chender Kredit. Viele Fürstensöhne meldeten sich, die Griechen glücklich zu machen. Wen unter ihnen wählen? das ist die griechische Frage. Den Edelsten, den Tapfersten, den Geistreichsten, den Muthigsten? Nein! Den, der am meisten Kre¬ dit hat; den, der seine Minister, Oberstallmeister, Gesandte, Hofmarschälle, Oberkammerherren, und ad¬ ligen Garde-Offiziere am besten bezahlen kann. Herr von Gagern erkundigt sich also sorgfältig "bei dem ersten europäischen Wechsel-Hause" (also bei Herrn von Rothschild), welcher Fürst den mei¬ sten Kredit habe? Herr von Rothschild schlägt in seinem Kreditbuche nach, es standen alle Fürsten Eu¬ ropas darin, nur der einzige Prinz Friedrich der Niederlande nicht. Herr von Rothschild schließt mit Recht daraus, daß ein Fürst, der nie Kredit bei ihm gesucht, des Kredits am allerwürdigsten sey. Er giebt also dem Herrn von Gagern den Bescheid: Prinz Friedrich der Niederlande hat den größten Kredit. "Also ist Prinz Friedrich der Niederlande am würdigsten, König der Griechen -- ich will sagen König der griechischen Frage -- zu werden," ruft Herr von Gagern aus. Er eilt, diesen großen Grundsatz dem Grafen Capodistrias mitzutheilen. Dieser aber ist auf Reisen, angeblich einen griechi¬ schen König zu suchen, eigentlich aber, um zu erlau¬ schen, gegen welche künftigen Ansprüche er das mos¬
chender Kredit. Viele Fürſtenſöhne meldeten ſich, die Griechen glücklich zu machen. Wen unter ihnen wählen? das iſt die griechiſche Frage. Den Edelſten, den Tapferſten, den Geiſtreichſten, den Muthigſten? Nein! Den, der am meiſten Kre¬ dit hat; den, der ſeine Miniſter, Oberſtallmeiſter, Geſandte, Hofmarſchälle, Oberkammerherren, und ad¬ ligen Garde-Offiziere am beſten bezahlen kann. Herr von Gagern erkundigt ſich alſo ſorgfältig „bei dem erſten europäiſchen Wechſel-Hauſe“ (alſo bei Herrn von Rothſchild), welcher Fürſt den mei¬ ſten Kredit habe? Herr von Rothſchild ſchlägt in ſeinem Kreditbuche nach, es ſtanden alle Fürſten Eu¬ ropas darin, nur der einzige Prinz Friedrich der Niederlande nicht. Herr von Rothſchild ſchließt mit Recht daraus, daß ein Fürſt, der nie Kredit bei ihm geſucht, des Kredits am allerwürdigſten ſey. Er giebt alſo dem Herrn von Gagern den Beſcheid: Prinz Friedrich der Niederlande hat den größten Kredit. „Alſo iſt Prinz Friedrich der Niederlande am würdigſten, König der Griechen — ich will ſagen König der griechiſchen Frage — zu werden,“ ruft Herr von Gagern aus. Er eilt, dieſen großen Grundſatz dem Grafen Capodiſtrias mitzutheilen. Dieſer aber iſt auf Reiſen, angeblich einen griechi¬ ſchen König zu ſuchen, eigentlich aber, um zu erlau¬ ſchen, gegen welche künftigen Anſprüche er das mos¬
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chender Kredit. Viele Fürſtenſöhne meldeten ſich,
die Griechen glücklich zu machen. Wen unter ihnen
wählen? das iſt die griechiſche Frage. Den
Edelſten, den Tapferſten, den Geiſtreichſten, den
Muthigſten? Nein! Den, der am meiſten Kre¬
dit hat; den, der ſeine Miniſter, Oberſtallmeiſter,
Geſandte, Hofmarſchälle, Oberkammerherren, und ad¬
ligen Garde-Offiziere am beſten bezahlen kann.
Herr von Gagern erkundigt ſich alſo ſorgfältig „bei
dem erſten europäiſchen Wechſel-Hauſe“ (alſo
bei Herrn von Rothſchild), welcher Fürſt den mei¬
ſten Kredit habe? Herr von Rothſchild ſchlägt in
ſeinem Kreditbuche nach, es ſtanden alle Fürſten Eu¬
ropas darin, nur der einzige Prinz Friedrich der
Niederlande nicht. Herr von Rothſchild ſchließt
mit Recht daraus, daß ein Fürſt, der nie Kredit bei
ihm geſucht, des Kredits am allerwürdigſten ſey. Er
giebt alſo dem Herrn von Gagern den Beſcheid:
Prinz Friedrich der Niederlande hat den größten
Kredit. „Alſo iſt Prinz Friedrich der Niederlande
am würdigſten, König der Griechen — ich will ſagen
König der griechiſchen Frage — zu werden,“ ruft
Herr von Gagern aus. Er eilt, dieſen großen
Grundſatz dem Grafen Capodiſtrias mitzutheilen.
Dieſer aber iſt auf Reiſen, angeblich einen griechi¬
ſchen König zu ſuchen, eigentlich aber, um zu erlau¬
ſchen, gegen welche künftigen Anſprüche er das mos¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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