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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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sporne vergebens die stättige Zeit: die hartmäulige
Mähre geht zurück und spottet meiner. Ich ver¬
zweifele, ich verzweifele, o rette mich!

Lösche mein brennendes Auge mit dem Wasser¬
strahle deines Blickes; berühre mit kühlen Fingern
meine heiße Brust. Hänge Blei an meine Hoffnun¬
gen, tauche meine Wünsche in den tiefsten Sumpf,
daß sie aufzischen und dann ewig schweigen. Deutsche
mich, gute Göttin, von der Ferse bis zur Spitze
meiner Haare und lasse mich dann friedlich ruhen in
einem Naturalien-Cabinet unter den seltensten Ver¬
steinerungen.

Ich will dir von jetzt an auch treuer dienen
und gehorsamer sein in Allem. Ich will dir tägliche
Opfer bringen, welchen du am freundlichsten lächelst.
Die Didaskalia will ich lesen und das Dresdner
Abendblatt und alle Theaterkritiken, und den Hegel,
bis ich ihn verstehe. Ich will bei jedem Regenwetter
ohne Schirm vor dem Palaste der deutschen Bundes-
Versammlung stehen und da warten bis sie heraus¬
kommen und die Preßfreiheit verkündigen. Ich will
in den Ländern das Treiben des Adels beobachten und
nicht des Teufels werden, und nicht eher komme
Wein über meine Lippen, bis dich die guten Deut¬
schen aus dem Tempel jagen und dein Reich endiget.

l. 2

ſporne vergebens die ſtättige Zeit: die hartmäulige
Mähre geht zurück und ſpottet meiner. Ich ver¬
zweifele, ich verzweifele, o rette mich!

Löſche mein brennendes Auge mit dem Waſſer¬
ſtrahle deines Blickes; berühre mit kühlen Fingern
meine heiße Bruſt. Hänge Blei an meine Hoffnun¬
gen, tauche meine Wünſche in den tiefſten Sumpf,
daß ſie aufziſchen und dann ewig ſchweigen. Deutſche
mich, gute Göttin, von der Ferſe bis zur Spitze
meiner Haare und laſſe mich dann friedlich ruhen in
einem Naturalien-Cabinet unter den ſeltenſten Ver¬
ſteinerungen.

Ich will dir von jetzt an auch treuer dienen
und gehorſamer ſein in Allem. Ich will dir tägliche
Opfer bringen, welchen du am freundlichſten lächelſt.
Die Didaskalia will ich leſen und das Dresdner
Abendblatt und alle Theaterkritiken, und den Hegel,
bis ich ihn verſtehe. Ich will bei jedem Regenwetter
ohne Schirm vor dem Palaſte der deutſchen Bundes-
Verſammlung ſtehen und da warten bis ſie heraus¬
kommen und die Preßfreiheit verkündigen. Ich will
in den Ländern das Treiben des Adels beobachten und
nicht des Teufels werden, und nicht eher komme
Wein über meine Lippen, bis dich die guten Deut¬
ſchen aus dem Tempel jagen und dein Reich endiget.

l. 2
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[17/0031] ſporne vergebens die ſtättige Zeit: die hartmäulige Mähre geht zurück und ſpottet meiner. Ich ver¬ zweifele, ich verzweifele, o rette mich! Löſche mein brennendes Auge mit dem Waſſer¬ ſtrahle deines Blickes; berühre mit kühlen Fingern meine heiße Bruſt. Hänge Blei an meine Hoffnun¬ gen, tauche meine Wünſche in den tiefſten Sumpf, daß ſie aufziſchen und dann ewig ſchweigen. Deutſche mich, gute Göttin, von der Ferſe bis zur Spitze meiner Haare und laſſe mich dann friedlich ruhen in einem Naturalien-Cabinet unter den ſeltenſten Ver¬ ſteinerungen. Ich will dir von jetzt an auch treuer dienen und gehorſamer ſein in Allem. Ich will dir tägliche Opfer bringen, welchen du am freundlichſten lächelſt. Die Didaskalia will ich leſen und das Dresdner Abendblatt und alle Theaterkritiken, und den Hegel, bis ich ihn verſtehe. Ich will bei jedem Regenwetter ohne Schirm vor dem Palaſte der deutſchen Bundes- Verſammlung ſtehen und da warten bis ſie heraus¬ kommen und die Preßfreiheit verkündigen. Ich will in den Ländern das Treiben des Adels beobachten und nicht des Teufels werden, und nicht eher komme Wein über meine Lippen, bis dich die guten Deut¬ ſchen aus dem Tempel jagen und dein Reich endiget. l. 2

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/31>, abgerufen am 22.12.2024.