Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.dem andern, und fordert keinen für ihn. Kurz, Schon seit zehn Jahren komme ich nach Paris, dem andern, und fordert keinen für ihn. Kurz, Schon ſeit zehn Jahren komme ich nach Paris, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="47"/> dem andern, und fordert keinen für ihn. Kurz,<lb/> Berriot iſt ein Nebenbuhler, der meiner würdig iſt,<lb/> und da Madame Malibran das Unglück hat, mich<lb/> gar nicht zu kennen, konnte ſie keine beſſere Wahl<lb/><choice><sic>teffern</sic><corr>treffen</corr></choice>.</p><lb/> <p>Schon ſeit zehn Jahren komme ich nach Paris,<lb/> und erſt vor vierzehn Tagen habe ich die berühmte<lb/> Mars zum erſtenmal ſpielen ſehen. Aber das Sie<lb/> ja meine Ungeſchicklichkeiten keinem verrathen! Ich<lb/> hätte Ihnen früher über jenen Abend geſchrieben,<lb/> aber ich wußte nicht, was ich Ihnen ſagen ſollte,<lb/> und ich weiß es heute noch nicht was ich davon den¬<lb/> ken ſoll. Die Sache iſt: ich habe alle Uebung im<lb/> Kunſturtheile verloren. In frühern Jahren war ich,<lb/> wie mich mehrere dramatiſche Dichter und Schau¬<lb/> ſpieler, deren Stücke und deren Spiel ich gelobt,<lb/> verſichert haben, ein ſehr guter Theaterkritiker; aber<lb/> ſeitdem hat das unverſchämt proſaiſche Europa mich<lb/> aus aller Aeſthetik geworfen. Ich <hi rendition="#g">glaube</hi>, daß die<lb/> Mars die größte Künſtlerin iſt, als welche ſie den<lb/> Ruhm hat; aber ich weiß es noch nicht. Doch<lb/> weiß ich auch nichts im geringſten, was dieſen Glau¬<lb/> ben ſchwankend machen könnte. So viel merkte ich<lb/> wohl, daß ſie in den gewöhnlichen Momenten des<lb/> Spiels ſehr ökonomiſch iſt mit ihren Mitteln, und<lb/> man darum, den Reichthum ihrer Kunſt zu beurthei¬<lb/> len, erſt jene Feierlichkeiten des Herzens abwarten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0061]
dem andern, und fordert keinen für ihn. Kurz,
Berriot iſt ein Nebenbuhler, der meiner würdig iſt,
und da Madame Malibran das Unglück hat, mich
gar nicht zu kennen, konnte ſie keine beſſere Wahl
treffen.
Schon ſeit zehn Jahren komme ich nach Paris,
und erſt vor vierzehn Tagen habe ich die berühmte
Mars zum erſtenmal ſpielen ſehen. Aber das Sie
ja meine Ungeſchicklichkeiten keinem verrathen! Ich
hätte Ihnen früher über jenen Abend geſchrieben,
aber ich wußte nicht, was ich Ihnen ſagen ſollte,
und ich weiß es heute noch nicht was ich davon den¬
ken ſoll. Die Sache iſt: ich habe alle Uebung im
Kunſturtheile verloren. In frühern Jahren war ich,
wie mich mehrere dramatiſche Dichter und Schau¬
ſpieler, deren Stücke und deren Spiel ich gelobt,
verſichert haben, ein ſehr guter Theaterkritiker; aber
ſeitdem hat das unverſchämt proſaiſche Europa mich
aus aller Aeſthetik geworfen. Ich glaube, daß die
Mars die größte Künſtlerin iſt, als welche ſie den
Ruhm hat; aber ich weiß es noch nicht. Doch
weiß ich auch nichts im geringſten, was dieſen Glau¬
ben ſchwankend machen könnte. So viel merkte ich
wohl, daß ſie in den gewöhnlichen Momenten des
Spiels ſehr ökonomiſch iſt mit ihren Mitteln, und
man darum, den Reichthum ihrer Kunſt zu beurthei¬
len, erſt jene Feierlichkeiten des Herzens abwarten
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