Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Italiener, diese parisirten Italiener daraus gemacht! Italiener, dieſe pariſirten Italiener daraus gemacht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0138" n="124"/> Italiener, dieſe pariſirten Italiener daraus gemacht!<lb/> Die wiſſen noch weniger von Gott und Teufel, von<lb/> Himmel und Hölle, als wir Deutſchen von der Erde<lb/> wiſſen. Es ſchien, als wäre ihnen die Muſik zu<lb/> vornehm, ſie waren ſchüchtern, ängſtlich, es war als<lb/> ſtänden ſie auf glattem Marmorboden eines Pallaſtes,<lb/> vor einem Könige auf ſeinem Throne, Sie ſchwank¬<lb/> ten und ſtammelten. Was ſie vortrugen, war alles<lb/> ſchön, alles richtig; aber es war einſtudirt und der<lb/> Ceremonien-Meiſter hatte jede ihrer Bewegungen ge¬<lb/> ordnet. Die Bruſt war ihnen zwiſchen den beiden<lb/> Taktſtrichen eingeengt und ſie wagten nicht tiefer zu<lb/> athmen, als es die Note vorſchrieb, und die Mali¬<lb/> bran nicht beſſer als die Andern. Sie dauerte mich<lb/> und ich hätte ihr zurufen mögen: aber, liebes Kind,<lb/> wovor fürchten ſie ſich denn? Mozart iſt am Ende<lb/> doch auch nur ein Menſch wie Roſſini, welche Zer¬<lb/> line! Ich erinnere mich, wie ich als Junge die<lb/> Flöte ſpielen lernte, bei Herrn *** (der Lehrer war<lb/> ganz des Schülers würdig), und wir im Duette<lb/> Zerlinens ſüßes Wundlied blieſen. Sie können ſich<lb/> denken, daß wir das ſüße Wundlied wie ein Pflaſter¬<lb/> lied herabgeſtrichen. Aber doch klingt es mir heute<lb/> noch ſchöner aus jenen entfernten Jahren zurück, als<lb/> es mir aus der Bruſt der Malibran tönte. Es war<lb/> kein Glaube und keine Liebe darin. Gekleidet war<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0138]
Italiener, dieſe pariſirten Italiener daraus gemacht!
Die wiſſen noch weniger von Gott und Teufel, von
Himmel und Hölle, als wir Deutſchen von der Erde
wiſſen. Es ſchien, als wäre ihnen die Muſik zu
vornehm, ſie waren ſchüchtern, ängſtlich, es war als
ſtänden ſie auf glattem Marmorboden eines Pallaſtes,
vor einem Könige auf ſeinem Throne, Sie ſchwank¬
ten und ſtammelten. Was ſie vortrugen, war alles
ſchön, alles richtig; aber es war einſtudirt und der
Ceremonien-Meiſter hatte jede ihrer Bewegungen ge¬
ordnet. Die Bruſt war ihnen zwiſchen den beiden
Taktſtrichen eingeengt und ſie wagten nicht tiefer zu
athmen, als es die Note vorſchrieb, und die Mali¬
bran nicht beſſer als die Andern. Sie dauerte mich
und ich hätte ihr zurufen mögen: aber, liebes Kind,
wovor fürchten ſie ſich denn? Mozart iſt am Ende
doch auch nur ein Menſch wie Roſſini, welche Zer¬
line! Ich erinnere mich, wie ich als Junge die
Flöte ſpielen lernte, bei Herrn *** (der Lehrer war
ganz des Schülers würdig), und wir im Duette
Zerlinens ſüßes Wundlied blieſen. Sie können ſich
denken, daß wir das ſüße Wundlied wie ein Pflaſter¬
lied herabgeſtrichen. Aber doch klingt es mir heute
noch ſchöner aus jenen entfernten Jahren zurück, als
es mir aus der Bruſt der Malibran tönte. Es war
kein Glaube und keine Liebe darin. Gekleidet war
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