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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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Napoleon nichts sprechen zu lassen. Er erscheint als
Graumännchen auf einige Minuten, und verschwin¬
det dann wieder. Es ist recht schauerlich.

Die unheilige Dreieinigkeit vollständig zu ma¬
chen, erschien nach der Volks-Souveränetät und
Buonaparte, am nehmlichen Abende der leibhaftige
Teufel selbst auf der Bühne, unter Voltaire's Ge¬
stalt. Das Vaudeville heißt Voltaire chez les
Capucins.
Das Stück spielt in einem Capuzi¬
ner-Kloster, worin Voltaire als ungekannter Gast
eingekehrt war. Es sind heuchlerische Pfaffen, die
dort ihr Wesen treiben. Voltaire entdeckt ihre
Schelmereien, ihre geheimen Liebschaften, ihre Ränke
und Missethaten; er schürt das Feuer, und schwelgt
ganz selig in Schadenfreude und Bosheit. Es war
eine Lust, wie gut ihn der Schauspieler dargestellt --
aber gottlos, sehr gottlos.

-- Sie fragen mich, was ich erwarte, was ich
denke? Ich erwarte, daß die Welt untergehen wird,
und daß wir den Verstand darüber verlieren wer¬
den. Ich zweifle nicht daran, daß bis zum nächsten
Frühlinge ganz Europa in Flammen stehen wird, und
daß nicht blos die Staaten über den Haufen fallen
werden, sondern auch der Wohlstand unzähliger Fa¬
milien zu Grunde gehen wird. Zu ihren Lustbar¬
keiten laden die Fürsten nur Edelleute ein; aber

Napoleon nichts ſprechen zu laſſen. Er erſcheint als
Graumännchen auf einige Minuten, und verſchwin¬
det dann wieder. Es iſt recht ſchauerlich.

Die unheilige Dreieinigkeit vollſtändig zu ma¬
chen, erſchien nach der Volks-Souveränetät und
Buonaparte, am nehmlichen Abende der leibhaftige
Teufel ſelbſt auf der Bühne, unter Voltaire's Ge¬
ſtalt. Das Vaudeville heißt Voltaire chez les
Capucins.
Das Stück ſpielt in einem Capuzi¬
ner-Kloſter, worin Voltaire als ungekannter Gaſt
eingekehrt war. Es ſind heuchleriſche Pfaffen, die
dort ihr Weſen treiben. Voltaire entdeckt ihre
Schelmereien, ihre geheimen Liebſchaften, ihre Ränke
und Miſſethaten; er ſchürt das Feuer, und ſchwelgt
ganz ſelig in Schadenfreude und Bosheit. Es war
eine Luſt, wie gut ihn der Schauſpieler dargeſtellt —
aber gottlos, ſehr gottlos.

— Sie fragen mich, was ich erwarte, was ich
denke? Ich erwarte, daß die Welt untergehen wird,
und daß wir den Verſtand darüber verlieren wer¬
den. Ich zweifle nicht daran, daß bis zum nächſten
Frühlinge ganz Europa in Flammen ſtehen wird, und
daß nicht blos die Staaten über den Haufen fallen
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milien zu Grunde gehen wird. Zu ihren Luſtbar¬
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[71/0085] Napoleon nichts ſprechen zu laſſen. Er erſcheint als Graumännchen auf einige Minuten, und verſchwin¬ det dann wieder. Es iſt recht ſchauerlich. Die unheilige Dreieinigkeit vollſtändig zu ma¬ chen, erſchien nach der Volks-Souveränetät und Buonaparte, am nehmlichen Abende der leibhaftige Teufel ſelbſt auf der Bühne, unter Voltaire's Ge¬ ſtalt. Das Vaudeville heißt Voltaire chez les Capucins. Das Stück ſpielt in einem Capuzi¬ ner-Kloſter, worin Voltaire als ungekannter Gaſt eingekehrt war. Es ſind heuchleriſche Pfaffen, die dort ihr Weſen treiben. Voltaire entdeckt ihre Schelmereien, ihre geheimen Liebſchaften, ihre Ränke und Miſſethaten; er ſchürt das Feuer, und ſchwelgt ganz ſelig in Schadenfreude und Bosheit. Es war eine Luſt, wie gut ihn der Schauſpieler dargeſtellt — aber gottlos, ſehr gottlos. — Sie fragen mich, was ich erwarte, was ich denke? Ich erwarte, daß die Welt untergehen wird, und daß wir den Verſtand darüber verlieren wer¬ den. Ich zweifle nicht daran, daß bis zum nächſten Frühlinge ganz Europa in Flammen ſtehen wird, und daß nicht blos die Staaten über den Haufen fallen werden, ſondern auch der Wohlſtand unzähliger Fa¬ milien zu Grunde gehen wird. Zu ihren Luſtbar¬ keiten laden die Fürſten nur Edelleute ein; aber

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/85>, abgerufen am 22.12.2024.