Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

er den Thron besteigt, eine Million bewilligt. Nichts
empört mich mehr, als diese unverschämte Apanagi¬
rung der Erbprinzen überall. Mein Gott, wer giebt
denn dem armen Volke Warte-Geld, wenn es auf
den Tod eines bösen Fürsten ängstlich harrt? Aber
die Höfe sorgen dafür, daß die Kronprinzen schon in
ihrer frühesten Jugend an Verschwendung gewöhnt
werden; sie fürchten: in den reifern Jahren der
Thronbesteigung möchten sie vielleicht für das Laster
nicht genug Empfänglichkeit mehr haben.

Der jetzige König wird also vierzehn Millionen
bekommen, eine Civilliste, die jedem Deutschen, der,
wenn auch mit seinen Füßen, doch nie mit seinem Kopfe
Deutschland verlassen, sehr winzig erscheinen muß.
Und nach dieser Vergleichung ist sie es auch. Das
Budget von Frankreich beträgt vierzehnhundert Millio¬
nen, die Civilliste mit vierzehn Millionen würde also den
hundertsten Theil der Staatsausgaben betragen.
Das Budget von Baiern beträgt sieben und zwanzig
Millionen, und die Civilliste des Königs drei Millio¬
nen, also den neunten Theil des ganzen Staats¬
haushalts. Wenn der König von Frankreich im
gleichem Verhältnisse, wie der König von Baiern
ausgestattet wäre, würde seine Civilliste auf
155 Millionen steigen; und wenn der König von
Baiern dem Könige von Frankreich gleich gesetzt
würde, sänke sein Einkommen auf 270,000 Gulden

er den Thron beſteigt, eine Million bewilligt. Nichts
empört mich mehr, als dieſe unverſchämte Apanagi¬
rung der Erbprinzen überall. Mein Gott, wer giebt
denn dem armen Volke Warte-Geld, wenn es auf
den Tod eines böſen Fürſten ängſtlich harrt? Aber
die Höfe ſorgen dafür, daß die Kronprinzen ſchon in
ihrer früheſten Jugend an Verſchwendung gewöhnt
werden; ſie fürchten: in den reifern Jahren der
Thronbeſteigung möchten ſie vielleicht für das Laſter
nicht genug Empfänglichkeit mehr haben.

Der jetzige König wird alſo vierzehn Millionen
bekommen, eine Civilliſte, die jedem Deutſchen, der,
wenn auch mit ſeinen Füßen, doch nie mit ſeinem Kopfe
Deutſchland verlaſſen, ſehr winzig erſcheinen muß.
Und nach dieſer Vergleichung iſt ſie es auch. Das
Budget von Frankreich beträgt vierzehnhundert Millio¬
nen, die Civilliſte mit vierzehn Millionen würde alſo den
hundertſten Theil der Staatsausgaben betragen.
Das Budget von Baiern beträgt ſieben und zwanzig
Millionen, und die Civilliſte des Königs drei Millio¬
nen, alſo den neunten Theil des ganzen Staats¬
haushalts. Wenn der König von Frankreich im
gleichem Verhältniſſe, wie der König von Baiern
ausgeſtattet wäre, würde ſeine Civilliſte auf
155 Millionen ſteigen; und wenn der König von
Baiern dem Könige von Frankreich gleich geſetzt
würde, ſänke ſein Einkommen auf 270,000 Gulden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="30"/>
er den Thron be&#x017F;teigt, eine Million bewilligt. Nichts<lb/>
empört mich mehr, als die&#x017F;e unver&#x017F;chämte Apanagi¬<lb/>
rung der Erbprinzen überall. Mein Gott, wer giebt<lb/>
denn dem armen Volke Warte-Geld, wenn es auf<lb/>
den Tod eines bö&#x017F;en Für&#x017F;ten äng&#x017F;tlich harrt? Aber<lb/>
die Höfe &#x017F;orgen dafür, daß die Kronprinzen &#x017F;chon in<lb/>
ihrer frühe&#x017F;ten Jugend an Ver&#x017F;chwendung gewöhnt<lb/>
werden; &#x017F;ie fürchten: in den reifern Jahren der<lb/>
Thronbe&#x017F;teigung möchten &#x017F;ie vielleicht für das La&#x017F;ter<lb/>
nicht genug Empfänglichkeit mehr haben.</p><lb/>
          <p>Der jetzige König wird al&#x017F;o vierzehn Millionen<lb/>
bekommen, eine Civilli&#x017F;te, die jedem Deut&#x017F;chen, der,<lb/>
wenn auch mit &#x017F;einen Füßen, doch nie mit &#x017F;einem Kopfe<lb/>
Deut&#x017F;chland verla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ehr winzig er&#x017F;cheinen muß.<lb/>
Und nach die&#x017F;er Vergleichung i&#x017F;t &#x017F;ie es auch. Das<lb/>
Budget von Frankreich beträgt vierzehnhundert Millio¬<lb/>
nen, die Civilli&#x017F;te mit vierzehn Millionen würde al&#x017F;o den<lb/><hi rendition="#g">hundert&#x017F;ten</hi> Theil der Staatsausgaben betragen.<lb/>
Das Budget von Baiern beträgt &#x017F;ieben und zwanzig<lb/>
Millionen, und die Civilli&#x017F;te des Königs drei Millio¬<lb/>
nen, al&#x017F;o den <hi rendition="#g">neunten</hi> Theil des ganzen Staats¬<lb/>
haushalts. Wenn der König von Frankreich im<lb/>
gleichem Verhältni&#x017F;&#x017F;e, wie der König von Baiern<lb/>
ausge&#x017F;tattet wäre, würde &#x017F;eine Civilli&#x017F;te auf<lb/>
155 Millionen &#x017F;teigen; und wenn der König von<lb/>
Baiern dem Könige von Frankreich gleich ge&#x017F;etzt<lb/>
würde, &#x017F;änke &#x017F;ein Einkommen auf 270,000 Gulden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0044] er den Thron beſteigt, eine Million bewilligt. Nichts empört mich mehr, als dieſe unverſchämte Apanagi¬ rung der Erbprinzen überall. Mein Gott, wer giebt denn dem armen Volke Warte-Geld, wenn es auf den Tod eines böſen Fürſten ängſtlich harrt? Aber die Höfe ſorgen dafür, daß die Kronprinzen ſchon in ihrer früheſten Jugend an Verſchwendung gewöhnt werden; ſie fürchten: in den reifern Jahren der Thronbeſteigung möchten ſie vielleicht für das Laſter nicht genug Empfänglichkeit mehr haben. Der jetzige König wird alſo vierzehn Millionen bekommen, eine Civilliſte, die jedem Deutſchen, der, wenn auch mit ſeinen Füßen, doch nie mit ſeinem Kopfe Deutſchland verlaſſen, ſehr winzig erſcheinen muß. Und nach dieſer Vergleichung iſt ſie es auch. Das Budget von Frankreich beträgt vierzehnhundert Millio¬ nen, die Civilliſte mit vierzehn Millionen würde alſo den hundertſten Theil der Staatsausgaben betragen. Das Budget von Baiern beträgt ſieben und zwanzig Millionen, und die Civilliſte des Königs drei Millio¬ nen, alſo den neunten Theil des ganzen Staats¬ haushalts. Wenn der König von Frankreich im gleichem Verhältniſſe, wie der König von Baiern ausgeſtattet wäre, würde ſeine Civilliſte auf 155 Millionen ſteigen; und wenn der König von Baiern dem Könige von Frankreich gleich geſetzt würde, ſänke ſein Einkommen auf 270,000 Gulden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/44
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/44>, abgerufen am 23.11.2024.