Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.same oder heuchlerische Nachgeben macht die Partheien Es ist gut daß Sie wissen, was Chateaubriand ſame oder heuchleriſche Nachgeben macht die Partheien Es iſt gut daß Sie wiſſen, was Chateaubriand <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="202"/> ſame oder heuchleriſche Nachgeben macht die Partheien<lb/> ſo unverſöhnlich. Gäbe es keine Royaliſten die Liebe<lb/> zur Freiheit heuchelten, freilich, zur <hi rendition="#g">wahren</hi>, wie<lb/> ſie ſagen — gäbe es keine Freiſinnigen die Anhäng¬<lb/> lichkeit für den Fürſten heuchelten — beide aus Liſt,<lb/> Trug oder Schwäche — man könnte ſich beſſer ver¬<lb/> ſtändigen, denn man verſtünde ſich beſſer.</p><lb/> <p>Es iſt gut daß Sie wiſſen, was Chateaubriand<lb/> von der gegenwärtige Lage Frankreichs, von ſeinen<lb/> äußern Verhältniſſen, was er von der Erbärmlichkeit<lb/> der Regierung, und der Ermüdung der Nation ſpricht,<lb/> auf welche die Tyrannei die Hoffnung ihres Gelin¬<lb/> gens gründet. Chateaubriand iſt kein Zimmerſpeku¬<lb/> lant, wie ich, der die Welt durch das Fenſter an¬<lb/> ſieht, er hat nichts zu errathen und zu vermuthen,<lb/> er braucht keinen Argwohn und keine Hoffnung; er<lb/> iſt ein vornehmer Mann, ſteht an der Spitze einer<lb/> reichen und mächtigen Parthei, die Alles weiß, Alles<lb/> erfährt, und Vieles ſelbſt thut oder ſtört. Er iſt<lb/> ſelbſt ein Staatsmann, der die Mittel und Wege,<lb/> die Stärke und Schwäche aller Regierungen kennt.<lb/> Ihn konnte nicht, wie mich, die Liebe zur Freiheit<lb/> verblenden; denn er iſt ein guter Royaliſt der rein¬<lb/> ſten Art, ein Legitimiſt. Es könnte ſich freilich fin¬<lb/> den, daß das was er Louis Philipp vorwirft, nur<lb/> das Verderbniß jedes Fürſten ſei; aber dann, deſto<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0214]
ſame oder heuchleriſche Nachgeben macht die Partheien
ſo unverſöhnlich. Gäbe es keine Royaliſten die Liebe
zur Freiheit heuchelten, freilich, zur wahren, wie
ſie ſagen — gäbe es keine Freiſinnigen die Anhäng¬
lichkeit für den Fürſten heuchelten — beide aus Liſt,
Trug oder Schwäche — man könnte ſich beſſer ver¬
ſtändigen, denn man verſtünde ſich beſſer.
Es iſt gut daß Sie wiſſen, was Chateaubriand
von der gegenwärtige Lage Frankreichs, von ſeinen
äußern Verhältniſſen, was er von der Erbärmlichkeit
der Regierung, und der Ermüdung der Nation ſpricht,
auf welche die Tyrannei die Hoffnung ihres Gelin¬
gens gründet. Chateaubriand iſt kein Zimmerſpeku¬
lant, wie ich, der die Welt durch das Fenſter an¬
ſieht, er hat nichts zu errathen und zu vermuthen,
er braucht keinen Argwohn und keine Hoffnung; er
iſt ein vornehmer Mann, ſteht an der Spitze einer
reichen und mächtigen Parthei, die Alles weiß, Alles
erfährt, und Vieles ſelbſt thut oder ſtört. Er iſt
ſelbſt ein Staatsmann, der die Mittel und Wege,
die Stärke und Schwäche aller Regierungen kennt.
Ihn konnte nicht, wie mich, die Liebe zur Freiheit
verblenden; denn er iſt ein guter Royaliſt der rein¬
ſten Art, ein Legitimiſt. Es könnte ſich freilich fin¬
den, daß das was er Louis Philipp vorwirft, nur
das Verderbniß jedes Fürſten ſei; aber dann, deſto
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