aus gestöbert. In meinen Briefen ereiferte ich mich darüber, daß kein Deutscher in Paris an den Kämpfen der Julitage Theil genommen. Von den deutschen Handwerksburschen, bemerkte ich, wundre mich das nicht. Diese hätten bei Freiheit und Gleichheit nichts zu gewinnen; denn während ihrer Jugend dürften sie betteln, und im Alter die Zunfttyrannen machen. Das machte den bairischen Diplomaten-Lehrjungen den Kopf verlieren, und er schrie auf: Seht Ihr, seht Ihr, wie thörigt Ihr seyd mit Eurer Staatsreform? Seht Ihr, wie die Zunftver¬ fassung gedankenlose, folgsame, leicht zu regie¬ rende Unterthanen bildet? Und Ihr wollt die Zünfte aufheben? .. So haben sie früher nicht gesprochen. Das Zunftwesen war der Herrsch¬ sucht immer lieb gewesen; aber sie vertheidig¬ ten es mit schönen Worten von Bürgerwohl¬ stand, Flor der Gewerbe; das Geheimniß ihrer schlauen Staatskunst verriethen sie nie dem
aus geſtoͤbert. In meinen Briefen ereiferte ich mich daruͤber, daß kein Deutſcher in Paris an den Kaͤmpfen der Julitage Theil genommen. Von den deutſchen Handwerksburſchen, bemerkte ich, wundre mich das nicht. Dieſe haͤtten bei Freiheit und Gleichheit nichts zu gewinnen; denn waͤhrend ihrer Jugend duͤrften ſie betteln, und im Alter die Zunfttyrannen machen. Das machte den bairiſchen Diplomaten-Lehrjungen den Kopf verlieren, und er ſchrie auf: Seht Ihr, ſeht Ihr, wie thoͤrigt Ihr ſeyd mit Eurer Staatsreform? Seht Ihr, wie die Zunftver¬ faſſung gedankenloſe, folgſame, leicht zu regie¬ rende Unterthanen bildet? Und Ihr wollt die Zuͤnfte aufheben? .. So haben ſie fruͤher nicht geſprochen. Das Zunftweſen war der Herrſch¬ ſucht immer lieb geweſen; aber ſie vertheidig¬ ten es mit ſchoͤnen Worten von Buͤrgerwohl¬ ſtand, Flor der Gewerbe; das Geheimniß ihrer ſchlauen Staatskunſt verriethen ſie nie dem
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aus geſtoͤbert. In meinen Briefen ereiferte ich
mich daruͤber, daß kein Deutſcher in Paris an
den Kaͤmpfen der Julitage Theil genommen.
Von den deutſchen Handwerksburſchen, bemerkte
ich, wundre mich das nicht. Dieſe haͤtten bei
Freiheit und Gleichheit nichts zu gewinnen;
denn waͤhrend ihrer Jugend duͤrften ſie betteln,
und im Alter die Zunfttyrannen machen. Das
machte den bairiſchen Diplomaten-Lehrjungen
den Kopf verlieren, und er ſchrie auf: Seht
Ihr, ſeht Ihr, wie thoͤrigt Ihr ſeyd mit Eurer
Staatsreform? Seht Ihr, wie die Zunftver¬
faſſung gedankenloſe, folgſame, leicht zu regie¬
rende Unterthanen bildet? Und Ihr wollt die
Zuͤnfte aufheben? .. So haben ſie fruͤher nicht
geſprochen. Das Zunftweſen war der Herrſch¬
ſucht immer lieb geweſen; aber ſie vertheidig¬
ten es mit ſchoͤnen Worten von Buͤrgerwohl¬
ſtand, Flor der Gewerbe; das Geheimniß ihrer
ſchlauen Staatskunſt verriethen ſie nie dem
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/332>, abgerufen am 24.11.2024.
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