Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.samer als die schönste lange Rede. Wenn Worte, Die Volkskammer in Weimar hatte die Oeffent¬ 15 *
ſamer als die ſchönſte lange Rede. Wenn Worte, Die Volkskammer in Weimar hatte die Oeffent¬ 15 *
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0239" n="227"/> ſamer als die ſchönſte lange Rede. Wenn Worte,<lb/> wenn ein Ach, ein O, ein Weh zünden könnten,<lb/> ſchleuderte ich einmal mein Taſchenbuch in das ver¬<lb/> fluchte taxiſche Haus, daß das ganze Sünden-Regi¬<lb/> ſter mit allen Sünden-Regiſtratoren in Rauch und<lb/> Feuer aufginge. Dort iſt die Büchſe der Pandora,<lb/> nur ohne die Hoffnung. Doch nein, nicht ohne Hoff¬<lb/> nung! die Hoffnung iſt da, aber nicht in der Büchſe;<lb/> ich hoffe mehr als je. Es kann nicht lange mehr<lb/> ſo bleiben, ſie machen es zu arg. Ein Volk erträgt<lb/> lange den Haß, den Zorn, den Druck, wohl auch<lb/> den Spott ſeiner Tyrannen: aber die Verachtung —<lb/> nein. Was! die Milch, das ſanfte, harmloſe Ding,<lb/> wird ſauer und gerinnt, ſteift ſich und widerſteht,<lb/> wenn man ſie etwas tückiſch anhaucht wenn ſie einer<lb/> ſchlägt — und das ſtolze Blut, der edle Sohn des<lb/> Körpers und der Seele, ſollte ſich nicht rühren, wenn<lb/> freche Edelbuben in ihm herum plätſchern? Es<lb/> kann nicht ſein, das iſt nicht möglich, das ertragen<lb/> ſie nicht lange mehr — es iſt Eiſen im Blute.</p><lb/> <p>Die Volkskammer in Weimar hatte die Oeffent¬<lb/> lichkeit ihrer Sitzungen beſchloſſen; denn was wäre<lb/> ſelbſt die Wahrheit im Verborgenen? Nur eine ge¬<lb/> fährliche Waffe mehr in den Händen der Lüge. Aber<lb/> die Edelleute in der andern Kammer haben die Oef¬<lb/> fentlichkeit verworfen, denn ſie meinten in ihrer Weis¬<lb/> heit, damit hätten noch alle Revolutionen und Repu¬<lb/> <fw place="bottom" type="sig">15 *<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [227/0239]
ſamer als die ſchönſte lange Rede. Wenn Worte,
wenn ein Ach, ein O, ein Weh zünden könnten,
ſchleuderte ich einmal mein Taſchenbuch in das ver¬
fluchte taxiſche Haus, daß das ganze Sünden-Regi¬
ſter mit allen Sünden-Regiſtratoren in Rauch und
Feuer aufginge. Dort iſt die Büchſe der Pandora,
nur ohne die Hoffnung. Doch nein, nicht ohne Hoff¬
nung! die Hoffnung iſt da, aber nicht in der Büchſe;
ich hoffe mehr als je. Es kann nicht lange mehr
ſo bleiben, ſie machen es zu arg. Ein Volk erträgt
lange den Haß, den Zorn, den Druck, wohl auch
den Spott ſeiner Tyrannen: aber die Verachtung —
nein. Was! die Milch, das ſanfte, harmloſe Ding,
wird ſauer und gerinnt, ſteift ſich und widerſteht,
wenn man ſie etwas tückiſch anhaucht wenn ſie einer
ſchlägt — und das ſtolze Blut, der edle Sohn des
Körpers und der Seele, ſollte ſich nicht rühren, wenn
freche Edelbuben in ihm herum plätſchern? Es
kann nicht ſein, das iſt nicht möglich, das ertragen
ſie nicht lange mehr — es iſt Eiſen im Blute.
Die Volkskammer in Weimar hatte die Oeffent¬
lichkeit ihrer Sitzungen beſchloſſen; denn was wäre
ſelbſt die Wahrheit im Verborgenen? Nur eine ge¬
fährliche Waffe mehr in den Händen der Lüge. Aber
die Edelleute in der andern Kammer haben die Oef¬
fentlichkeit verworfen, denn ſie meinten in ihrer Weis¬
heit, damit hätten noch alle Revolutionen und Repu¬
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