poſtpferden<lb/> beträgt, entſchloß ich mich zu Letzterem. Da hatte<lb/> ich mich wieder verrechnet. In Deutſchland findet<lb/> der Reiſende auf jeder Poſt Kutſchen, die ihn von<lb/> Station zu Station führen. Hier aber hat die Poſt<lb/> zu dieſem Gebrauche nur zweiräderige bedeckte Wa¬<lb/> gen, die nicht in Federn hängen, uns leicht die Seele<lb/> aus dem Körper ſchleudern, und nicht einmal Platz<lb/> haben, einen Koffer aufzupacken. So blieb mir nichts<lb/> anderes übrig, als mit der Diligence zu reiſen, die<lb/> eine halbe Stunde vor meiner Ankunft in Chalons<lb/> abgegangen war, und die erſt den andern Mittag<lb/> wiederkehrte. Vier und zwanzig Stunden ſollte ich<lb/> warten! Ich war an dieſem Tage ganz gewiß der<lb/> verdrießlichſte Menſch in ganz Europa, und war<lb/> ſchwach genug zu überlegen, was beſſer ſey, Pre߬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [18/0032]
Vorgeſtern gegen Mittag kam ich nach Chalons.
Ich wollte meinen Strasburger Wagen, den ich einſt¬
weilen nur bis dahin gedingt hatte, nun weiter bis
Paris miethen. Aber der Kutſcher hatte keine Luſt
dazu, die Wege wären zu ſchlecht, oder was ihn
ſonſt abhielt. Ich ſchickte nach einem andern Mieth¬
kutſcher. Jetzt denken Sie ſich die gräuliche Sta¬
tiſtik: In Chalons, einer Stadt von 12,000 Ein¬
wohnern, gibt es nur eine einzige Miethkutſche, und
für dieſe wurde für die Reiſe nach Paris, das nur
zwanzig Meilen entfernt iſt, 200 Franken gefordert!
Da dieſes viel mehr als die Reiſe mit Poſtpferden
beträgt, entſchloß ich mich zu Letzterem. Da hatte
ich mich wieder verrechnet. In Deutſchland findet
der Reiſende auf jeder Poſt Kutſchen, die ihn von
Station zu Station führen. Hier aber hat die Poſt
zu dieſem Gebrauche nur zweiräderige bedeckte Wa¬
gen, die nicht in Federn hängen, uns leicht die Seele
aus dem Körper ſchleudern, und nicht einmal Platz
haben, einen Koffer aufzupacken. So blieb mir nichts
anderes übrig, als mit der Diligence zu reiſen, die
eine halbe Stunde vor meiner Ankunft in Chalons
abgegangen war, und die erſt den andern Mittag
wiederkehrte. Vier und zwanzig Stunden ſollte ich
warten! Ich war an dieſem Tage ganz gewiß der
verdrießlichſte Menſch in ganz Europa, und war
ſchwach genug zu überlegen, was beſſer ſey, Pre߬
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