Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

(mein deutsches Herz ging mir dabei auf, wie eine
trockene Semmel in Milch). Sextett von Beethoven.
Chor aus Webers Euryanthe. Ein Musikstück für
Blas-Instrumente. Trio aus Rossini's Wilhelm Tell.
Clavier-Solo, gespielt und componirt von Kalkbrenner.
Ouvertüre aus Oberon. Aber diese Stadt der Sün¬
den, Paris -- der liebe Gott muß sie doch lieb ha¬
ben: was er nur Schönes hat, was Gutes, alles
schenkt er ihr. Die schönsten Gemälde, die besten
Sänger, die vortrefflichsten Componisten. Dieses eine
Conzert -- was hörte man da nicht alles zugleich!
Das beste Orchester der Welt. Die Aufführung der
Symphonie so vollendet, daß, wie mir H*** sagt,
man dieses gar nicht merke. Ich erkläre mir das in
dem Sinne: um einzusehen, wie vollkommen etwas
sei, muß daran noch etwas mangeln. Ist die Voll¬
kommenheit ganz erreicht, verliert man den Stand¬
punkt der Vergleichung. In einem Conzerte hör¬
ten wir: Kalkbrenner, den ersten Clavirspie¬
ler; Baillot, den ersten Violinspieler; Tü¬
lon
, den ersten Flötenspieler; Voigt, den ersten
Hautboisten; und Nourrit, den besten französischen
Sänger. Das ganze Orchester erschien in der Na¬
tionalgarde-Uniform Baillot ist Offizier, Nourrit
auch. Der eine geigte, der Andere sang mit Epau¬
lettes. Ich wollte, hannövrische Offiziere von den

(mein deutſches Herz ging mir dabei auf, wie eine
trockene Semmel in Milch). Sextett von Beethoven.
Chor aus Webers Euryanthe. Ein Muſikſtück für
Blas-Inſtrumente. Trio aus Roſſini's Wilhelm Tell.
Clavier-Solo, geſpielt und componirt von Kalkbrenner.
Ouvertüre aus Oberon. Aber dieſe Stadt der Sün¬
den, Paris — der liebe Gott muß ſie doch lieb ha¬
ben: was er nur Schönes hat, was Gutes, alles
ſchenkt er ihr. Die ſchönſten Gemälde, die beſten
Sänger, die vortrefflichſten Componiſten. Dieſes eine
Conzert — was hörte man da nicht alles zugleich!
Das beſte Orcheſter der Welt. Die Aufführung der
Symphonie ſo vollendet, daß, wie mir H*** ſagt,
man dieſes gar nicht merke. Ich erkläre mir das in
dem Sinne: um einzuſehen, wie vollkommen etwas
ſei, muß daran noch etwas mangeln. Iſt die Voll¬
kommenheit ganz erreicht, verliert man den Stand¬
punkt der Vergleichung. In einem Conzerte hör¬
ten wir: Kalkbrenner, den erſten Clavirſpie¬
ler; Baillot, den erſten Violinſpieler; Tü¬
lon
, den erſten Flötenſpieler; Voigt, den erſten
Hautboiſten; und Nourrit, den beſten franzöſiſchen
Sänger. Das ganze Orcheſter erſchien in der Na¬
tionalgarde-Uniform Baillot iſt Offizier, Nourrit
auch. Der eine geigte, der Andere ſang mit Epau¬
lettes. Ich wollte, hannövriſche Offiziere von den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0041" n="27"/>
(mein deut&#x017F;ches Herz ging mir dabei auf, wie eine<lb/>
trockene Semmel in Milch). Sextett von Beethoven.<lb/>
Chor aus Webers Euryanthe. Ein Mu&#x017F;ik&#x017F;tück für<lb/>
Blas-In&#x017F;trumente. Trio aus Ro&#x017F;&#x017F;ini's Wilhelm Tell.<lb/>
Clavier-Solo, ge&#x017F;pielt und componirt von Kalkbrenner.<lb/>
Ouvertüre aus Oberon. Aber die&#x017F;e Stadt der Sün¬<lb/>
den, Paris &#x2014; der liebe Gott muß &#x017F;ie doch lieb ha¬<lb/>
ben: was er nur Schönes hat, was Gutes, alles<lb/>
&#x017F;chenkt er ihr. Die &#x017F;chön&#x017F;ten Gemälde, die be&#x017F;ten<lb/>
Sänger, die vortrefflich&#x017F;ten Componi&#x017F;ten. Die&#x017F;es eine<lb/>
Conzert &#x2014; was hörte man da nicht alles zugleich!<lb/>
Das be&#x017F;te Orche&#x017F;ter der Welt. Die Aufführung der<lb/>
Symphonie &#x017F;o vollendet, daß, wie mir H*** &#x017F;agt,<lb/>
man die&#x017F;es gar nicht merke. Ich erkläre mir das in<lb/>
dem Sinne: um einzu&#x017F;ehen, wie vollkommen etwas<lb/>
&#x017F;ei, muß daran noch etwas mangeln. I&#x017F;t die Voll¬<lb/>
kommenheit ganz erreicht, verliert man den Stand¬<lb/>
punkt der Vergleichung. In <hi rendition="#g">einem</hi> Conzerte hör¬<lb/>
ten wir: <hi rendition="#g">Kalkbrenner</hi>, den er&#x017F;ten Clavir&#x017F;pie¬<lb/>
ler; <hi rendition="#g">Baillot</hi>, den er&#x017F;ten Violin&#x017F;pieler; <hi rendition="#g">Tü¬<lb/>
lon</hi>, den er&#x017F;ten Flöten&#x017F;pieler; <hi rendition="#g">Voigt</hi>, den er&#x017F;ten<lb/>
Hautboi&#x017F;ten; und <hi rendition="#g">Nourrit</hi>, den be&#x017F;ten franzö&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Sänger. Das ganze Orche&#x017F;ter er&#x017F;chien in der Na¬<lb/>
tionalgarde-Uniform Baillot i&#x017F;t Offizier, Nourrit<lb/>
auch. Der eine geigte, der Andere &#x017F;ang mit Epau¬<lb/>
lettes. Ich wollte, hannövri&#x017F;che Offiziere von den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0041] (mein deutſches Herz ging mir dabei auf, wie eine trockene Semmel in Milch). Sextett von Beethoven. Chor aus Webers Euryanthe. Ein Muſikſtück für Blas-Inſtrumente. Trio aus Roſſini's Wilhelm Tell. Clavier-Solo, geſpielt und componirt von Kalkbrenner. Ouvertüre aus Oberon. Aber dieſe Stadt der Sün¬ den, Paris — der liebe Gott muß ſie doch lieb ha¬ ben: was er nur Schönes hat, was Gutes, alles ſchenkt er ihr. Die ſchönſten Gemälde, die beſten Sänger, die vortrefflichſten Componiſten. Dieſes eine Conzert — was hörte man da nicht alles zugleich! Das beſte Orcheſter der Welt. Die Aufführung der Symphonie ſo vollendet, daß, wie mir H*** ſagt, man dieſes gar nicht merke. Ich erkläre mir das in dem Sinne: um einzuſehen, wie vollkommen etwas ſei, muß daran noch etwas mangeln. Iſt die Voll¬ kommenheit ganz erreicht, verliert man den Stand¬ punkt der Vergleichung. In einem Conzerte hör¬ ten wir: Kalkbrenner, den erſten Clavirſpie¬ ler; Baillot, den erſten Violinſpieler; Tü¬ lon, den erſten Flötenſpieler; Voigt, den erſten Hautboiſten; und Nourrit, den beſten franzöſiſchen Sänger. Das ganze Orcheſter erſchien in der Na¬ tionalgarde-Uniform Baillot iſt Offizier, Nourrit auch. Der eine geigte, der Andere ſang mit Epau¬ lettes. Ich wollte, hannövriſche Offiziere von den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/41
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/41>, abgerufen am 03.12.2024.