Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser Casimir Perrier hat darüber gefrohlocket,
daß in den blutigen Geschichten von Lyon gar
nichts von Politik zum Vorschein gekommen, und
daß es nichts als Mord, Raub und Brand ge¬
wesen! Es sey nichts weiter, als ein Krieg der
Armen gegen die Reichen, derjenigen, die nichts
zu verlieren hätten, gegen diejenigen, die etwas
besitzen! Und diese fürchterliche Wahrheit,
die, weil sie eine ist, man in den tiefsten
Brunnen versenken müßte, hielt der wahnsinni¬
ge Mensch hoch empor, und zeigte sie aller
Welt! Die dunkeln Triebe des Volks hat er
ihm klar gemacht; seiner wilden Laune des
Augenblicks hat er durch Grundsätze Dauer
gegeben; seinen kurzsichtigen Sorgen des Ta¬
ges den Blick in ewige Noth eröffnet. Den
höchsten Grad des Wahnsinnes mögen jetzt die
Aerzte Staatskunst nennen. Um den rei¬
chen Leuten sagen zu können: Seht, ihr seyd
bedroht, ihr müßt es um eurer Sicherheit mit

Dieſer Caſimir Perrier hat daruͤber gefrohlocket,
daß in den blutigen Geſchichten von Lyon gar
nichts von Politik zum Vorſchein gekommen, und
daß es nichts als Mord, Raub und Brand ge¬
weſen! Es ſey nichts weiter, als ein Krieg der
Armen gegen die Reichen, derjenigen, die nichts
zu verlieren haͤtten, gegen diejenigen, die etwas
beſitzen! Und dieſe fuͤrchterliche Wahrheit,
die, weil ſie eine iſt, man in den tiefſten
Brunnen verſenken muͤßte, hielt der wahnſinni¬
ge Menſch hoch empor, und zeigte ſie aller
Welt! Die dunkeln Triebe des Volks hat er
ihm klar gemacht; ſeiner wilden Laune des
Augenblicks hat er durch Grundſaͤtze Dauer
gegeben; ſeinen kurzſichtigen Sorgen des Ta¬
ges den Blick in ewige Noth eroͤffnet. Den
hoͤchſten Grad des Wahnſinnes moͤgen jetzt die
Aerzte Staatskunſt nennen. Um den rei¬
chen Leuten ſagen zu koͤnnen: Seht, ihr ſeyd
bedroht, ihr muͤßt es um eurer Sicherheit mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <p><pb facs="#f0229" n="215"/>
Die&#x017F;er Ca&#x017F;imir Perrier hat daru&#x0364;ber gefrohlocket,<lb/>
daß in den blutigen Ge&#x017F;chichten von Lyon gar<lb/>
nichts von Politik zum Vor&#x017F;chein gekommen, und<lb/>
daß es nichts als Mord, Raub und Brand ge¬<lb/>
we&#x017F;en! Es &#x017F;ey nichts weiter, als ein Krieg der<lb/>
Armen gegen die Reichen, derjenigen, die nichts<lb/>
zu verlieren ha&#x0364;tten, gegen diejenigen, die etwas<lb/>
be&#x017F;itzen! Und die&#x017F;e fu&#x0364;rchterliche Wahrheit,<lb/>
die, weil &#x017F;ie eine i&#x017F;t, man in den tief&#x017F;ten<lb/>
Brunnen ver&#x017F;enken mu&#x0364;ßte, hielt der wahn&#x017F;inni¬<lb/>
ge Men&#x017F;ch hoch empor, und zeigte &#x017F;ie aller<lb/>
Welt! Die dunkeln Triebe des Volks hat er<lb/>
ihm klar gemacht; &#x017F;einer wilden Laune des<lb/>
Augenblicks hat er durch Grund&#x017F;a&#x0364;tze Dauer<lb/>
gegeben; &#x017F;einen kurz&#x017F;ichtigen Sorgen des Ta¬<lb/>
ges den Blick in ewige Noth ero&#x0364;ffnet. Den<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad des Wahn&#x017F;innes mo&#x0364;gen jetzt die<lb/>
Aerzte <hi rendition="#g">Staatskun&#x017F;t</hi> nennen. Um den rei¬<lb/>
chen Leuten &#x017F;agen zu ko&#x0364;nnen: Seht, ihr &#x017F;eyd<lb/>
bedroht, ihr mu&#x0364;ßt es um eurer Sicherheit mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0229] Dieſer Caſimir Perrier hat daruͤber gefrohlocket, daß in den blutigen Geſchichten von Lyon gar nichts von Politik zum Vorſchein gekommen, und daß es nichts als Mord, Raub und Brand ge¬ weſen! Es ſey nichts weiter, als ein Krieg der Armen gegen die Reichen, derjenigen, die nichts zu verlieren haͤtten, gegen diejenigen, die etwas beſitzen! Und dieſe fuͤrchterliche Wahrheit, die, weil ſie eine iſt, man in den tiefſten Brunnen verſenken muͤßte, hielt der wahnſinni¬ ge Menſch hoch empor, und zeigte ſie aller Welt! Die dunkeln Triebe des Volks hat er ihm klar gemacht; ſeiner wilden Laune des Augenblicks hat er durch Grundſaͤtze Dauer gegeben; ſeinen kurzſichtigen Sorgen des Ta¬ ges den Blick in ewige Noth eroͤffnet. Den hoͤchſten Grad des Wahnſinnes moͤgen jetzt die Aerzte Staatskunſt nennen. Um den rei¬ chen Leuten ſagen zu koͤnnen: Seht, ihr ſeyd bedroht, ihr muͤßt es um eurer Sicherheit mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/229
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/229>, abgerufen am 21.11.2024.