Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬
stet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber spä¬
ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine
leere Floskel gebraucht, um etwas zu sagen, und daß
der Freund Recht gehabt. Selbst Heine, der doch
so fein ist in seinen Ausdrücken, und ein plumpes
Wort gar nicht verstehen sollte, bemerkte, als er sah,
wie ich mich lustig machte, über ein anderes jener
rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und
hätte ich mich blind gelesen, ich hätte die Perfidie
nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die
entweder selbst zur rohen Menge gehören, oder aus
Erfahrung besser wissen als ich, wie man auf
sie wirkt.

Die ministeriellen Blätter, die Hofzeitungen,
warum schreiben sie denn so plump, warum schimp¬
fen sie so pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬
heit? Glauben Sie, weil sie nicht fein zu seyn ver¬
stehen? O nein! Sie verstehen es nur zu gut.
Wenn sie einen Streit unter sich haben, Hof gegen
Hof, Fürst gegen Fürst, Macht gegen Macht, dann
kocht selbst ihr heftigster Zorn nie so stark über, daß
der trübe Schaum der Wuth zum Vorschein käme.
Haß im Herzen, haben sie die liebevollsten Worte
auf den Lippen und mit der ausgesuchtesten Höflich¬
keit stoßen sie dem Feinde ein schönes Schwert in die
Brust. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬

immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬
ſtet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber ſpä¬
ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine
leere Floskel gebraucht, um etwas zu ſagen, und daß
der Freund Recht gehabt. Selbſt Heine, der doch
ſo fein iſt in ſeinen Ausdrücken, und ein plumpes
Wort gar nicht verſtehen ſollte, bemerkte, als er ſah,
wie ich mich luſtig machte, über ein anderes jener
rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und
hätte ich mich blind geleſen, ich hätte die Perfidie
nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die
entweder ſelbſt zur rohen Menge gehören, oder aus
Erfahrung beſſer wiſſen als ich, wie man auf
ſie wirkt.

Die miniſteriellen Blätter, die Hofzeitungen,
warum ſchreiben ſie denn ſo plump, warum ſchimp¬
fen ſie ſo pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬
heit? Glauben Sie, weil ſie nicht fein zu ſeyn ver¬
ſtehen? O nein! Sie verſtehen es nur zu gut.
Wenn ſie einen Streit unter ſich haben, Hof gegen
Hof, Fürſt gegen Fürſt, Macht gegen Macht, dann
kocht ſelbſt ihr heftigſter Zorn nie ſo ſtark über, daß
der trübe Schaum der Wuth zum Vorſchein käme.
Haß im Herzen, haben ſie die liebevollſten Worte
auf den Lippen und mit der ausgeſuchteſten Höflich¬
keit ſtoßen ſie dem Feinde ein ſchönes Schwert in die
Bruſt. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0131" n="117"/>
immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬<lb/>
&#x017F;tet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber &#x017F;pä¬<lb/>
ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine<lb/>
leere Floskel gebraucht, um etwas zu &#x017F;agen, und daß<lb/>
der Freund Recht gehabt. Selb&#x017F;t Heine, der doch<lb/>
&#x017F;o fein i&#x017F;t in &#x017F;einen Ausdrücken, und ein plumpes<lb/>
Wort gar nicht ver&#x017F;tehen &#x017F;ollte, bemerkte, als er &#x017F;ah,<lb/>
wie ich mich lu&#x017F;tig machte, über ein anderes jener<lb/>
rohen Tabaksblätter, es wäre <hi rendition="#g">Perfidie</hi> darin. Und<lb/>
hätte ich mich blind gele&#x017F;en, ich hätte die Perfidie<lb/>
nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die<lb/>
entweder &#x017F;elb&#x017F;t zur rohen Menge gehören, oder aus<lb/>
Erfahrung be&#x017F;&#x017F;er wi&#x017F;&#x017F;en als ich, wie man auf<lb/>
&#x017F;ie wirkt.</p><lb/>
          <p>Die mini&#x017F;teriellen Blätter, die Hofzeitungen,<lb/>
warum &#x017F;chreiben &#x017F;ie denn &#x017F;o plump, warum &#x017F;chimp¬<lb/>
fen &#x017F;ie &#x017F;o pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬<lb/>
heit? Glauben Sie, weil &#x017F;ie nicht fein zu &#x017F;eyn ver¬<lb/>
&#x017F;tehen? O nein! Sie ver&#x017F;tehen es nur zu gut.<lb/>
Wenn &#x017F;ie einen Streit unter &#x017F;ich haben, Hof gegen<lb/>
Hof, Für&#x017F;t gegen Für&#x017F;t, Macht gegen Macht, dann<lb/>
kocht &#x017F;elb&#x017F;t ihr heftig&#x017F;ter Zorn nie &#x017F;o &#x017F;tark über, daß<lb/>
der trübe Schaum der Wuth zum Vor&#x017F;chein käme.<lb/>
Haß im Herzen, haben &#x017F;ie die liebevoll&#x017F;ten Worte<lb/>
auf den Lippen und mit der ausge&#x017F;uchte&#x017F;ten Höflich¬<lb/>
keit &#x017F;toßen &#x017F;ie dem Feinde ein &#x017F;chönes Schwert in die<lb/>
Bru&#x017F;t. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0131] immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬ ſtet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber ſpä¬ ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine leere Floskel gebraucht, um etwas zu ſagen, und daß der Freund Recht gehabt. Selbſt Heine, der doch ſo fein iſt in ſeinen Ausdrücken, und ein plumpes Wort gar nicht verſtehen ſollte, bemerkte, als er ſah, wie ich mich luſtig machte, über ein anderes jener rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und hätte ich mich blind geleſen, ich hätte die Perfidie nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die entweder ſelbſt zur rohen Menge gehören, oder aus Erfahrung beſſer wiſſen als ich, wie man auf ſie wirkt. Die miniſteriellen Blätter, die Hofzeitungen, warum ſchreiben ſie denn ſo plump, warum ſchimp¬ fen ſie ſo pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬ heit? Glauben Sie, weil ſie nicht fein zu ſeyn ver¬ ſtehen? O nein! Sie verſtehen es nur zu gut. Wenn ſie einen Streit unter ſich haben, Hof gegen Hof, Fürſt gegen Fürſt, Macht gegen Macht, dann kocht ſelbſt ihr heftigſter Zorn nie ſo ſtark über, daß der trübe Schaum der Wuth zum Vorſchein käme. Haß im Herzen, haben ſie die liebevollſten Worte auf den Lippen und mit der ausgeſuchteſten Höflich¬ keit ſtoßen ſie dem Feinde ein ſchönes Schwert in die Bruſt. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/131
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/131>, abgerufen am 21.11.2024.