Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Samstag, den 5. März. Die armen Polen werden wohl jetzt gestorben Samſtag, den 5. März. Die armen Polen werden wohl jetzt geſtorben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0131" n="117"/> <div> <dateline> <hi rendition="#right">Samſtag, den 5. März.</hi> </dateline><lb/> <p>Die armen Polen werden wohl jetzt geſtorben<lb/> ſeyn. Sie ſind glücklicher als ich. Dem entſetzli¬<lb/> chen Schauplatz näher, wiſſen Sie ſchon das<lb/> Schlimmſte. Seit Vorgeſtern habe ich keine Kraft,<lb/> eine Feder zu führen, ich konnte nicht leſen, nicht<lb/> denken, ich konnte nicht einmal weinen und beten;<lb/> nur fluchen konnte ich. Geſiegt haben die Polen<lb/> ſchon vier Tage lang, aber entſchieden iſt noch nichts,<lb/> und geſtern ſind gar keine Nachrichten gekommen.<lb/> Man ſprach von einem Couriere, den der ruſſiſche Ge¬<lb/> ſandte erhalten; die Ruſſen wären in Warſchau ein¬<lb/> gerückt. Aber wenn das wahr wäre, hätte man ſchon<lb/> den Jubel der beſoffenen Knechte gehört, an den Feſt¬<lb/> tagen ihrer Herren, und die deutſchen Blätter von<lb/> geſtern erzählen nichts. Nicht wie Menſchen, wie<lb/> Kriegsgötter ſelbſt haben die Polen gekämpft. Sie<lb/> jagten ſingend den Feind, wie Knaben nach Schmet¬<lb/> terlinge jagen; ſie ſtürzten ſich auf die Kanonen und<lb/> nahmen ſie, wie man Blumen bricht. Männer, Kin¬<lb/> der, Greiſe, drei Geſchlechter, drei Zeiten waren in<lb/> der Schlacht und die Ruſſen, wie feige Meuchelmör¬<lb/> der, ſchoſſen aus dem Dickicht der Wälder heraus.<lb/> Was wird es helfen? Jeder Sieg bringt die Po¬<lb/> len ihrem Untergange näher. Sie ſind zu ſchwach,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0131]
Samſtag, den 5. März.
Die armen Polen werden wohl jetzt geſtorben
ſeyn. Sie ſind glücklicher als ich. Dem entſetzli¬
chen Schauplatz näher, wiſſen Sie ſchon das
Schlimmſte. Seit Vorgeſtern habe ich keine Kraft,
eine Feder zu führen, ich konnte nicht leſen, nicht
denken, ich konnte nicht einmal weinen und beten;
nur fluchen konnte ich. Geſiegt haben die Polen
ſchon vier Tage lang, aber entſchieden iſt noch nichts,
und geſtern ſind gar keine Nachrichten gekommen.
Man ſprach von einem Couriere, den der ruſſiſche Ge¬
ſandte erhalten; die Ruſſen wären in Warſchau ein¬
gerückt. Aber wenn das wahr wäre, hätte man ſchon
den Jubel der beſoffenen Knechte gehört, an den Feſt¬
tagen ihrer Herren, und die deutſchen Blätter von
geſtern erzählen nichts. Nicht wie Menſchen, wie
Kriegsgötter ſelbſt haben die Polen gekämpft. Sie
jagten ſingend den Feind, wie Knaben nach Schmet¬
terlinge jagen; ſie ſtürzten ſich auf die Kanonen und
nahmen ſie, wie man Blumen bricht. Männer, Kin¬
der, Greiſe, drei Geſchlechter, drei Zeiten waren in
der Schlacht und die Ruſſen, wie feige Meuchelmör¬
der, ſchoſſen aus dem Dickicht der Wälder heraus.
Was wird es helfen? Jeder Sieg bringt die Po¬
len ihrem Untergange näher. Sie ſind zu ſchwach,
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