Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

Bonn und sprachen mit allen auf die nehmliche Weise.
Und wie Abends viele Ritter zum Ritter Kunz zum
Schmausen kamen, und jeder seinem Nachbarn er¬
zählte, wie die Kaufherren ihn ins Gesicht einen ehr¬
lichen Mann gescholten, und seinen Nachbarn als
Spitzbuben gelobt, lachten sie Alle ganz unbändig
und zechten bis der Morgen graute. Die Handels¬
leute hatten es aber jetzt viel besser als früher."

"So währte das einige Jahrhunderte lang.
Endlich merkten die Kaiser, Könige, Herzöge, Für¬
sten, Landgrafen, die Vorfahren unserer gnädigsten
Landesherren, daß sie lang dumm gewesen. Sie dach¬
ten: Ei, die Ritter verdienen ein schön Stück Geld
an den Bürgers- und Landleuten, sind wir nicht
rechte Narren, daß wir es nicht selbst verdienen?
Wer ist Herr im Lande, wir oder die Ritter? Das
muß anders werden. Sie sagten also den Kaufleu¬
ten: Ihr untersteht Euch nicht mehr, Euch von den
Rittern loszukaufen; das Geld, das Ihr ihnen ge¬
geben, gebt Ihr künftig uns selbst, und dagegen be¬
schützen wir Euch gegen jede Gewalt. Die Kauf¬
leute mußten das zufrieden seyn, und den Rittern
wurde von den Landesherren untersagt, sie zu beun¬
ruhigen. Diese ließen sich aber nicht wehren, und
wenn die Kaufleute vorüber kamen und nicht bezahl¬
ten, wurden sie wie früher geplündert und todtgeschla¬
gen. Sie mußten also, wollten sie Ruhe haben, die

Bonn und ſprachen mit allen auf die nehmliche Weiſe.
Und wie Abends viele Ritter zum Ritter Kunz zum
Schmauſen kamen, und jeder ſeinem Nachbarn er¬
zählte, wie die Kaufherren ihn ins Geſicht einen ehr¬
lichen Mann geſcholten, und ſeinen Nachbarn als
Spitzbuben gelobt, lachten ſie Alle ganz unbändig
und zechten bis der Morgen graute. Die Handels¬
leute hatten es aber jetzt viel beſſer als früher.“

„So währte das einige Jahrhunderte lang.
Endlich merkten die Kaiſer, Könige, Herzöge, Für¬
ſten, Landgrafen, die Vorfahren unſerer gnädigſten
Landesherren, daß ſie lang dumm geweſen. Sie dach¬
ten: Ei, die Ritter verdienen ein ſchön Stück Geld
an den Bürgers- und Landleuten, ſind wir nicht
rechte Narren, daß wir es nicht ſelbſt verdienen?
Wer iſt Herr im Lande, wir oder die Ritter? Das
muß anders werden. Sie ſagten alſo den Kaufleu¬
ten: Ihr unterſteht Euch nicht mehr, Euch von den
Rittern loszukaufen; das Geld, das Ihr ihnen ge¬
geben, gebt Ihr künftig uns ſelbſt, und dagegen be¬
ſchützen wir Euch gegen jede Gewalt. Die Kauf¬
leute mußten das zufrieden ſeyn, und den Rittern
wurde von den Landesherren unterſagt, ſie zu beun¬
ruhigen. Dieſe ließen ſich aber nicht wehren, und
wenn die Kaufleute vorüber kamen und nicht bezahl¬
ten, wurden ſie wie früher geplündert und todtgeſchla¬
gen. Sie mußten alſo, wollten ſie Ruhe haben, die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="85"/>
Bonn und &#x017F;prachen mit allen auf die nehmliche Wei&#x017F;e.<lb/>
Und wie Abends viele Ritter zum Ritter Kunz zum<lb/>
Schmau&#x017F;en kamen, und jeder &#x017F;einem Nachbarn er¬<lb/>
zählte, wie die Kaufherren ihn ins Ge&#x017F;icht einen ehr¬<lb/>
lichen Mann ge&#x017F;cholten, und &#x017F;einen Nachbarn als<lb/>
Spitzbuben gelobt, lachten &#x017F;ie Alle ganz unbändig<lb/>
und zechten bis der Morgen graute. Die Handels¬<lb/>
leute hatten es aber jetzt viel be&#x017F;&#x017F;er als früher.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;So währte das einige Jahrhunderte lang.<lb/>
Endlich merkten die Kai&#x017F;er, Könige, Herzöge, Für¬<lb/>
&#x017F;ten, Landgrafen, die Vorfahren un&#x017F;erer gnädig&#x017F;ten<lb/>
Landesherren, daß &#x017F;ie lang dumm gewe&#x017F;en. Sie dach¬<lb/>
ten: Ei, die Ritter verdienen ein &#x017F;chön Stück Geld<lb/>
an den Bürgers- und Landleuten, &#x017F;ind wir nicht<lb/>
rechte Narren, daß wir es nicht &#x017F;elb&#x017F;t verdienen?<lb/>
Wer i&#x017F;t Herr im Lande, wir oder die Ritter? Das<lb/>
muß anders werden. Sie &#x017F;agten al&#x017F;o den Kaufleu¬<lb/>
ten: Ihr unter&#x017F;teht Euch nicht mehr, Euch von den<lb/>
Rittern loszukaufen; das Geld, das Ihr ihnen ge¬<lb/>
geben, gebt Ihr künftig uns &#x017F;elb&#x017F;t, und dagegen be¬<lb/>
&#x017F;chützen wir Euch gegen jede Gewalt. Die Kauf¬<lb/>
leute mußten das zufrieden &#x017F;eyn, und den Rittern<lb/>
wurde von den Landesherren unter&#x017F;agt, &#x017F;ie zu beun¬<lb/>
ruhigen. Die&#x017F;e ließen &#x017F;ich aber nicht wehren, und<lb/>
wenn die Kaufleute vorüber kamen und nicht bezahl¬<lb/>
ten, wurden &#x017F;ie wie früher geplündert und todtge&#x017F;chla¬<lb/>
gen. Sie mußten al&#x017F;o, wollten &#x017F;ie Ruhe haben, die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0099] Bonn und ſprachen mit allen auf die nehmliche Weiſe. Und wie Abends viele Ritter zum Ritter Kunz zum Schmauſen kamen, und jeder ſeinem Nachbarn er¬ zählte, wie die Kaufherren ihn ins Geſicht einen ehr¬ lichen Mann geſcholten, und ſeinen Nachbarn als Spitzbuben gelobt, lachten ſie Alle ganz unbändig und zechten bis der Morgen graute. Die Handels¬ leute hatten es aber jetzt viel beſſer als früher.“ „So währte das einige Jahrhunderte lang. Endlich merkten die Kaiſer, Könige, Herzöge, Für¬ ſten, Landgrafen, die Vorfahren unſerer gnädigſten Landesherren, daß ſie lang dumm geweſen. Sie dach¬ ten: Ei, die Ritter verdienen ein ſchön Stück Geld an den Bürgers- und Landleuten, ſind wir nicht rechte Narren, daß wir es nicht ſelbſt verdienen? Wer iſt Herr im Lande, wir oder die Ritter? Das muß anders werden. Sie ſagten alſo den Kaufleu¬ ten: Ihr unterſteht Euch nicht mehr, Euch von den Rittern loszukaufen; das Geld, das Ihr ihnen ge¬ geben, gebt Ihr künftig uns ſelbſt, und dagegen be¬ ſchützen wir Euch gegen jede Gewalt. Die Kauf¬ leute mußten das zufrieden ſeyn, und den Rittern wurde von den Landesherren unterſagt, ſie zu beun¬ ruhigen. Dieſe ließen ſich aber nicht wehren, und wenn die Kaufleute vorüber kamen und nicht bezahl¬ ten, wurden ſie wie früher geplündert und todtgeſchla¬ gen. Sie mußten alſo, wollten ſie Ruhe haben, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/99
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/99>, abgerufen am 24.11.2024.