soll, in welchem sich Glanz und Aufwand zeigen muß. Zu solchen Feierlichkeiten boten aber die beide Stücke, in welchen sie auftrat, keinen Anlaß. Es waren: l'Ecole des Vieillards von Delavigne, und les faus¬ ses confidences von Marivaux. Mir behagen die neuen Lustspiele nicht, auch nicht die Bessern. Die alten guten Komödien gaben uns Federzeichnungen, geistreiche Umrisse von Charakteren, die Leser, Zu¬ hörer, und Schauspieler ausmalten Das beschäftigte den Geist, und gab der Kunst Beschäftigung. Die neuen Komödiendichter aber, ohne Geist und ohne Erfindung wie sie sind, zeigen ihre Kunst nur in den Farben, und darum bleibt dem Schauspieler nichts weiter übrig, als ein Stück, das ihm nichts zu er¬ gänzen gelassen, zu kopiren. Das Drama Delavig¬ nes ist solcher modernen Art, und selbst eine Mars konnte die Feinheit ihrer Rolle nicht noch feiner aus¬ spinnen, und wer daher, wie ich das Stück gelesen und gut verstanden, erfuhr nichts Neues von ihr. In dem alten Lustspiele les fausses confidences, fand ich die Mars zu modern. Was allen männli¬ chen Rollen in dem Stücke gelang, ihren Empfindun¬ gen etwas Perückenartiges zu geben, mußte einem schönthuenden Frauenzimmer mislingen. Thut denn die Mars schön? -- werden Sie mich vielleicht mit Verwunderung fragen? Doch vergessen Sie nicht, daß es zehn Jahre sind, daß Sie sie gesehen, und
ſoll, in welchem ſich Glanz und Aufwand zeigen muß. Zu ſolchen Feierlichkeiten boten aber die beide Stücke, in welchen ſie auftrat, keinen Anlaß. Es waren: l'Ecole des Vieillards von Delavigne, und les faus¬ ses confidences von Marivaux. Mir behagen die neuen Luſtſpiele nicht, auch nicht die Beſſern. Die alten guten Komödien gaben uns Federzeichnungen, geiſtreiche Umriſſe von Charakteren, die Leſer, Zu¬ hörer, und Schauſpieler ausmalten Das beſchäftigte den Geiſt, und gab der Kunſt Beſchäftigung. Die neuen Komödiendichter aber, ohne Geiſt und ohne Erfindung wie ſie ſind, zeigen ihre Kunſt nur in den Farben, und darum bleibt dem Schauſpieler nichts weiter übrig, als ein Stück, das ihm nichts zu er¬ gänzen gelaſſen, zu kopiren. Das Drama Delavig¬ nes iſt ſolcher modernen Art, und ſelbſt eine Mars konnte die Feinheit ihrer Rolle nicht noch feiner aus¬ ſpinnen, und wer daher, wie ich das Stück geleſen und gut verſtanden, erfuhr nichts Neues von ihr. In dem alten Luſtſpiele les fausses confidences, fand ich die Mars zu modern. Was allen männli¬ chen Rollen in dem Stücke gelang, ihren Empfindun¬ gen etwas Perückenartiges zu geben, mußte einem ſchönthuenden Frauenzimmer mislingen. Thut denn die Mars ſchön? — werden Sie mich vielleicht mit Verwunderung fragen? Doch vergeſſen Sie nicht, daß es zehn Jahre ſind, daß Sie ſie geſehen, und
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ſoll, in welchem ſich Glanz und Aufwand zeigen muß.
Zu ſolchen Feierlichkeiten boten aber die beide Stücke,
in welchen ſie auftrat, keinen Anlaß. Es waren:
l'Ecole des Vieillards von Delavigne, und les faus¬
ses confidences von Marivaux. Mir behagen die
neuen Luſtſpiele nicht, auch nicht die Beſſern. Die
alten guten Komödien gaben uns Federzeichnungen,
geiſtreiche Umriſſe von Charakteren, die Leſer, Zu¬
hörer, und Schauſpieler ausmalten Das beſchäftigte
den Geiſt, und gab der Kunſt Beſchäftigung. Die
neuen Komödiendichter aber, ohne Geiſt und ohne
Erfindung wie ſie ſind, zeigen ihre Kunſt nur in den
Farben, und darum bleibt dem Schauſpieler nichts
weiter übrig, als ein Stück, das ihm nichts zu er¬
gänzen gelaſſen, zu kopiren. Das Drama Delavig¬
nes iſt ſolcher modernen Art, und ſelbſt eine Mars
konnte die Feinheit ihrer Rolle nicht noch feiner aus¬
ſpinnen, und wer daher, wie ich das Stück geleſen
und gut verſtanden, erfuhr nichts Neues von ihr.
In dem alten Luſtſpiele les fausses confidences,
fand ich die Mars zu modern. Was allen männli¬
chen Rollen in dem Stücke gelang, ihren Empfindun¬
gen etwas Perückenartiges zu geben, mußte einem
ſchönthuenden Frauenzimmer mislingen. Thut denn
die Mars ſchön? — werden Sie mich vielleicht mit
Verwunderung fragen? Doch vergeſſen Sie nicht,
daß es zehn Jahre ſind, daß Sie ſie geſehen, und
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/62>, abgerufen am 21.11.2024.
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