Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

ten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich
nicht entwischte; Robert aber stellte sich mir gegen¬
über, zog ein dickes Manuskript aus der Tasche, es
waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein
Espenblatt, und er fing zu lesen an. "Heil dir im
Siegeskranz, Vater des Vaterlands!" -- Da schlug
sich Robert vor die Stirn und rief: ich Esel! da
habe ich den Waldfrevel statt der Rede eingesteckt!
Schadet aber nichts, ich weiß sie auswendig. "Edler
"Börne. Hier unter diesen Pferden, die einst die
"Franzosen schmachvoll nach Paris geführt, die wir
"aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter die¬
"sen Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen
"gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke?
"der Junge geantwortet: er denke gar nichts, wor¬
"auf Jahn gesagt: er solle daran denken, wie man
"die Pferde wieder schaffe; hier unter diesen Pferden
"denke ich" .... Lieber Robert, fiel ich ins Wort,
ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein den¬
kendes Wesen sind, aber ... doch Robert ließ sich
nicht einhalten und fuhr fort: "Hier unter diesen
"heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen
"in Athen, welche eben so viele Talente zu erbauen
"gekostet, als Sie besitzen, nehmlich tausend und
"zwölf; hier unter diesen schönen Talenten -- ich
"wollte sagen Propyläen -- wo einst die verdienten
"Männer des Alterthums auf Kosten unsers gelieb¬

ten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich
nicht entwiſchte; Robert aber ſtellte ſich mir gegen¬
über, zog ein dickes Manuſkript aus der Taſche, es
waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein
Espenblatt, und er fing zu leſen an. „Heil dir im
Siegeskranz, Vater des Vaterlands!“ — Da ſchlug
ſich Robert vor die Stirn und rief: ich Eſel! da
habe ich den Waldfrevel ſtatt der Rede eingeſteckt!
Schadet aber nichts, ich weiß ſie auswendig. „Edler
„Börne. Hier unter dieſen Pferden, die einſt die
„Franzoſen ſchmachvoll nach Paris geführt, die wir
„aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter die¬
„ſen Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen
„gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke?
„der Junge geantwortet: er denke gar nichts, wor¬
„auf Jahn geſagt: er ſolle daran denken, wie man
„die Pferde wieder ſchaffe; hier unter dieſen Pferden
„denke ich“ .... Lieber Robert, fiel ich ins Wort,
ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein den¬
kendes Weſen ſind, aber ... doch Robert ließ ſich
nicht einhalten und fuhr fort: „Hier unter dieſen
„heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen
„in Athen, welche eben ſo viele Talente zu erbauen
„gekoſtet, als Sie beſitzen, nehmlich tauſend und
„zwölf; hier unter dieſen ſchönen Talenten — ich
„wollte ſagen Propyläen — wo einſt die verdienten
„Männer des Alterthums auf Koſten unſers gelieb¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div>
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0188" n="174"/>
ten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich<lb/>
nicht entwi&#x017F;chte; Robert aber &#x017F;tellte &#x017F;ich mir gegen¬<lb/>
über, zog ein dickes Manu&#x017F;kript aus der Ta&#x017F;che, es<lb/>
waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein<lb/>
Espenblatt, und er fing zu le&#x017F;en an. &#x201E;Heil dir im<lb/>
Siegeskranz, Vater des Vaterlands!&#x201C; &#x2014; Da &#x017F;chlug<lb/>
&#x017F;ich Robert vor die Stirn und rief: ich E&#x017F;el! da<lb/>
habe ich den Waldfrevel &#x017F;tatt der Rede einge&#x017F;teckt!<lb/>
Schadet aber nichts, ich weiß &#x017F;ie auswendig. &#x201E;Edler<lb/>
&#x201E;Börne. Hier unter die&#x017F;en Pferden, die ein&#x017F;t die<lb/>
&#x201E;Franzo&#x017F;en &#x017F;chmachvoll nach Paris geführt, die wir<lb/>
&#x201E;aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter die¬<lb/>
&#x201E;&#x017F;en Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen<lb/>
&#x201E;gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke?<lb/>
&#x201E;der Junge geantwortet: er denke gar nichts, wor¬<lb/>
&#x201E;auf Jahn ge&#x017F;agt: er &#x017F;olle daran denken, wie man<lb/>
&#x201E;die Pferde wieder &#x017F;chaffe; hier unter die&#x017F;en Pferden<lb/>
&#x201E;denke ich&#x201C; .... Lieber Robert, fiel ich ins Wort,<lb/>
ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein den¬<lb/>
kendes We&#x017F;en &#x017F;ind, aber ... doch Robert ließ &#x017F;ich<lb/>
nicht einhalten und fuhr fort: &#x201E;Hier unter die&#x017F;en<lb/>
&#x201E;heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen<lb/>
&#x201E;in Athen, welche eben &#x017F;o viele Talente zu erbauen<lb/>
&#x201E;geko&#x017F;tet, als Sie be&#x017F;itzen, nehmlich tau&#x017F;end und<lb/>
&#x201E;zwölf; hier unter die&#x017F;en &#x017F;chönen Talenten &#x2014; ich<lb/>
&#x201E;wollte &#x017F;agen Propyläen &#x2014; wo ein&#x017F;t die verdienten<lb/>
&#x201E;Männer des Alterthums auf Ko&#x017F;ten un&#x017F;ers gelieb¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0188] ten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich nicht entwiſchte; Robert aber ſtellte ſich mir gegen¬ über, zog ein dickes Manuſkript aus der Taſche, es waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein Espenblatt, und er fing zu leſen an. „Heil dir im Siegeskranz, Vater des Vaterlands!“ — Da ſchlug ſich Robert vor die Stirn und rief: ich Eſel! da habe ich den Waldfrevel ſtatt der Rede eingeſteckt! Schadet aber nichts, ich weiß ſie auswendig. „Edler „Börne. Hier unter dieſen Pferden, die einſt die „Franzoſen ſchmachvoll nach Paris geführt, die wir „aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter die¬ „ſen Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen „gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke? „der Junge geantwortet: er denke gar nichts, wor¬ „auf Jahn geſagt: er ſolle daran denken, wie man „die Pferde wieder ſchaffe; hier unter dieſen Pferden „denke ich“ .... Lieber Robert, fiel ich ins Wort, ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein den¬ kendes Weſen ſind, aber ... doch Robert ließ ſich nicht einhalten und fuhr fort: „Hier unter dieſen „heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen „in Athen, welche eben ſo viele Talente zu erbauen „gekoſtet, als Sie beſitzen, nehmlich tauſend und „zwölf; hier unter dieſen ſchönen Talenten — ich „wollte ſagen Propyläen — wo einſt die verdienten „Männer des Alterthums auf Koſten unſers gelieb¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/188
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/188>, abgerufen am 24.11.2024.