Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.Ballet ist, aus der schönen Zeit vor der Sündfluth. Ballet iſt, aus der ſchönen Zeit vor der Sündfluth. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0176" n="162"/> Ballet iſt, aus der ſchönen Zeit vor der Sündfluth.<lb/> Seit der Revolution iſt in Frankreich die Tanzkunſt<lb/> ſehr in Verfall gekommen, und ich kann mir das<lb/> erklären. Früher war das geſellige Leben in Frank¬<lb/> reich ſelbſt ein beſtändiges Tanzen. Jede körperliche<lb/> Bewegung war abgemeſſen, anſtändig, würdig und<lb/> geſchmackvoll, nach dem Geſchmacke der Zeit. So<lb/> fand die Tanzkunſt, die ein ferneres Ziel hat als<lb/> die Tanznatur, ehe ſie ihre Laufbahn begann, den<lb/> halben Weg ſchon zurückgelegt. Jetzt aber iſt das<lb/> ganz anders. Da alle Stände gleich ſind, in der<lb/> öffentlichen Achtung wie vor dem Geſetze, bemüht<lb/> ſich keiner mehr durch ein feineres Aeußere zu zeigen,<lb/> daß er einem höhern Stande angehört. Man ſucht<lb/> den Weibern nicht mehr zu gefallen, und mit der<lb/> Zärtlichkeit ging bei den Männern auch alles Zarte<lb/> verloren. Es iſt unglaublich, mit welcher Unritter¬<lb/> lichkeit hier die Frauenzimmer von dem männlichen<lb/> Geſchlechte behandelt werden. Wenn nicht eine zu¬<lb/> fällige perſönliche Neigung ſtattfindet, auf das Ge¬<lb/> ſchlecht als ſolches wird gar keine Rückſicht genom¬<lb/> men. Die jungen Leute treten mit weniger Umſtän¬<lb/> den in eine Geſellſchaft als in ein Kaffeehaus ein;<lb/> kaum daß ſie ſich verneigen, viel, wenn ſie grüßen.<lb/> Haben ſie mit der Frau vom Hauſe einige unhörbare<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0176]
Ballet iſt, aus der ſchönen Zeit vor der Sündfluth.
Seit der Revolution iſt in Frankreich die Tanzkunſt
ſehr in Verfall gekommen, und ich kann mir das
erklären. Früher war das geſellige Leben in Frank¬
reich ſelbſt ein beſtändiges Tanzen. Jede körperliche
Bewegung war abgemeſſen, anſtändig, würdig und
geſchmackvoll, nach dem Geſchmacke der Zeit. So
fand die Tanzkunſt, die ein ferneres Ziel hat als
die Tanznatur, ehe ſie ihre Laufbahn begann, den
halben Weg ſchon zurückgelegt. Jetzt aber iſt das
ganz anders. Da alle Stände gleich ſind, in der
öffentlichen Achtung wie vor dem Geſetze, bemüht
ſich keiner mehr durch ein feineres Aeußere zu zeigen,
daß er einem höhern Stande angehört. Man ſucht
den Weibern nicht mehr zu gefallen, und mit der
Zärtlichkeit ging bei den Männern auch alles Zarte
verloren. Es iſt unglaublich, mit welcher Unritter¬
lichkeit hier die Frauenzimmer von dem männlichen
Geſchlechte behandelt werden. Wenn nicht eine zu¬
fällige perſönliche Neigung ſtattfindet, auf das Ge¬
ſchlecht als ſolches wird gar keine Rückſicht genom¬
men. Die jungen Leute treten mit weniger Umſtän¬
den in eine Geſellſchaft als in ein Kaffeehaus ein;
kaum daß ſie ſich verneigen, viel, wenn ſie grüßen.
Haben ſie mit der Frau vom Hauſe einige unhörbare
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