Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.bürgers hat man uns geraubt, wir genießen nicht ein¬ So wurde uns gelohnt. Wir waren nicht die Verdienten wir unser Schicksal? So wenig bürgers hat man uns geraubt, wir genießen nicht ein¬ So wurde uns gelohnt. Wir waren nicht die Verdienten wir unſer Schickſal? So wenig <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0253" n="239"/> bürgers hat man uns geraubt, wir genießen nicht ein¬<lb/> mal die Menſchenrechte, die, weil ſie älter als die<lb/> bürgerliche Geſellſchaft, kein Recht unterdrücken noch<lb/> modeln darf. <hi rendition="#g">Man hat ſich uns gegenüber das<lb/> Recht der Peſt angemaaßt</hi>, <hi rendition="#g">das Recht</hi>, <hi rendition="#g">unſere<lb/> Bevölkerung zu vermindern</hi>, <hi rendition="#g">und um dieſes<lb/> fluchwürdige Ziel zu erreichen</hi>, <hi rendition="#g">verſtattet<lb/> man uns</hi>, <hi rendition="#g">die wir in Frankfurt fünftauſend<lb/> an der Zahl ſind</hi>, <hi rendition="#g">jährlich nur funfzehn<lb/> Ehen zu ſchließen</hi>. Höre es, deutſches Volk!<lb/> Und wenn <hi rendition="#g">Freiheit</hi>, <hi rendition="#g">Recht</hi>, <hi rendition="#g">Menſchlichkeit</hi> in<lb/> Deinem Wörterbuche ſtehen, erröthe, daß Du ohne<lb/> Erröthen dieſe Schmach, die das ganze Vaterland<lb/> ſchändet, ſo lange ertragen konnteſt.</p><lb/> <p>So wurde uns gelohnt. Wir waren nicht die<lb/> einzigen, aber wir waren die am meiſt Betrogenen;<lb/> und wahrlich, nicht die einzigen zu ſeyn, hat uns<lb/> mehr geſchmerzt, als die am meiſt Betrogenen<lb/> zu ſeyn.</p><lb/> <p>Verdienten wir unſer Schickſal? So wenig<lb/> als Ihr es verdientet. Doch hat es je der Tyran¬<lb/> nei an Unverſchämtheit gefehlt, wenn ſie aus Spott<lb/> eine Rechtfertigung ſucht, über die ſie ihre Gewalt<lb/> erhob? Dich, chriſtlich deutſches Volk, haben Deine<lb/> Fürſten und Edelleute als ein beſiegtes Volk, Dein<lb/> Land als ein erobertes Land behandelt. Und uns,<lb/> jüdiſch deutſchem Volke ſagte man, wir wären aus<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0253]
bürgers hat man uns geraubt, wir genießen nicht ein¬
mal die Menſchenrechte, die, weil ſie älter als die
bürgerliche Geſellſchaft, kein Recht unterdrücken noch
modeln darf. Man hat ſich uns gegenüber das
Recht der Peſt angemaaßt, das Recht, unſere
Bevölkerung zu vermindern, und um dieſes
fluchwürdige Ziel zu erreichen, verſtattet
man uns, die wir in Frankfurt fünftauſend
an der Zahl ſind, jährlich nur funfzehn
Ehen zu ſchließen. Höre es, deutſches Volk!
Und wenn Freiheit, Recht, Menſchlichkeit in
Deinem Wörterbuche ſtehen, erröthe, daß Du ohne
Erröthen dieſe Schmach, die das ganze Vaterland
ſchändet, ſo lange ertragen konnteſt.
So wurde uns gelohnt. Wir waren nicht die
einzigen, aber wir waren die am meiſt Betrogenen;
und wahrlich, nicht die einzigen zu ſeyn, hat uns
mehr geſchmerzt, als die am meiſt Betrogenen
zu ſeyn.
Verdienten wir unſer Schickſal? So wenig
als Ihr es verdientet. Doch hat es je der Tyran¬
nei an Unverſchämtheit gefehlt, wenn ſie aus Spott
eine Rechtfertigung ſucht, über die ſie ihre Gewalt
erhob? Dich, chriſtlich deutſches Volk, haben Deine
Fürſten und Edelleute als ein beſiegtes Volk, Dein
Land als ein erobertes Land behandelt. Und uns,
jüdiſch deutſchem Volke ſagte man, wir wären aus
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