Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Beine wieder abliefern. Man muß erst nach Wien Beine wieder abliefern. Man muß erſt nach Wien <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0123" n="109"/> Beine wieder abliefern. Man muß erſt nach Wien<lb/> ſchreiben, und um die Gnade der Operation bitten,<lb/> die jede Verzögerung tödtlich machen kann. In vier-<lb/> und zwanzig Stunden könnte man Antwort haben,<lb/> aber ſie läßt vierzehn Tage auf ſich warten. End¬<lb/> lich wird die Operation im Kerker, wo der Gefan¬<lb/> gene acht Jahre geſchmachtet hat, vorgenommen.<lb/> Der Gefängniß-Barbier nimmt das verfaulte Bein<lb/> über das Knie ab, und einige Zeit darauf wird Ma¬<lb/> ronelli in Freiheit geſetzt. Der junge Patriot auf<lb/> zwei Krücken gehend, kehrt nach ſeinem Vaterlande<lb/> zurück, er wird aber hinausgeſtoßen. Er wendet ſich<lb/> nach Rom, Rom verweigert ihm den Aufenthalt.<lb/> Der Großherzog von Florenz will ihn dulden, aber<lb/> der öſterreichiſche Geſandte läßt ihn fortjagen. Ma¬<lb/> ronelli findet in Frankreich eine Freiſtätte, und bald<lb/> wird er es verlaſſen, ſein verjüngtes <choice><sic>Voterland</sic><corr>Vaterland</corr></choice> wie¬<lb/> der zu ſehen. Von den fünf und zwanzig Verur¬<lb/> theilten, die nach und nach Maronelli's Kerker theil¬<lb/> ten, ſind zwei Vicomte, <hi rendition="#g">Oraboni</hi> und M. A. <hi rendition="#g">Villa</hi><lb/> vor Hunger geſtorben! Wir übertreiben nicht, es iſt<lb/> die Wahrheit. Eine mit Unſchlit zubereitete Suppe,<lb/> zwei kleine Stücke Brod von Fingersdicke, und ein<lb/> Lappen verdorbenes Fleiſch machen noch heute die ein¬<lb/> zige Nahrung der Gefangenen aus. Vergebens<lb/> erbaten ſie ſich als eine Gnade, daß man aus ihrer<lb/> ekelhaften Suppe wenigſtens den Talg weglaſſe; man<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0123]
Beine wieder abliefern. Man muß erſt nach Wien
ſchreiben, und um die Gnade der Operation bitten,
die jede Verzögerung tödtlich machen kann. In vier-
und zwanzig Stunden könnte man Antwort haben,
aber ſie läßt vierzehn Tage auf ſich warten. End¬
lich wird die Operation im Kerker, wo der Gefan¬
gene acht Jahre geſchmachtet hat, vorgenommen.
Der Gefängniß-Barbier nimmt das verfaulte Bein
über das Knie ab, und einige Zeit darauf wird Ma¬
ronelli in Freiheit geſetzt. Der junge Patriot auf
zwei Krücken gehend, kehrt nach ſeinem Vaterlande
zurück, er wird aber hinausgeſtoßen. Er wendet ſich
nach Rom, Rom verweigert ihm den Aufenthalt.
Der Großherzog von Florenz will ihn dulden, aber
der öſterreichiſche Geſandte läßt ihn fortjagen. Ma¬
ronelli findet in Frankreich eine Freiſtätte, und bald
wird er es verlaſſen, ſein verjüngtes Vaterland wie¬
der zu ſehen. Von den fünf und zwanzig Verur¬
theilten, die nach und nach Maronelli's Kerker theil¬
ten, ſind zwei Vicomte, Oraboni und M. A. Villa
vor Hunger geſtorben! Wir übertreiben nicht, es iſt
die Wahrheit. Eine mit Unſchlit zubereitete Suppe,
zwei kleine Stücke Brod von Fingersdicke, und ein
Lappen verdorbenes Fleiſch machen noch heute die ein¬
zige Nahrung der Gefangenen aus. Vergebens
erbaten ſie ſich als eine Gnade, daß man aus ihrer
ekelhaften Suppe wenigſtens den Talg weglaſſe; man
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