Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Worte gewechselt, oder ihr eine Minute lang zuge¬ 11*
Worte gewechſelt, oder ihr eine Minute lang zuge¬ 11*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0177" n="163"/> Worte gewechſelt, oder ihr eine Minute lang zuge¬<lb/> lächelt, iſt ihre Galanterie erſchöpft. Das iſt ſehr<lb/> bequem, aber das Ballet muß dabei zu Grunde ge¬<lb/> hen. Das Tanzen auf den Bällen müßten Sie<lb/> ſehen. Es iſt gar kein Tanzen, es iſt nicht einmal<lb/> rechtes Gehen. Vier Paare ſtellen ſich einander<lb/> gegenüber, reichen ſich verdrießlich, und ohne ſich da¬<lb/> bei anzuſehen, die Hände, und ſchleichen ſo matt auf<lb/> ihren Beinen herum, als wären ſie erſt einen Tag<lb/> vorher von der <hi rendition="#aq">Cholera morbus</hi> aufgeſtanden. An<lb/> angenehme Touren, an Pas iſt nicht zu denken.<lb/> Ich kann Sie verſichern, das ich mit meinen alten<lb/> Pas vom Langerhans aus der Gellenhäuſer-Gaſſe in<lb/> Paris Aufſehen machen würde. Zu ſpät fiel mir<lb/> ein, wie dumm ich geweſen, daß ich auf dem großen<lb/> Opernball, wo ich von der Hitze und dem Gedränge<lb/> ſo vieles auszuſtehen hatte, nicht getanzt. Man<lb/> hätte mir, wie jedem Tänzer Platz gemacht, und ich<lb/> hätte mich ausruhen können, vom Gehen und vom<lb/> Nichttanzen. Auch habe ich mir feſt vorgenommen,<lb/> wenn ich hier wieder in ein ſolches Ballgedränge<lb/> komme, mich in eine Quadrille zu flüchten, und dort<lb/> das Glück der Ruhe zu genießen. Nicht zu vergeſ¬<lb/> ſen, ich habe hier noch kein Frauenzimmer einen Knix<lb/> machen ſehen. O Zeiten! O Sitten! O ihr<lb/> <fw place="bottom" type="sig">11<hi rendition="#sup">*</hi><lb/></fw></p> <p> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [163/0177]
Worte gewechſelt, oder ihr eine Minute lang zuge¬
lächelt, iſt ihre Galanterie erſchöpft. Das iſt ſehr
bequem, aber das Ballet muß dabei zu Grunde ge¬
hen. Das Tanzen auf den Bällen müßten Sie
ſehen. Es iſt gar kein Tanzen, es iſt nicht einmal
rechtes Gehen. Vier Paare ſtellen ſich einander
gegenüber, reichen ſich verdrießlich, und ohne ſich da¬
bei anzuſehen, die Hände, und ſchleichen ſo matt auf
ihren Beinen herum, als wären ſie erſt einen Tag
vorher von der Cholera morbus aufgeſtanden. An
angenehme Touren, an Pas iſt nicht zu denken.
Ich kann Sie verſichern, das ich mit meinen alten
Pas vom Langerhans aus der Gellenhäuſer-Gaſſe in
Paris Aufſehen machen würde. Zu ſpät fiel mir
ein, wie dumm ich geweſen, daß ich auf dem großen
Opernball, wo ich von der Hitze und dem Gedränge
ſo vieles auszuſtehen hatte, nicht getanzt. Man
hätte mir, wie jedem Tänzer Platz gemacht, und ich
hätte mich ausruhen können, vom Gehen und vom
Nichttanzen. Auch habe ich mir feſt vorgenommen,
wenn ich hier wieder in ein ſolches Ballgedränge
komme, mich in eine Quadrille zu flüchten, und dort
das Glück der Ruhe zu genießen. Nicht zu vergeſ¬
ſen, ich habe hier noch kein Frauenzimmer einen Knix
machen ſehen. O Zeiten! O Sitten! O ihr
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