zurückkehren! Hätten sie nur wenigstens eine italieni¬ sche Oper wie hier! Aber keine Freiheit und keine Malibran, keinen Styx und keinen Lethe!
-- Ich schrieb Ihnen neulich von einem Ge¬ mälde, die Schlachttage im Juli darstellend, das ich gesehen. Da war aber doch mehr der Stoff, der mir Freude gemacht, die Phantasie mußte sich das Uebrige erst selbst verschaffen; denn Vieles fehlte, das Gemälde hatte keinen großen Kunstwerth. Jetzt ist aber im Diorama ein Gemälde gleicher Art aufge¬ stellt, das alles selbst leistet und von der Phantasie nichts fordert. Die Vertheidigung und Eroberung des Stadthauses wird vorgestellt, und die Täuschung ist auf das Höchste getrieben. Es ist ganz ein Schlachtfeld, nur ohne Gefahr. Die Sonne liegt heiß auf dem Pflaster und brennt auf dem Gesichte der Streitenden. Die Luft ist so rein, daß man durch den zarten Pulverdampf siehet. Menschen und Pferde bluten und verbluten. In der Mitte des Platzes siehet man einen Zögling der polytechni¬ schen Schule, in der linken Hand die dreifarbige Fahne, in der rechten den Degen haltend. Er ste¬ het mit dem linken Fuße auf einer Kiste, mit dem rechten auf einem höheren Fasse, und ist eben im Begriffe, sich hinauf zu schwingen, um oben die
zurückkehren! Hätten ſie nur wenigſtens eine italieni¬ ſche Oper wie hier! Aber keine Freiheit und keine Malibran, keinen Styx und keinen Lethe!
— Ich ſchrieb Ihnen neulich von einem Ge¬ mälde, die Schlachttage im Juli darſtellend, das ich geſehen. Da war aber doch mehr der Stoff, der mir Freude gemacht, die Phantaſie mußte ſich das Uebrige erſt ſelbſt verſchaffen; denn Vieles fehlte, das Gemälde hatte keinen großen Kunſtwerth. Jetzt iſt aber im Diorama ein Gemälde gleicher Art aufge¬ ſtellt, das alles ſelbſt leiſtet und von der Phantaſie nichts fordert. Die Vertheidigung und Eroberung des Stadthauſes wird vorgeſtellt, und die Täuſchung iſt auf das Höchſte getrieben. Es iſt ganz ein Schlachtfeld, nur ohne Gefahr. Die Sonne liegt heiß auf dem Pflaſter und brennt auf dem Geſichte der Streitenden. Die Luft iſt ſo rein, daß man durch den zarten Pulverdampf ſiehet. Menſchen und Pferde bluten und verbluten. In der Mitte des Platzes ſiehet man einen Zögling der polytechni¬ ſchen Schule, in der linken Hand die dreifarbige Fahne, in der rechten den Degen haltend. Er ſte¬ het mit dem linken Fuße auf einer Kiſte, mit dem rechten auf einem höheren Faſſe, und iſt eben im Begriffe, ſich hinauf zu ſchwingen, um oben die
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zurückkehren! Hätten ſie nur wenigſtens eine italieni¬
ſche Oper wie hier! Aber keine Freiheit und keine
Malibran, keinen Styx und keinen Lethe!
— Ich ſchrieb Ihnen neulich von einem Ge¬
mälde, die Schlachttage im Juli darſtellend, das ich
geſehen. Da war aber doch mehr der Stoff, der
mir Freude gemacht, die Phantaſie mußte ſich das
Uebrige erſt ſelbſt verſchaffen; denn Vieles fehlte, das
Gemälde hatte keinen großen Kunſtwerth. Jetzt iſt
aber im Diorama ein Gemälde gleicher Art aufge¬
ſtellt, das alles ſelbſt leiſtet und von der Phantaſie
nichts fordert. Die Vertheidigung und Eroberung
des Stadthauſes wird vorgeſtellt, und die Täuſchung
iſt auf das Höchſte getrieben. Es iſt ganz ein
Schlachtfeld, nur ohne Gefahr. Die Sonne liegt
heiß auf dem Pflaſter und brennt auf dem Geſichte
der Streitenden. Die Luft iſt ſo rein, daß man
durch den zarten Pulverdampf ſiehet. Menſchen
und Pferde bluten und verbluten. In der Mitte
des Platzes ſiehet man einen Zögling der polytechni¬
ſchen Schule, in der linken Hand die dreifarbige
Fahne, in der rechten den Degen haltend. Er ſte¬
het mit dem linken Fuße auf einer Kiſte, mit dem
rechten auf einem höheren Faſſe, und iſt eben im
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/29>, abgerufen am 16.07.2024.
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