Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht eher essen, trinken und schlafen sollen, bis das
rettende Gesetz angenommen und verkündigt worden.
Die Unglückseligen! Für wen denn haben sie das
Schaffot aufgerichtet, für wen haben sie das ver¬
rostete Beil des Henkers wieder blank geschliffen?
Für sich selbst. Nicht zum Zweitenmale wird
das Volk seine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht
zum zweitenmale wird es seinen Feinden das Leben
schenken.

-- Wenn Pfeilschifters Blätter für den
deutschen Adelstand
nicht eben so unsichtbar sind,
als es noch alle seine frühern Schriften waren, wenn
man sie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir
einige davon hieher zu schicken. Es ist ein Werk
der Menschlichkeit und ich wäre im Stande selbst
daran zu arbeiten. Charpie für den deutschen Adel¬
stand -- er wird sie bald nöthig haben. Zupft!
Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen gethan: doch
wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum
Menschen, sobald er krank und unglücklich geworden.
Ach, wie schön ordnet sich das jetzt alles; wir dum¬
men Demokraten hätten das nie gefunden. In den
frühesten Zeiten war das Volk nichts, der Fürst we¬
nig, der Adel Alles. Aber die Fürsten wollten mehr
werden, und verbanden sich mit dem Volke, den Adel
zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahr¬
hunderten. Die Fürsten wurden viel, der Adel sank

nicht eher eſſen, trinken und ſchlafen ſollen, bis das
rettende Geſetz angenommen und verkündigt worden.
Die Unglückſeligen! Für wen denn haben ſie das
Schaffot aufgerichtet, für wen haben ſie das ver¬
roſtete Beil des Henkers wieder blank geſchliffen?
Für ſich ſelbſt. Nicht zum Zweitenmale wird
das Volk ſeine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht
zum zweitenmale wird es ſeinen Feinden das Leben
ſchenken.

— Wenn Pfeilſchifters Blätter für den
deutſchen Adelſtand
nicht eben ſo unſichtbar ſind,
als es noch alle ſeine frühern Schriften waren, wenn
man ſie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir
einige davon hieher zu ſchicken. Es iſt ein Werk
der Menſchlichkeit und ich wäre im Stande ſelbſt
daran zu arbeiten. Charpie für den deutſchen Adel¬
ſtand — er wird ſie bald nöthig haben. Zupft!
Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen gethan: doch
wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum
Menſchen, ſobald er krank und unglücklich geworden.
Ach, wie ſchön ordnet ſich das jetzt alles; wir dum¬
men Demokraten hätten das nie gefunden. In den
früheſten Zeiten war das Volk nichts, der Fürſt we¬
nig, der Adel Alles. Aber die Fürſten wollten mehr
werden, und verbanden ſich mit dem Volke, den Adel
zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahr¬
hunderten. Die Fürſten wurden viel, der Adel ſank

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="134"/>
nicht eher e&#x017F;&#x017F;en, trinken und &#x017F;chlafen &#x017F;ollen, bis das<lb/>
rettende Ge&#x017F;etz angenommen und verkündigt worden.<lb/>
Die Unglück&#x017F;eligen! Für wen denn haben &#x017F;ie das<lb/>
Schaffot aufgerichtet, für wen haben &#x017F;ie das ver¬<lb/>
ro&#x017F;tete Beil des Henkers wieder blank ge&#x017F;chliffen?<lb/><hi rendition="#g">Für &#x017F;ich <choice><sic>&#x017F;ebl&#x017F;t</sic><corr>&#x017F;elb&#x017F;t</corr></choice></hi>. Nicht zum Zweitenmale wird<lb/>
das Volk &#x017F;eine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht<lb/>
zum zweitenmale wird es &#x017F;einen Feinden das Leben<lb/>
&#x017F;chenken.</p><lb/>
          <p>&#x2014; Wenn Pfeil&#x017F;chifters <hi rendition="#g">Blätter für den<lb/>
deut&#x017F;chen Adel&#x017F;tand</hi> nicht eben &#x017F;o un&#x017F;ichtbar &#x017F;ind,<lb/>
als es noch alle &#x017F;eine frühern Schriften waren, wenn<lb/>
man &#x017F;ie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir<lb/>
einige davon hieher zu &#x017F;chicken. Es i&#x017F;t ein Werk<lb/>
der Men&#x017F;chlichkeit und ich wäre im Stande &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
daran zu arbeiten. Charpie für den deut&#x017F;chen Adel¬<lb/>
&#x017F;tand &#x2014; er wird &#x017F;ie bald nöthig haben. Zupft!<lb/>
Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen gethan: doch<lb/>
wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum<lb/>
Men&#x017F;chen, &#x017F;obald er krank und unglücklich geworden.<lb/>
Ach, wie &#x017F;chön ordnet &#x017F;ich das jetzt alles; wir dum¬<lb/>
men Demokraten hätten das nie gefunden. In den<lb/>
frühe&#x017F;ten Zeiten war das Volk nichts, der Für&#x017F;t we¬<lb/>
nig, der Adel Alles. Aber die Für&#x017F;ten wollten mehr<lb/>
werden, und verbanden &#x017F;ich mit dem Volke, den Adel<lb/>
zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahr¬<lb/>
hunderten. Die Für&#x017F;ten wurden viel, der Adel &#x017F;ank<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0148] nicht eher eſſen, trinken und ſchlafen ſollen, bis das rettende Geſetz angenommen und verkündigt worden. Die Unglückſeligen! Für wen denn haben ſie das Schaffot aufgerichtet, für wen haben ſie das ver¬ roſtete Beil des Henkers wieder blank geſchliffen? Für ſich ſelbſt. Nicht zum Zweitenmale wird das Volk ſeine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht zum zweitenmale wird es ſeinen Feinden das Leben ſchenken. — Wenn Pfeilſchifters Blätter für den deutſchen Adelſtand nicht eben ſo unſichtbar ſind, als es noch alle ſeine frühern Schriften waren, wenn man ſie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir einige davon hieher zu ſchicken. Es iſt ein Werk der Menſchlichkeit und ich wäre im Stande ſelbſt daran zu arbeiten. Charpie für den deutſchen Adel¬ ſtand — er wird ſie bald nöthig haben. Zupft! Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen gethan: doch wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum Menſchen, ſobald er krank und unglücklich geworden. Ach, wie ſchön ordnet ſich das jetzt alles; wir dum¬ men Demokraten hätten das nie gefunden. In den früheſten Zeiten war das Volk nichts, der Fürſt we¬ nig, der Adel Alles. Aber die Fürſten wollten mehr werden, und verbanden ſich mit dem Volke, den Adel zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahr¬ hunderten. Die Fürſten wurden viel, der Adel ſank

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/148
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/148>, abgerufen am 24.11.2024.