Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

schrieb ihm dieser zurück: Es möchte doch seine
Bedenklichkeit haben, eine Schrift zu verthei¬
digen, worin mit ausdrücklichen Worten stünde,
jedes Volk dürfe seinen König absetzen, sobald ihm
seine Nase nicht mehr gefiele. Geduld, himmli¬
sche Geduld! Was fange ich nun mit solchen
Menschen an, die ganz ernstlich glauben, ich hät¬
te den Völkern gerathen, ihre Fürsten zu verjagen,
sobald sie mit deren Nasen unzufrieden würden?
Wie würde es mir ergehen, wenn ich gegen sol¬
che Anschuldigungen mich vor deutschen Rich¬
tern zu vertheidigen hätte? Wenn ich sagte:
Meine Herrn, Sie müssen das nicht so wörtlich
nehmen -- nun, ich glaube, das glaubten sie
mir vielleicht. Was würde mich das aber nü¬
tzen? Sie würden erwiedern: Sie hätten aber
bedenken sollen, daß Sie nicht blos für gebil¬
dete Leser schreiben, sondern daß auch eine große
Zahl Ungebildeter Ihre Werke liest, die keiner
Ueberlegung fähig, sich nur an den Wortver¬

ſchrieb ihm dieſer zuruͤck: Es moͤchte doch ſeine
Bedenklichkeit haben, eine Schrift zu verthei¬
digen, worin mit ausdruͤcklichen Worten ſtuͤnde,
jedes Volk duͤrfe ſeinen Koͤnig abſetzen, ſobald ihm
ſeine Naſe nicht mehr gefiele. Geduld, himmli¬
ſche Geduld! Was fange ich nun mit ſolchen
Menſchen an, die ganz ernſtlich glauben, ich haͤt¬
te den Voͤlkern gerathen, ihre Fuͤrſten zu verjagen,
ſobald ſie mit deren Naſen unzufrieden wuͤrden?
Wie wuͤrde es mir ergehen, wenn ich gegen ſol¬
che Anſchuldigungen mich vor deutſchen Rich¬
tern zu vertheidigen haͤtte? Wenn ich ſagte:
Meine Herrn, Sie muͤſſen das nicht ſo woͤrtlich
nehmen — nun, ich glaube, das glaubten ſie
mir vielleicht. Was wuͤrde mich das aber nuͤ¬
tzen? Sie wuͤrden erwiedern: Sie haͤtten aber
bedenken ſollen, daß Sie nicht blos fuͤr gebil¬
dete Leſer ſchreiben, ſondern daß auch eine große
Zahl Ungebildeter Ihre Werke lieſt, die keiner
Ueberlegung faͤhig, ſich nur an den Wortver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0275" n="261"/>
&#x017F;chrieb ihm die&#x017F;er zuru&#x0364;ck: Es mo&#x0364;chte doch &#x017F;eine<lb/>
Bedenklichkeit haben, eine Schrift zu verthei¬<lb/>
digen, worin mit ausdru&#x0364;cklichen Worten &#x017F;tu&#x0364;nde,<lb/>
jedes Volk du&#x0364;rfe &#x017F;einen Ko&#x0364;nig ab&#x017F;etzen, &#x017F;obald ihm<lb/>
&#x017F;eine Na&#x017F;e nicht mehr gefiele. Geduld, himmli¬<lb/>
&#x017F;che Geduld! Was fange ich nun mit &#x017F;olchen<lb/>
Men&#x017F;chen an, die ganz ern&#x017F;tlich glauben, ich ha&#x0364;<lb/>
te den Vo&#x0364;lkern gerathen, ihre Fu&#x0364;r&#x017F;ten zu verjagen,<lb/>
&#x017F;obald &#x017F;ie mit deren Na&#x017F;en unzufrieden wu&#x0364;rden?<lb/>
Wie wu&#x0364;rde es mir ergehen, wenn ich gegen &#x017F;ol¬<lb/>
che An&#x017F;chuldigungen mich vor deut&#x017F;chen Rich¬<lb/>
tern zu vertheidigen ha&#x0364;tte? Wenn ich &#x017F;agte:<lb/>
Meine Herrn, Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en das nicht &#x017F;o wo&#x0364;rtlich<lb/>
nehmen &#x2014; nun, ich glaube, das glaubten &#x017F;ie<lb/>
mir vielleicht. Was wu&#x0364;rde mich das aber nu&#x0364;¬<lb/>
tzen? Sie wu&#x0364;rden erwiedern: Sie ha&#x0364;tten aber<lb/>
bedenken &#x017F;ollen, daß Sie nicht blos fu&#x0364;r gebil¬<lb/>
dete Le&#x017F;er &#x017F;chreiben, &#x017F;ondern daß auch eine große<lb/>
Zahl Ungebildeter Ihre Werke lie&#x017F;t, die keiner<lb/>
Ueberlegung fa&#x0364;hig, &#x017F;ich nur an den Wortver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0275] ſchrieb ihm dieſer zuruͤck: Es moͤchte doch ſeine Bedenklichkeit haben, eine Schrift zu verthei¬ digen, worin mit ausdruͤcklichen Worten ſtuͤnde, jedes Volk duͤrfe ſeinen Koͤnig abſetzen, ſobald ihm ſeine Naſe nicht mehr gefiele. Geduld, himmli¬ ſche Geduld! Was fange ich nun mit ſolchen Menſchen an, die ganz ernſtlich glauben, ich haͤt¬ te den Voͤlkern gerathen, ihre Fuͤrſten zu verjagen, ſobald ſie mit deren Naſen unzufrieden wuͤrden? Wie wuͤrde es mir ergehen, wenn ich gegen ſol¬ che Anſchuldigungen mich vor deutſchen Rich¬ tern zu vertheidigen haͤtte? Wenn ich ſagte: Meine Herrn, Sie muͤſſen das nicht ſo woͤrtlich nehmen — nun, ich glaube, das glaubten ſie mir vielleicht. Was wuͤrde mich das aber nuͤ¬ tzen? Sie wuͤrden erwiedern: Sie haͤtten aber bedenken ſollen, daß Sie nicht blos fuͤr gebil¬ dete Leſer ſchreiben, ſondern daß auch eine große Zahl Ungebildeter Ihre Werke lieſt, die keiner Ueberlegung faͤhig, ſich nur an den Wortver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/275
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/275>, abgerufen am 22.11.2024.