Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

waren Gegner von Rotteck und Welcker, denn die
guten Bürger hatten sich von ihren Regierungs-
Pfaffen weiß machen lassen, Welcker und Rotteck
wären Schuld an der Sündfluth. Als ich verflosse¬
nen Sommer dort war, wohnte ich einem Abendessen
von dreißig bis vierzig Personen bei. Darunter wa¬
ren etwa zehen Bürger, alle übrigen waren aus dem
gelehrten Stande. Man versicherte mich, ich sähe
da alles beisammen was in Freiburg an Liberalismus
aufzutreiben gewesen. Und wie hat sich das jetzt
geändert! Das haben die Bundestags-Gesandten
bewirkt, das sind die wahren Revolutionärs, die gu¬
ten ächten Hambacher. Der Großherzog von Baden
hätte tausendmal eher den Herrn von Blittersdorf
pensioniren sollen als Rotteck und Welcker. Aber
sie sind mit Blindheit geschlagen, mit einer Blind¬
heit gegen welche die Aegyptische Finsterniß blendendes
Tageslicht ist. Ich bitte Sie, thun Sie mir doch
den Gefallen und fragen Sie mich in Ihrem näch¬
sten Briefe: ob ich denn gar nichts über die Bun¬
destagsbeschlüsse schreiben werde? Ich möchte Sie
gern auslachen, das wird mich erheitern. Den vie¬
len Narren, die seit vorigem Sommer diese Frage
an mich gethan, wollte ich aus Höflichkeit nicht in
das Gesicht lachen: aber mit Ihnen als meiner lie¬
ben Freundin brauche ich keine Umstände zu machen.
Ich soll von den Bundestags-Beschlüssen sprechen!

waren Gegner von Rotteck und Welcker, denn die
guten Bürger hatten ſich von ihren Regierungs-
Pfaffen weiß machen laſſen, Welcker und Rotteck
wären Schuld an der Sündfluth. Als ich verfloſſe¬
nen Sommer dort war, wohnte ich einem Abendeſſen
von dreißig bis vierzig Perſonen bei. Darunter wa¬
ren etwa zehen Bürger, alle übrigen waren aus dem
gelehrten Stande. Man verſicherte mich, ich ſähe
da alles beiſammen was in Freiburg an Liberalismus
aufzutreiben geweſen. Und wie hat ſich das jetzt
geändert! Das haben die Bundestags-Geſandten
bewirkt, das ſind die wahren Revolutionärs, die gu¬
ten ächten Hambacher. Der Großherzog von Baden
hätte tauſendmal eher den Herrn von Blittersdorf
penſioniren ſollen als Rotteck und Welcker. Aber
ſie ſind mit Blindheit geſchlagen, mit einer Blind¬
heit gegen welche die Aegyptiſche Finſterniß blendendes
Tageslicht iſt. Ich bitte Sie, thun Sie mir doch
den Gefallen und fragen Sie mich in Ihrem näch¬
ſten Briefe: ob ich denn gar nichts über die Bun¬
destagsbeſchlüſſe ſchreiben werde? Ich möchte Sie
gern auslachen, das wird mich erheitern. Den vie¬
len Narren, die ſeit vorigem Sommer dieſe Frage
an mich gethan, wollte ich aus Höflichkeit nicht in
das Geſicht lachen: aber mit Ihnen als meiner lie¬
ben Freundin brauche ich keine Umſtände zu machen.
Ich ſoll von den Bundestags-Beſchlüſſen ſprechen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0243" n="231"/>
waren Gegner von Rotteck und Welcker, denn die<lb/>
guten Bürger hatten &#x017F;ich von ihren Regierungs-<lb/>
Pfaffen weiß machen la&#x017F;&#x017F;en, Welcker und Rotteck<lb/>
wären Schuld an der Sündfluth. Als ich verflo&#x017F;&#x017F;<lb/>
nen Sommer dort war, wohnte ich einem Abende&#x017F;&#x017F;en<lb/>
von dreißig bis vierzig Per&#x017F;onen bei. Darunter wa¬<lb/>
ren etwa zehen Bürger, alle übrigen waren aus dem<lb/>
gelehrten Stande. Man ver&#x017F;icherte mich, ich &#x017F;ähe<lb/>
da alles bei&#x017F;ammen was in Freiburg an Liberalismus<lb/>
aufzutreiben gewe&#x017F;en. Und wie hat &#x017F;ich das jetzt<lb/>
geändert! Das haben die Bundestags-Ge&#x017F;andten<lb/>
bewirkt, das &#x017F;ind die wahren Revolutionärs, die gu¬<lb/>
ten ächten Hambacher. Der Großherzog von Baden<lb/>
hätte tau&#x017F;endmal eher den Herrn von Blittersdorf<lb/>
pen&#x017F;ioniren &#x017F;ollen als Rotteck und Welcker. Aber<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ind mit Blindheit ge&#x017F;chlagen, mit einer Blind¬<lb/>
heit gegen welche die Aegypti&#x017F;che Fin&#x017F;terniß blendendes<lb/>
Tageslicht i&#x017F;t. Ich bitte Sie, thun Sie mir doch<lb/>
den Gefallen und fragen Sie mich in Ihrem näch¬<lb/>
&#x017F;ten Briefe: ob ich denn gar nichts über die Bun¬<lb/>
destagsbe&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chreiben werde? Ich möchte Sie<lb/>
gern auslachen, das wird mich erheitern. Den vie¬<lb/>
len Narren, die &#x017F;eit vorigem Sommer die&#x017F;e Frage<lb/>
an mich gethan, wollte ich aus Höflichkeit nicht in<lb/>
das Ge&#x017F;icht lachen: aber mit Ihnen als meiner lie¬<lb/>
ben Freundin brauche ich keine Um&#x017F;tände zu machen.<lb/>
Ich &#x017F;oll von den Bundestags-Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;prechen!<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[231/0243] waren Gegner von Rotteck und Welcker, denn die guten Bürger hatten ſich von ihren Regierungs- Pfaffen weiß machen laſſen, Welcker und Rotteck wären Schuld an der Sündfluth. Als ich verfloſſe¬ nen Sommer dort war, wohnte ich einem Abendeſſen von dreißig bis vierzig Perſonen bei. Darunter wa¬ ren etwa zehen Bürger, alle übrigen waren aus dem gelehrten Stande. Man verſicherte mich, ich ſähe da alles beiſammen was in Freiburg an Liberalismus aufzutreiben geweſen. Und wie hat ſich das jetzt geändert! Das haben die Bundestags-Geſandten bewirkt, das ſind die wahren Revolutionärs, die gu¬ ten ächten Hambacher. Der Großherzog von Baden hätte tauſendmal eher den Herrn von Blittersdorf penſioniren ſollen als Rotteck und Welcker. Aber ſie ſind mit Blindheit geſchlagen, mit einer Blind¬ heit gegen welche die Aegyptiſche Finſterniß blendendes Tageslicht iſt. Ich bitte Sie, thun Sie mir doch den Gefallen und fragen Sie mich in Ihrem näch¬ ſten Briefe: ob ich denn gar nichts über die Bun¬ destagsbeſchlüſſe ſchreiben werde? Ich möchte Sie gern auslachen, das wird mich erheitern. Den vie¬ len Narren, die ſeit vorigem Sommer dieſe Frage an mich gethan, wollte ich aus Höflichkeit nicht in das Geſicht lachen: aber mit Ihnen als meiner lie¬ ben Freundin brauche ich keine Umſtände zu machen. Ich ſoll von den Bundestags-Beſchlüſſen ſprechen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/243
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 5. Paris, 1834, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris05_1834/243>, abgerufen am 21.11.2024.