Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.dürftet Eure gewohnten Nachtlichter nicht anzünden, So lange das Schicksal bei guter Laune bleibt dürftet Eure gewohnten Nachtlichter nicht anzünden, So lange das Schickſal bei guter Laune bleibt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0137" n="123"/> dürftet Eure gewohnten Nachtlichter nicht anzünden,<lb/> und müßtet im Dunkeln zu Bette gehen.</p><lb/> <p>So lange das Schickſal bei guter Laune bleibt<lb/> und die Tyrannen neckt, wollen wir von Poſſen ſpre¬<lb/> chen. Die Zeit des Ernſtes kommt nur zu gewiß.<lb/> Verzweifelte Spieler, verdoppeln ſie immer ihren ver¬<lb/> lornen Einſatz, und da können ſie wohl einmal Alles<lb/> wieder gewinnen, ehe ſie zu Grunde gehen. Ich habe<lb/> im italieniſchen Theater den Don Juan gehört.<lb/> Seit vierzehn Tagen ſchon hatte ich mein Billet dazu.<lb/> Dreimal wurde die Oper angekündigt und dreimal<lb/> wieder abgeſagt, weil die Malibran katarrhaliſche<lb/> Launen bekam! Endlich kam es zur Aufführung. Ich<lb/> rechnete ſo ſicher auf mein Entzücken, als man auf<lb/> das Entzücken jedes deutſchen Landes rechnen kann,<lb/> ſo oft ein Erbprinz wird geboren werden — morgen,<lb/> übermorgen, über's Jahr, im zwanzigſten Jahrhun¬<lb/> dert, im dreißigſten, im ſiebentauſendſten, im erſten<lb/> Jahrhunderte nach dem Untergange der Welt; denn<lb/> die Natur kann untergehen, aber deutſche Treue nicht.<lb/> Doch wie kam es ganz anders — nämlich mit Don<lb/> Juan. Eingeſchlafen bin ich nicht, denn es war die<lb/> intereſſanteſte Langeweile, die ich je empfunden. Uns<lb/> Deutſchen iſt der Juan wie das Vaterunſer; wir<lb/> ſind damit aufgewachſen: er war uns zugleich a b c<lb/> und hohe Schule der Muſik. Aber was haben dieſe<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [123/0137]
dürftet Eure gewohnten Nachtlichter nicht anzünden,
und müßtet im Dunkeln zu Bette gehen.
So lange das Schickſal bei guter Laune bleibt
und die Tyrannen neckt, wollen wir von Poſſen ſpre¬
chen. Die Zeit des Ernſtes kommt nur zu gewiß.
Verzweifelte Spieler, verdoppeln ſie immer ihren ver¬
lornen Einſatz, und da können ſie wohl einmal Alles
wieder gewinnen, ehe ſie zu Grunde gehen. Ich habe
im italieniſchen Theater den Don Juan gehört.
Seit vierzehn Tagen ſchon hatte ich mein Billet dazu.
Dreimal wurde die Oper angekündigt und dreimal
wieder abgeſagt, weil die Malibran katarrhaliſche
Launen bekam! Endlich kam es zur Aufführung. Ich
rechnete ſo ſicher auf mein Entzücken, als man auf
das Entzücken jedes deutſchen Landes rechnen kann,
ſo oft ein Erbprinz wird geboren werden — morgen,
übermorgen, über's Jahr, im zwanzigſten Jahrhun¬
dert, im dreißigſten, im ſiebentauſendſten, im erſten
Jahrhunderte nach dem Untergange der Welt; denn
die Natur kann untergehen, aber deutſche Treue nicht.
Doch wie kam es ganz anders — nämlich mit Don
Juan. Eingeſchlafen bin ich nicht, denn es war die
intereſſanteſte Langeweile, die ich je empfunden. Uns
Deutſchen iſt der Juan wie das Vaterunſer; wir
ſind damit aufgewachſen: er war uns zugleich a b c
und hohe Schule der Muſik. Aber was haben dieſe
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