Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.einem Tage des blutigsten Kampfes ein Knabe, der Heine ist ein Künstler, ein Dichter, und zur einem Tage des blutigſten Kampfes ein Knabe, der Heine iſt ein Künſtler, ein Dichter, und zur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0149" n="137"/> einem Tage des blutigſten Kampfes ein Knabe, der<lb/> auf dem Schlachtfelde nach Schmetterlingen jagt,<lb/> mir zwiſchen die Beine kömmt; wenn an einem<lb/> Tage der höchſten Noth, wo wir heiß zu Gott beten,<lb/> ein junger Geck uns zur Seite, in der Kirche nichts<lb/> ſieht als die ſchönen Mädchen, und mit ihnen lieb¬<lb/> äugelt und flüſtert — ſo darf uns das, unbeſchadet<lb/> unſerer Philoſophie und Menſchlichkeit, wohl ärgerlich<lb/> machen.</p><lb/> <p>Heine iſt ein Künſtler, ein Dichter, und zur<lb/> allgemeinſten Anerkennung fehlt ihm nur noch ſeine<lb/> eigne. Weil er oft noch etwas anders ſein will<lb/> als ein Dichter, verliert er ſich oft. Wem wie ihm,<lb/> die Form das höchſte iſt, dem muß ſie auch das<lb/> einzige bleiben; denn ſobald er den Rand überſteigt<lb/> fließt er in's Schrankenloſe hinab, und es trinkt<lb/> ihn der Sand. Wer die Kunſt als ſeine Gottheit<lb/> verehrt, und je nach Laune auch manches Gebet an<lb/> die Natur richtet, der frevelt gegen Kunſt und Natur<lb/> zugleich. Heine bettelt der Natur ihren Nektar und<lb/> Blüthenſtaub ab, und bauet mit bildendem Wachſe<lb/> der Kunſt ihre Zellen. Aber er bildet die Zelle<lb/> nicht, daß ſie den Honig bewahre, ſondern ſammelt<lb/> den Honig, damit die Zelle auszufüllen. Darum<lb/> rührt er auch nicht wenn er weint; denn man weiß,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0149]
einem Tage des blutigſten Kampfes ein Knabe, der
auf dem Schlachtfelde nach Schmetterlingen jagt,
mir zwiſchen die Beine kömmt; wenn an einem
Tage der höchſten Noth, wo wir heiß zu Gott beten,
ein junger Geck uns zur Seite, in der Kirche nichts
ſieht als die ſchönen Mädchen, und mit ihnen lieb¬
äugelt und flüſtert — ſo darf uns das, unbeſchadet
unſerer Philoſophie und Menſchlichkeit, wohl ärgerlich
machen.
Heine iſt ein Künſtler, ein Dichter, und zur
allgemeinſten Anerkennung fehlt ihm nur noch ſeine
eigne. Weil er oft noch etwas anders ſein will
als ein Dichter, verliert er ſich oft. Wem wie ihm,
die Form das höchſte iſt, dem muß ſie auch das
einzige bleiben; denn ſobald er den Rand überſteigt
fließt er in's Schrankenloſe hinab, und es trinkt
ihn der Sand. Wer die Kunſt als ſeine Gottheit
verehrt, und je nach Laune auch manches Gebet an
die Natur richtet, der frevelt gegen Kunſt und Natur
zugleich. Heine bettelt der Natur ihren Nektar und
Blüthenſtaub ab, und bauet mit bildendem Wachſe
der Kunſt ihre Zellen. Aber er bildet die Zelle
nicht, daß ſie den Honig bewahre, ſondern ſammelt
den Honig, damit die Zelle auszufüllen. Darum
rührt er auch nicht wenn er weint; denn man weiß,
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