aufmerksam. Der Sieg wird entscheidender -- sie werden bedenklich. Ein Volk soll die Freiheit erwer¬ ben, ohne sie und trotz ihnen? Nein! Sie lassen den Griechen sagen: Ihr seyd zu schwach, wir wollen euch helfen. Sie schicken ihre Flotten ab, die Grie¬ chen von ihren Feinden zu trennen, damit sie nicht den letzten Sieg erringen. Ein edelmüthiger Staats¬ mann läßt sich von seinem Herzen hinreißen und giebt den Befehl, daß man die Flotte der Türken zerstöre. Codrington siegt und die christlichen Mächte trauern und zürnen. Der Admiral wird zurückgeru¬ fen und wie ein Schulbube ausgescholten. Die Griechen sind frei! Dieser Angstruf schallt von Hof zu Hof. Wie ist dem Verderben Einhalt zu thun? Darauf sinnen jetzt die Räthe der Fürsten. Es giebt viele magere Fürstensöhne in Europa, die kann man mästen mit dem Fleische und Blute der Griechen -- also monarchische Verfassung. Die Griechen sind begeistert, sie leiden an der ge¬ fährlichsten Brustentzündung; schnell, nur ja recht schnell das stärkste freiheittreibende Mittel -- also deutsche Leibwache. Aber kein Königsohn wird der Narr seyn, sein eignes Geld nach Griechenland zu bringen, die Griechen müssen ihn aus ihrem Beu¬ tel bezahlen, wenn er sie glücklich machen soll; aber die Griechen sind arm, sie müssen also borgen; ihr König thut es in ihrem Namen -- also hinrei¬
aufmerkſam. Der Sieg wird entſcheidender — ſie werden bedenklich. Ein Volk ſoll die Freiheit erwer¬ ben, ohne ſie und trotz ihnen? Nein! Sie laſſen den Griechen ſagen: Ihr ſeyd zu ſchwach, wir wollen euch helfen. Sie ſchicken ihre Flotten ab, die Grie¬ chen von ihren Feinden zu trennen, damit ſie nicht den letzten Sieg erringen. Ein edelmüthiger Staats¬ mann läßt ſich von ſeinem Herzen hinreißen und giebt den Befehl, daß man die Flotte der Türken zerſtöre. Codrington ſiegt und die chriſtlichen Mächte trauern und zürnen. Der Admiral wird zurückgeru¬ fen und wie ein Schulbube ausgeſcholten. Die Griechen ſind frei! Dieſer Angſtruf ſchallt von Hof zu Hof. Wie iſt dem Verderben Einhalt zu thun? Darauf ſinnen jetzt die Räthe der Fürſten. Es giebt viele magere Fürſtenſöhne in Europa, die kann man mäſten mit dem Fleiſche und Blute der Griechen — alſo monarchiſche Verfaſſung. Die Griechen ſind begeiſtert, ſie leiden an der ge¬ fährlichſten Bruſtentzündung; ſchnell, nur ja recht ſchnell das ſtärkſte freiheittreibende Mittel — alſo deutſche Leibwache. Aber kein Königſohn wird der Narr ſeyn, ſein eignes Geld nach Griechenland zu bringen, die Griechen müſſen ihn aus ihrem Beu¬ tel bezahlen, wenn er ſie glücklich machen ſoll; aber die Griechen ſind arm, ſie müſſen alſo borgen; ihr König thut es in ihrem Namen — alſo hinrei¬
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aufmerkſam. Der Sieg wird entſcheidender — ſie
werden bedenklich. Ein Volk ſoll die Freiheit erwer¬
ben, ohne ſie und trotz ihnen? Nein! Sie laſſen
den Griechen ſagen: Ihr ſeyd zu ſchwach, wir wollen
euch helfen. Sie ſchicken ihre Flotten ab, die Grie¬
chen von ihren Feinden zu trennen, damit ſie nicht
den letzten Sieg erringen. Ein edelmüthiger Staats¬
mann läßt ſich von ſeinem Herzen hinreißen und
giebt den Befehl, daß man die Flotte der Türken
zerſtöre. Codrington ſiegt und die chriſtlichen Mächte
trauern und zürnen. Der Admiral wird zurückgeru¬
fen und wie ein Schulbube ausgeſcholten. Die
Griechen ſind frei! Dieſer Angſtruf ſchallt von
Hof zu Hof. Wie iſt dem Verderben Einhalt zu
thun? Darauf ſinnen jetzt die Räthe der Fürſten.
Es giebt viele magere Fürſtenſöhne in Europa, die
kann man mäſten mit dem Fleiſche und Blute der
Griechen — alſo monarchiſche Verfaſſung.
Die Griechen ſind begeiſtert, ſie leiden an der ge¬
fährlichſten Bruſtentzündung; ſchnell, nur ja recht
ſchnell das ſtärkſte freiheittreibende Mittel — alſo
deutſche Leibwache. Aber kein Königſohn wird
der Narr ſeyn, ſein eignes Geld nach Griechenland
zu bringen, die Griechen müſſen ihn aus ihrem Beu¬
tel bezahlen, wenn er ſie glücklich machen ſoll; aber
die Griechen ſind arm, ſie müſſen alſo borgen; ihr
König thut es in ihrem Namen — alſo hinrei¬
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/120>, abgerufen am 16.02.2025.
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