Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.Uebrigens könnte Preußen eine solche Juden¬ Uebrigens könnte Preußen eine ſolche Juden¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <pb facs="#f0183" n="171"/> <p>Uebrigens könnte Preußen eine ſolche Juden¬<lb/> ordnung einführen und es würde gar nichts dabei ver¬<lb/> lieren, außer daß dann auch die Kurzſichtigſten vorher¬<lb/> ſehen würden, welche Zukunft dem ganzen Volke<lb/> droht. Der alleinige Unterſchied bliebe dann, daß<lb/> man dem jüdiſchen Hunde mit einem Schnitte die<lb/> Ohren kurz machte, während man ſie dem chriſtlichen<lb/> nur nach und nach abſchneiden würde „um dem<lb/> armen Viehe nicht auf einmal zu wehe zu thun,“ wie<lb/> jener Bediente ſagte. Wenn man die Preußiſche<lb/> Regierung beurtheilen will, muß man nicht blos<lb/> auf das achten, was ſie thut — denn das zeigt<lb/> nur an was ſie <hi rendition="#g">kann</hi>, ſondern auch auf das, was<lb/> ſie ſpricht — welches anzeigt was ſie <hi rendition="#g">will</hi>. Wenn<lb/> ich das Berliner <hi rendition="#g">politiſche Wochenblatt</hi> leſe,<lb/> weiß ich gar nicht was ich denken ſoll. Ich ſage<lb/><hi rendition="#g">denken</hi> — denn glauben Sie mir: ich drücke nie<lb/> eine Empfindung aus, ehe ich von der heißen Dach¬<lb/> kammer des Gefühls, in den Eiskeller der ruhigſten<lb/> Beſonnenheit hinabgeſtiegen bin, und dort die Probe<lb/> gehalten habe, ob der Kopf mit dem Herzen über¬<lb/> einſtimmt. Und ſo oft dieſe Uebereinſtimmung fehlt,<lb/> löſche ich meine Empfindung aus. In dem Berliner<lb/> Wochenblatte werden despotiſche Grundſätze gelehrt,<lb/> die mit dem Prinzipe des Proteſtantismus gar nicht<lb/> zu vereinigen ſind. Und wenn Preußen dieſes<lb/> Prinzip, ſeine Hauptſtütze, erſchüttert, ſinkt es zum<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0183]
Uebrigens könnte Preußen eine ſolche Juden¬
ordnung einführen und es würde gar nichts dabei ver¬
lieren, außer daß dann auch die Kurzſichtigſten vorher¬
ſehen würden, welche Zukunft dem ganzen Volke
droht. Der alleinige Unterſchied bliebe dann, daß
man dem jüdiſchen Hunde mit einem Schnitte die
Ohren kurz machte, während man ſie dem chriſtlichen
nur nach und nach abſchneiden würde „um dem
armen Viehe nicht auf einmal zu wehe zu thun,“ wie
jener Bediente ſagte. Wenn man die Preußiſche
Regierung beurtheilen will, muß man nicht blos
auf das achten, was ſie thut — denn das zeigt
nur an was ſie kann, ſondern auch auf das, was
ſie ſpricht — welches anzeigt was ſie will. Wenn
ich das Berliner politiſche Wochenblatt leſe,
weiß ich gar nicht was ich denken ſoll. Ich ſage
denken — denn glauben Sie mir: ich drücke nie
eine Empfindung aus, ehe ich von der heißen Dach¬
kammer des Gefühls, in den Eiskeller der ruhigſten
Beſonnenheit hinabgeſtiegen bin, und dort die Probe
gehalten habe, ob der Kopf mit dem Herzen über¬
einſtimmt. Und ſo oft dieſe Uebereinſtimmung fehlt,
löſche ich meine Empfindung aus. In dem Berliner
Wochenblatte werden despotiſche Grundſätze gelehrt,
die mit dem Prinzipe des Proteſtantismus gar nicht
zu vereinigen ſind. Und wenn Preußen dieſes
Prinzip, ſeine Hauptſtütze, erſchüttert, ſinkt es zum
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