Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.süßesten schmecken. Der österreichische Staat ist eine -- Ich habe herzlich darüber lachen müssen, ſüßeſten ſchmecken. Der öſterreichiſche Staat iſt eine — Ich habe herzlich darüber lachen müſſen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="14"/> ſüßeſten ſchmecken. Der öſterreichiſche Staat iſt eine<lb/> ſeelenloſe Dampfmaſchine, aber keine <hi rendition="#g">mit hohem<lb/> Drucke</hi>. Sie wiſſen dort genau zu berechnen; wie<lb/> weit man es treiben darf, ohne daß der Keſſel platze,<lb/> und laſſen darum zuweilen Rauch aus dem Schorn¬<lb/> ſteine — <hi rendition="#g">nach oben</hi>, in den höhern Ständen, in<lb/> der Reſidenz; nach <hi rendition="#g">unten</hi> nie.</p><lb/> <p>— Ich habe herzlich darüber lachen müſſen,<lb/> daß die hannövriſchen Soldaten beim Einzuge in<lb/> Göttingen den Marſeiller Marſch geſpielt. Ich<lb/> glaube, die Spitzbuben haben das mit Bedacht gethan.<lb/> Sie wollten ſich wohl über die Revolutionairs luſtig<lb/> machen. Vielleicht war es auch Gutmüthigkeit. Sie<lb/> dachten, da habt ihr euern Marſeiller Marſch, ihr<lb/> wollt ja nicht mehr. Und <choice><sic>villeicht</sic><corr>vielleicht</corr></choice> wollten ſie wirk¬<lb/> lich nicht mehr. Haben Sie aber auch die Unter¬<lb/> würfigkeits-Akte der Stadt Göttingen geleſen, den<lb/> Brief, den ſie an den General geſchrieben. Das iſt<lb/> zu ſchön. Vor lauter Demuth und Zerknirſchung<lb/> wiſſen ſie nicht genug <hi rendition="#g">Hochgeburt</hi> und <hi rendition="#g">Hochwohl¬<lb/> geburt</hi> aufzutreiben. Sie kriechen unter die Erde.<lb/> So iſt der gute Deutſche! Wenn einmal ein müder<lb/> Bürger ſeinen ſchweren Bündel Unterthänigkeit ab¬<lb/> wirft, gleich hebt ihn ſein Nachbar auf, und hockt die<lb/> Laſt zu ſeiner eigenen. Und in dieſes Land ſoll ich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0028]
ſüßeſten ſchmecken. Der öſterreichiſche Staat iſt eine
ſeelenloſe Dampfmaſchine, aber keine mit hohem
Drucke. Sie wiſſen dort genau zu berechnen; wie
weit man es treiben darf, ohne daß der Keſſel platze,
und laſſen darum zuweilen Rauch aus dem Schorn¬
ſteine — nach oben, in den höhern Ständen, in
der Reſidenz; nach unten nie.
— Ich habe herzlich darüber lachen müſſen,
daß die hannövriſchen Soldaten beim Einzuge in
Göttingen den Marſeiller Marſch geſpielt. Ich
glaube, die Spitzbuben haben das mit Bedacht gethan.
Sie wollten ſich wohl über die Revolutionairs luſtig
machen. Vielleicht war es auch Gutmüthigkeit. Sie
dachten, da habt ihr euern Marſeiller Marſch, ihr
wollt ja nicht mehr. Und vielleicht wollten ſie wirk¬
lich nicht mehr. Haben Sie aber auch die Unter¬
würfigkeits-Akte der Stadt Göttingen geleſen, den
Brief, den ſie an den General geſchrieben. Das iſt
zu ſchön. Vor lauter Demuth und Zerknirſchung
wiſſen ſie nicht genug Hochgeburt und Hochwohl¬
geburt aufzutreiben. Sie kriechen unter die Erde.
So iſt der gute Deutſche! Wenn einmal ein müder
Bürger ſeinen ſchweren Bündel Unterthänigkeit ab¬
wirft, gleich hebt ihn ſein Nachbar auf, und hockt die
Laſt zu ſeiner eigenen. Und in dieſes Land ſoll ich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |